Steuern sind Raub und GEZ auch🤦‍♂️

Die diskursiven Strategien marktradikaler, (rechts-)libertärer Akteure, die sich unter anderem um Personen wie Markus Krall, Holger Narrog (alias „Hom“), Andreas Beck und diverse Organisationen à la Atlas-Initiative scharen, zeichnen sich durch eine hochgradig professionalisierte PR-Architektur aus. Diese zielt darauf ab, demokratische Institutionen zu delegitimieren, Misstrauen gegenüber staatlichen Strukturen zu schüren und zugleich ein vereinfachtes, antagonistisch geprägtes Weltbild zu propagieren, in dem individuelle (ökonomische) Freiheit über sämtliche Aspekte des Gemeinwohls gestellt wird.

Zentrale Elemente dieser PR-Strategie lassen sich folgendermaĂźen zusammenfassen:

1. Systematische Emotionalisierung und Framing

In Anlehnung an Lakoffs (2004) Konzeption des „Framings“ wird gezielt mit sprachlichen Bildern gearbeitet, die den Staat als räuberisch („Raub“, „Zwangsgebühren“, „Erpressung“) und die Bürger:innen als ausgebeutete Opfer inszenieren. Solche emotional aufgeladenen Schlagwörter dienen der Trivialisierung komplexer ökonomischer und soziopolitischer Zusammenhänge.

2. Vereinfachung hochkomplexer Sachverhalte

Die fortschreitende Komplexität moderner Gesellschaften wird bewusst auf plakativen, oft polemischen Slogans reduziert. Dadurch werden Schichten der Bevölkerung angesprochen, die—mangels fundierten politischen oder ökonomischen Vorwissens—besonders empfänglich für simplifizierende Erklärungsmