1. Grundlegendes Setting und Selbstdarstellung
Gleich zu Beginn stellt sich Dr. Dr. Rainer Zitelmann als promovierter Historiker und Soziologe vor, der sich intensiv mit Hitler und dem Nationalsozialismus befasst hat. Er betont seine vermeintlich „objektive“ Herangehensweise und hebt hervor, dass er damals (in den 1980ern) beim Schreiben seiner Dissertation „noch eher links“ eingestellt gewesen sei und er heute ein „liberaler Kapitalismusbefürworter“ sei.
- Rhetorischer Effekt: Durch die Selbstdarstellung als objektiver Wissenschaftler, der „nur die Fakten sprechen lässt“, soll Vertrauen geschaffen werden. Gleichzeitig positioniert er sich als „exzentrisch unabhängig“ (sowohl gegen linke als auch gegen rechte „Keulen“) und weckt so den Eindruck, er habe eine unverfälschte, „neutrale“ Sicht.
- Mögliche Auslassung: Dass Geschichtswissenschaft grundsätzlich immer Wertungen vornimmt (etwa durch Quellen- und Themenauswahl), wird heruntergespielt. Ganz ohne Bewertung kommt kein historisches Werk aus – zumal das Thema Hitler/Nationalsozialismus politisch stark aufgeladen ist.
2. Zentrale These: „Die NSDAP hatte viele linke bzw. sozialistische Elemente“
Zitelmann räumt zwar ein, dass Hitler kein Kommunist war und auch nicht „völlig links“, behauptet aber, Hitler habe eine stark „sozialistische“ und „antikapitalistische“ Programmatik gehabt.
- Was unterschlägt oder relativiert er?
- Repressiver Antisozialismus in der Praxis: Dass Hitler und die NSDAP tatsächlich nach der Machtergreifung 1933 sofort und brutal linke Kräfte (KPD, SPD, Gewerkschaften) zerschlagen haben und sich die Kommunisten-/Sozialistenverfolgung wie ein roter Faden durch das NS-Regime zieht, wird kaum erwähnt.
- Bedeutung der Großindustrie im Aufstieg der NSDAP: Während er zwar sagt, dass die meisten Großunternehmer erst reserviert gewesen seien, erwähnt er nur sehr kurz, wie ab 1931/32 doch namhafte Industrielle (z.B. Fritz Thyssen) die NSDAP massiv unterstützten – maßgeblich für Hitlers Machtübernahme. Dass sich viele Industrielle nach 1933 freiwillig der NS-Wirtschaftsdiktatur andienten, bleibt in seiner Schilderung eher ein Randaspekt.
- Rhetorischer Trick: Er verwechselt bewusst oder unbewusst rhetorischen Antikapitalismus der NSDAP (insbes. in der frühen Propaganda, um auch ArbeiterInnenstimmen zu gewinnen) mit einer echten linken Wirtschaftspolitik. Er definiert „Sozialismus“ dabei sehr breit (jeder staatliche Eingriff wird als sozialistisch gebrandmarkt), was historisch verkürzt ist.
- Zweck: Mit dieser „Hitler-war-auch-Sozialist“-Argumentation wird untergründig der Eindruck erweckt, die NSDAP sei quasi eine Variante dessen, was heute „die Linke“ wäre. Das dient konservativen bzw. rechts-liberalen Kreisen oft dazu, jede Form von sozialstaatlicher oder regulierender Politik als bedenklich nahe am „Nationalsozialismus“ darzustellen.
3. Reduktion auf die Begriffe „Kollektivismus“ vs. „Individualismus“
Zitelmann behauptet, Hitler sei ein Kollektivist („Gemeinnutz vor Eigennutz“) gewesen und „deswegen“ habe er „linke“ Züge gehabt.
- Vereinfachung: Dass es in der Geschichte konservativ-reaktionäre und faschistische Kollektivismen gab (etwa die Betonung von Blut und Boden, Volksgemeinschaft, Rassegedanke) jenseits klassisch linker Visionen, wird unterschlagen. Er verschleiert so die spezifisch völkisch-rassistische Seite des NS, die man eben nicht einfach mit „linkem Kollektivismus“ (z.B. Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz) verwechseln kann.
- Rhetorische Strategie:
- Dehnung des Begriffes „Sozialismus“: Er sagt implizit: Alle großen Staats- oder Gesellschaftspläne seien irgendwie „sozialistisch“. Da verschwinden die Unterschiede zwischen autoritär-kollektivistisch (faschistisch) und emanzipatorisch-link (demokratisch-sozialistisch).
- Er nutzt in diesem Zusammenhang fast durchgehend Begriffe und Kategorisierungen („marxistische Deutung“, „Kollektivismus vs. Individualismus“), die sehr stark aus dem ultraliberalen US-Diskurs bekannt sind, wo Sozialstaatlichkeit als „socialism“ gilt.
- Verschobenes Gewicht: Die NS-Rassenpolitik, die aggressive Expansionspolitik und der eliminatorische Antisemitismus – also die zentralen Elemente des „rechten“ Charakters der NSDAP – werden nur am Rande erwähnt.
4. Darstellung Hitlers als „nicht konservativ“
Zitelmann zeigt richtigerweise auf, dass viele Konservative (z.B. Teile des Adels, Monarchisten, manche Offiziere) Hitler ablehnten oder im Widerstand aktiv waren (20. Juli 1944). Er leitet daraus aber ab, Hitler sei quasi nicht „rechts“ gewesen, sondern etwas Eigenes bzw. eben links-sozialistisch.
- Fehlende historische Einordnung:
- Auch konservative Eliten haben Hitler zunächst unterschätzt, aber ab 1933 profitierte ein Großteil von ihnen durchaus vom NS-System (Reichswehr, Adelshöfe, Justiz etc.).
- „Rechts“ bedeutet historisch nicht immer kaisertreu-monarchistisch; der NS war eine radikal rechte Massenbewegung, die auch bürgerliche Eliten in ihr System einband, teils brutalisierte oder verdrängte, aber eben innerhalb eines insgesamt antisemitisch-reaktionären, rassistischen Weltbildes.
- Rhetorischer Effekt: Die Gleichsetzung „Konservativ = Rechts, Hitler hasste Konservative, also war Hitler Links“ ist eine extrem vereinfachte Logik, die historische Kontinuitäten verwischt.
5. Der Umgang mit moralischer Bewertung
Zitelmann sagt, er habe bewusst auf moralische Bewertung verzichtet, als er über Hitlers Wirtschaftspolitik schrieb. Das sei ein wissenschaftliches Prinzip.
- Was er dabei verschweigt: Er blendet so gut wie völlig aus, wie eng Wirtschaftspolitik und Verbrechen (Zwangsarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete, „Arisierung“ jüdischer Betriebe etc.) ineinandergriffen. Also dort, wo es unumgänglich eine moralische Komponente gibt.
- Warum ist das relevant?: Indem er behauptet, rein „wertneutral“ zu bleiben, kann er sich einer kritischen Auseinandersetzung mit den (nicht nur) moralischen, sondern auch realpolitischen Konsequenzen der NS-Wirtschafts- und Sozialpolitik entziehen.
- Rhetorischer Zweck: Einen scheinbar wertneutralen und faktenbasierten Ton zu wählen, obwohl das Thema höchst politisch und moralisch aufgeladen ist, verschafft ihm Seriosität. Gleichzeitig nutzt er diese Seriosität, um seine „Hitler-war-auch-Sozialist“-Argumentation zu stützen.
6. Einzelne Entlastungsbehauptungen / Geschichtsdeutungen
- „Der Kapitalismus wird als Sündenbock gesehen“: Zitelmann greift die alte These an, nach der Hitler eine Marionette des Großkapitals gewesen sei. Dabei kippt er aber ins andere Extrem, indem er suggeriert, die NSDAP habe gegen „den Kapitalismus“ gekämpft und sei deshalb „links“ gewesen.
- „Bedeutung der Großindustrie und des Militärs“: Er bagatellisiert ein wenig, dass sehr früh industrielles Geld in die NSDAP floss und dass im Militär etliche hochrangige Offiziere hinter Hitler standen.
- „Aufstiegschancen für die Arbeiterschaft“: Er erwähnt, dass Hitler Aufsteiger aus der Arbeiterklasse schätzte. Jedoch verschweigt er hier völlig, dass gleichzeitig Organisationen der Arbeiterschaft (freie Gewerkschaften, SPD, KPD) zerschlagen wurden. Das „Aufstiegsversprechen“ war rein völkisch-rassisch definiert und galt nur für „arische“, angepasste NS-Volksgenossen.
7. Rhetorische und inhaltliche Kniffe
- Gegen Positionen polemisieren, ohne den eigentlichen Forschungskonsens zu nennen
- Z.B. nennt er marxistische Deutungen und tut so, als wären diese bis heute prägend und falsch. Viele Historiker*innen (auch nicht-marxistische) würden ihm bei einigen Aspekten zwar beipflichten (dass Hitler auch antikapitalistische Rhetorik pflegte), bestreiten aber, daraus gleich einen „linken“ Charakter abzuleiten.
- „Argument der Tabuisierung“
- Er stellt sich teils als mutigen Tabubrecher dar („man darf nicht sagen, dass Hitler modern war“ etc.). Damit erweckt er den Eindruck, er vertrete „unterdrücktes Wissen“.
- Emotionale Trigger
- Wenn er z.B. Anekdoten zu Widerstandskämpfer*innen oder zu seiner eigenen Familie erzählt, lockert das zwar die Erzählung auf, lenkt aber oft ab vom eigentlichen Thema (z.B. dem systemischen Zusammenhang von NS-Wirtschaftspolitik und Vernichtungskrieg).
- Ausschweifendes Springen in die Gegenwart
- Er macht Ausflüge zur AfD, Elon Musk, Trump, Energiepolitik, etc. Damit stellt er historische Zusammenhänge plötzlich in ein Licht, in dem (fast) jede stärkere Staatseingriffe „nationalsozialistisch angehaucht“ erscheinen könnten.
- Selbstpositionierung als „weder links noch rechts“
- Er kritisiert die AfD an manchen Stellen und lobt sie an anderen. Dadurch gewinnt er die Aura der Unabhängigkeit, was letztlich seinen (im Kern) erz-liberalen Aussagen zugutekommt.
8. Welchem Zweck dient das Ganze?
- Eigenmarketing:
- Zitelmann ist viel als Autor, Investor, Coach unterwegs. Er vermarktet seine Bücher zum Thema Kapitalismus, Vermögensaufbau und „Freiheit“. Der Verweis auf die NS-Geschichte dient ihm auch, um zu zeigen: Jede Art von staatlicher Lenkung oder Kollektivismus führe unweigerlich zu autoritären Tendenzen – und das untermauert seine radikal-liberale Weltanschauung.
- Ideologische Deutungshoheit:
- Die These „Nationalsozialismus war eine linke Bewegung“ oder zumindest stark sozialistisch ist in gewissen rechtskonservativen und libertären Kreisen sehr beliebt. Sie soll linke Politik (Sozialdemokratie, Grüne, Sozialstaat) diskreditieren. Zitelmann spielt bewusst oder unbewusst in diese Richtung.
- „Historische Objektivität“ für politische Zwecke:
- Indem er sich selbst als nüchternen Historiker präsentiert, kann er sein primär politisches Anliegen (Promotion des Kapitalismus, Skepsis gegen staatliche Regulierung) mit dem Nimbus „historisch belegt“ aufladen.
Kurze Zusammenfassung
- Kern von Zitelmanns Darstellung ist die Behauptung, dass die NSDAP stark sozialistisch und antikapitalistisch geprägt gewesen sei, sodass Hitler „kein Rechter“ im klassischen Sinne gewesen sei.
- In seiner Argumentation verschiebt Zitelmann die historischen Kategorien: Er betrachtet jeden staatlichen Eingriff oder jede kollektive Rhetorik als „sozialistisch“ und ignoriert dabei die spezifisch rechten (völkisch-rassistischen) und reaktionär-gewalttätigen Merkmale des NS-Regimes.
- Oft ausgeblendet werden die brutale Verfolgung echter Linker (SPD/KPD/Gewerkschaften), das Zusammengehen mit großen Konzernen (opportunistisches Einvernehmen), die zentrale Rolle rassistischer Ideologie und die Komplexität des NS-Systems (es war eben nicht bloß „mehr Staat“ = „links“).
- Rhetorische Tricks bestehen darin, sich auf eine vermeintlich objektive Analyse zu berufen, den moralischen Aspekt auszublenden, sich selbst als unabhängige Stimme zu inszenieren und historische Debatten über „Hitler = modern/antimodern“ oder „NSDAP = links/rechts“ stark zu vereinfachen.
- Zweck: Einerseits persönliches Marketing (Buchverkauf, Vorträge, Seminare), andererseits ideologische Propaganda gegen sozialstaatliche oder linke Positionen: Wer sie vertritt, kann so subtil mit „Hitler war ja auch Sozialist“ in Verbindung gebracht werden.
Fazit
Zitelmanns Interview kombiniert historisch korrekte Teilfakten (z.B. dass Hitler sich durchaus antikapitalistischer Rhetorik bedient hat) mit starken Auslassungen (etwa die systematische Unterdrückung echter linker Bewegungen oder die enge Kooperation mit Großindustriellen). Dabei stilisiert er sich als neutraler, moralisch unbefangener Historiker, der bloß die Tatsachen ausspricht. Tatsächlich folgt er jedoch einem klaren ideologischen Narrativ: Er möchte (radikalen) Liberalismus gegen jeden „Kollektivismus“ verteidigen, indem er letzteren historisch mit dem NS-Regime verknüpft.
Analyse der Kommentare unter dem Video auf strategische Kommunikation und Lagerbildung und Sentiment
Hier ist eine Analyse der Kommentare hinsichtlich ihrer strategischen Kommunikation, Diskursverschiebung und möglicher psychologischer Effekte:
1. Strategische Kommunikationsmuster
- Diskursverschiebung: Der ursprüngliche Post der Union Stiftung stellt eine provokative Frage („War Hitler links, rechts oder etwas anderes?“), die bewusst auf Polarisierung abzielt. Die Kommentare nutzen dies, um historische Fakten umzudeuten und Narrative zu verschieben.
- Gleichsetzung von Links und Nationalsozialismus: Viele Kommentare wiederholen das Narrativ, dass Hitler „links“ gewesen sei, indem sie Begriffe wie „Sozialist“ betonen und selektive Zitate (z. B. Goebbels‘ Aussagen) aus dem Kontext reißen.
- Angriff auf linke Bewegungen: Die Debatte wird genutzt, um moderne linke Parteien, insbesondere SPD, Grüne und Antifa, mit der NS-Zeit zu assoziieren.
- Normalisierung von AfD-Positionen: Einige Kommentare argumentieren, dass die AfD zu Unrecht als rechtsradikal bezeichnet werde, da „die wahren Nazis links“ gewesen seien.
- Feindbilder schärfen: Es gibt viele Verweise auf „die Linken“, „die Grünen“, „die Antifa“ als Feinde der Gesellschaft, was klassische Feindbild-Rhetorik ist.
2. Mögliche Social Bots und gesteuerte Kampagnen
- Hohe Anzahl an sich wiederholenden Kommentaren mit ähnlicher Argumentationsstruktur deutet darauf hin, dass koordinierte Kommunikation oder Social Bots beteiligt sein könnten.
- Gleichförmige Erwähnung bestimmter Narrative: Besonders auffällig sind die immer wiederkehrenden Goebbels-Zitate und die Behauptung, dass Hitler ein Linker war – ein Narrativ, das oft in neurechten Kreisen propagiert wird.
- Emotionalisierte Sprache: Viele Kommentare nutzen starke Emotionen, z. B. Vergleiche mit Stalin, „Linker Faschismus“, „Antifa als SA“. Dies ist typisch für Kampagnen, die auf psychologische Manipulation setzen.
3. Psychologische Effekte auf Leser
- Erzeugung von Zweifel: Menschen, die sich nicht tief mit Geschichte auseinandergesetzt haben, könnten anfangen zu glauben, dass „Hitler war links“ eine legitime Debatte sei.
- Relativierung historischer Schuld: Durch das Narrativ, dass Hitler „links“ war, wird die rechte Verantwortung für den Holocaust und die NS-Diktatur verschleiert und relativiert.
- Angst und Feindbilder: Der Diskurs schafft eine tiefere Spaltung zwischen „links“ und „rechts“ und verstärkt das Gefühl, dass „die Linken“ eine Bedrohung seien.
- Stärkung rechtspopulistischer Identifikation: AfD-Sympathisanten fühlen sich bestätigt, weil die Kommentare suggerieren, dass ihre Gegner (SPD, Grüne, Linke) „die wahren Faschisten“ seien.
4. Warum das gefährlich sein kann
- Delegitimierung von demokratischen Parteien: Indem SPD, Grüne und andere Parteien in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt werden, wird ihre Legitimität untergraben.
- Geschichtsklitterung: Die Verdrehung historischer Tatsachen erschwert es der Gesellschaft, aus der Vergangenheit zu lernen und gegen tatsächlichen Rechtsextremismus vorzugehen.
- Radikalisierungspotenzial: Indem „die Linken“ als größte Bedrohung dargestellt werden, wird eine rechtsextreme Radikalisierung weiter gefördert.
- Spaltung der Gesellschaft: Die Narrative sind darauf ausgerichtet, Misstrauen und Feindschaft gegenüber politischen Gegnern zu schüren, was das gesellschaftliche Klima weiter vergiftet.
Fazit:
Die Kommentarspalte zeigt eine gezielte diskursive Manipulation mit dem Ziel, Rechtspopulismus zu stärken, demokratische Institutionen zu untergraben und eine historische Umdeutung durchzusetzen. Die Struktur der Kommentare deutet auf eine koordinierte Kommunikationsstrategie hin, die nicht nur organisch entstanden ist.
Die Behauptung, dass die Nationalsozialisten „links“ gewesen seien oder dass Hitler „links“ war, wird von Personen wie Rainer Zitelmann oder auch Politikern wie Alice Weidel oft strategisch geäußert, um bestimmte narrative Zwecke zu erfüllen. Hier sind die zentralen Punkte und möglichen Gründe für diese Argumentation:
1. Ideologische Verwirrung und Polarisierung
- Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) führte das Wort „Arbeiter“ in ihrem Namen, und einige ihrer frühen Forderungen, wie die Verstaatlichung großer Betriebe oder die Enteignung von Kriegsprofiteuren, können oberflächlich als „linke“ Positionen gedeutet werden.
- In Wirklichkeit handelte es sich jedoch um rhetorische Werkzeuge, um die Arbeiterklasse für die Partei zu gewinnen. Diese Forderungen wurden später weitgehend fallen gelassen, als Hitler sich mit der deutschen Großindustrie verbündete. Die NSDAP war wirtschaftlich und sozial eindeutig eine rechtsradikale Bewegung, die Kapitalismus und Privatbesitz stützte, sofern sie dem nationalistischen und rassistischen Programm diente.
2. Mimikry und politische Absicht
- Indem sie die Nationalsozialisten als „links“ darstellen, versuchen Personen wie Zitelmann und Weidel, eine Verknüpfung zwischen dem Nationalsozialismus und heutigen linken Bewegungen herzustellen. Dies dient dazu, den Eindruck zu erwecken, dass linke Politik in totalitäre Ideologien führen könnte.
- Es ist eine Form der historischen Umdeutung und wird oft genutzt, um progressive Politik oder linke Ideen wie Umverteilung oder stärkere staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zu diskreditieren.
3. Entlastung und Umkehr der Verantwortung
- Die Umdeutung der Nationalsozialisten als „links“ soll die Verantwortung der politischen Rechten relativieren oder verwischen. Es wird suggeriert, dass nicht rechtsextreme, sondern linke Ideen für die Verbrechen des NS-Regimes verantwortlich seien.
- Dies passt oft in eine populistische Rhetorik, die darauf abzielt, den politischen Gegner moralisch zu diskreditieren und gleichzeitig die eigene Ideologie zu rechtfertigen.
4. Warum diese Argumente bei Musk oder ähnlichen Plattformen?
- Plattformen wie die von Elon Musk auf Twitter (jetzt X) haben sich in den letzten Jahren zu einem Ort entwickelt, an dem ideologische Kämpfe geführt werden. Personen wie Alice Weidel nutzen solche Räume gezielt, um ihre Narrative zu verbreiten und eine maximale Reichweite zu erzielen.
- Durch provokante Aussagen wie „Hitler war links“ wird Aufmerksamkeit generiert, was perfekt in die Logik sozialer Medien passt, in denen Polarisierung oft mit Reichweite belohnt wird.
5. Was soll das rechtfertigen?
- Solche Argumente dienen dazu, rechtsgerichtete Positionen als weniger problematisch erscheinen zu lassen. Wenn Nationalsozialismus als „links“ dargestellt wird, wird die Verbindung zwischen der extremen Rechten und dem NS-Regime geschwächt.
- Gleichzeitig rechtfertigt diese Argumentation oft eine Aggression gegen progressive oder sozialistische Ideen, indem diese mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden.
Fazit:
Diese Rhetorik ist eine klare Form von historischer Verzerrung und Propaganda, die dazu dient, den politischen Diskurs zu manipulieren. Die Nationalsozialisten waren klar eine rechtsextreme Bewegung, die auf Rassismus, Antisemitismus, Militarismus und autoritärem Nationalismus basierte.
Die Vermischung von „links“ und „rechts“ dient in diesem Zusammenhang nicht der Aufklärung, sondern der Verwirrung und politischen Instrumentalisierung.
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Zunächst einmal ist es gar nicht so einfach, den „Ruf“ von jemandem wie Dr. Dr. Reiner Zitelmann in der wissenschaftlichen Ökonomen-Community pauschal zu bewerten. Er ist kein habilitierter Volkswirt oder einer, der klassisch an einer Universität in Wirtschaftswissenschaften lehrt; seine akademische Ausbildung und Schwerpunkte liegen eher in Geschichte und Soziologie. Dennoch hat er sich im öffentlichen Diskurs – oft als Bestsellerautor – einen Namen gemacht, indem er vor allem neoliberale beziehungsweise wirtschaftsliberale Argumente populärwissenschaftlich vermittelt.
1. Zitelmanns Hintergrund und Fokus
- Akademischer Werdegang: Zitelmann hat in Geschichte und in Soziologie promoviert, also zwei Doktortitel, ist aber kein „klassischer“ Ökonom. Er war unter anderem Journalist (z.B. bei der Welt) und ist heute vor allem als Immobilieninvestor und Publizist bekannt.
- Inhalte seiner Bücher: Viele seiner Titel (z.B. „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“) richten sich an ein breiteres Publikum und sind teils polemisch aufgemacht, um für „den Kapitalismus“ zu werben oder bestimmte wirtschaftsliberale Positionen zu verteidigen.
Innerhalb der Fachcommunity – wenn wir von Volkswirten an Universitäten oder renommierten ökonomischen Forschungseinrichtungen sprechen – ist Zitelmanns Arbeit weniger als „fundierte Forschung“ bekannt. Er wird häufiger als sehr engagierter Publizist gesehen, der (markt)liberale Ideologie und Erfolgsgeschichten popularisiert, statt neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorzulegen. Man könnte ihn also eher als PR-Akteur und Autor im Sinne einer bestimmten Weltanschauung bezeichnen denn als aktiven Wissenschaftler.
2. „Reine Propaganda“ – wie sehen das Fachleute?
Fachleute – seien es Historiker, Sozialwissenschaftler oder Wirtschaftswissenschaftler – würden Zitelmann in der Regel nicht als denjenigen heranziehen, der die wissenschaftlichen Debatten zu Fragen wie Ungleichheit, Kapitalmarkt, Regulierung etc. maßgeblich prägt. Man kann durchaus sagen, dass sein Stil darauf abzielt, ein klares Narrativ zu verbreiten: Kapitalismus = gut / Freiheit, Staatseingriffe = schlecht – oft in relativ zugespitzter Form.
Solche Zuspitzungen sind per se nicht ungewöhnlich, wenn jemand ein breites Publikum erreicht. Es ist aber richtig, dass sich dabei häufig „rhetorische Tricks“ oder sehr selektive Argumentationsketten finden lassen, die bestimmte statistische Daten oder historische Beispiele in den Vordergrund stellen und andere Aspekte vernachlässigen. Damit ist Zitelmann jedoch nicht allein; das machen auch Autorinnen/Autoren, die weiter links stehen, teils sehr ähnlich – nur in umgekehrter Richtung.
3. Beispiel: Ulrike Herrmann oder Noam Chomsky als „Gegenposition“
- Ulrike Herrmann (taz-Wirtschaftsjournalistin) vertritt eher gewerkschaftsnahe, keynesianische bzw. teils antikapitalistische Positionen. Sie schreibt ebenfalls zugespitzt und vereinfacht, um ein Publikum zu erreichen, das nicht tief in der akademischen Debatte steckt.
- Noam Chomsky ist eigentlich Linguist, der aber seit Jahrzehnten (teils radikal) kapitalismuskritische und US-Außenpolitik-kritische Positionen einnimmt. Er ist ebenfalls sehr meinungsstark, verwendet polemische Zuspitzungen und ist oft mehr politischer Aktivist denn klassischer Volkswirt.
Alle drei Beispiele (Zitelmann, Herrmann, Chomsky) haben gemein, dass sie pointierte, parteiische Bücher veröffentlichen, die oft deutlicher Position beziehen als man es aus der reinen Wissenschaftsliteratur kennt.
4. Das Phänomen „logisch klingende Argumentketten“
Dein Hinweis auf „logisch klingende Argumente“, die in Wirklichkeit sehr selektiv sind und unterschwellig Ideologie einpflanzen, trifft durchaus den Kern dessen, wie populärwissenschaftliche oder propagandistische Texte funktionieren können. Einige typische Mittel sind zum Beispiel:
- Auswahl von Daten (Cherry Picking): Man zeigt nur die Studien, Statistiken oder Beispiele, welche die eigene Position stützen, und lässt Gegenbelege unter den Tisch fallen.
- Kausalität vs. Korrelation: Man behauptet, „weil B passiert ist, nachdem A passiert ist, ist A Ursache von B“, obwohl das wissenschaftlich gar nicht sauber belegt ist.
- Simplifizierte Ursache-Wirkungs-Beziehungen: Gesellschaftliche und ökonomische Phänomene werden stark vereinfacht dargestellt („Wenn der Staat sich raushält, wird’s allen besser gehen“ / „Wenn der Staat nur richtig steuert, wird’s allen besser gehen“). Real sind solche Prozesse viel komplexer.
- Emotionalisierung / Narrativ: Man erzählt Geschichten von Held:innen, die sich hochgearbeitet haben, oder vom fatalen Scheitern, um ein klares Feindbild zu erzeugen. Dabei werden strukturbedingte Einflüsse selten erwähnt.
Gerade für technisch oder naturwissenschaftlich ausgebildete Personen (z.B. Ingenieure) kann das durchaus verführerisch sein. Denn die Argumentation kann zunächst „sauber“ daherkommen, mit Zahlen und Grafiken, die man scheinbar nachrechnen kann. Doch die gesellschaftswissenschaftlichen und ökonomischen Zusammenhänge sind oft vielschichtiger als ein rein technisches Problem, weshalb man auf den ersten Blick eine gewisse „Logik“ sieht, die aber bei genauerem Hinsehen Lücken oder ideologische Annahmen hat.
5. Wie damit umgehen?
- Quellencheck: Wenn man auf ein scheinbar wasserdichtes Argument stößt, lohnt sich immer ein Blick auf die Originalquellen, Studien oder Daten. Werden dort eventuell Gegendarstellungen oder andere Interpretationen unterdrückt?
- Andere Perspektiven einbeziehen: Wer sich nur von einer Seite (z.B. nur Zitelmann oder nur Herrmann) informieren lässt, übernimmt leicht unbewusst deren Weltbild. Es hilft, verschiedene Sichtweisen nebeneinander zu legen – auch wenn das anfangs Verwirrung stiften kann.
- Selbstreflexion: Sich fragen: „Ist das Argument überzeugend, weil es wirklich alle Facetten abdeckt, oder weil es meine bestehenden Überzeugungen bekräftigt?“
- Fachliteratur / neutrale Quellen: Eher auf peer-reviewte Arbeiten, anerkannte Forschungsberichte oder Metastudien schauen. Populärwissenschaftliche Bücher haben zwar ihre Berechtigung, aber man sollte sie nicht als alleinige Quelle nehmen.
Fazit
- Der „Ruf“ Zitelmanns in der reinen Ökonomie-Fachwelt ist nicht vergleichbar mit renommierten Professuren oder führenden Wissenschaftler:innen, die im akademischen Diskurs vorne stehen. Er ist bekannt, aber vor allem als Ideengeber für (markt-)liberale, kapitalismusfreundliche Positionen, nicht als führender Forscher.
- Der Vorwurf der „Propaganda“ ist bei polarisierenden, polemischen Sachbüchern sicherlich nicht aus der Luft gegriffen – das gilt übrigens sowohl für sehr marktliberale als auch für sehr antikapitalistische Texte.
- Das „Tricksen“ mit logisch erscheinenden Argumentationsketten ist weitverbreitet. Ein gesundes Misstrauen, das kritische Hinterfragen von Quellen und ein grundlegendes Verständnis der Komplexität ökonomischer Sachverhalte sind hier der beste Schutz davor, „hineinzufallen“.
Letztlich ist es nicht verkehrt, sich solche Bücher auch anzuschauen, solange man sich bewusst ist, welche Motive dahinterstecken, und man andere Perspektiven einholt.
So lassen sich ideologische Fallstricke leichter erkennen.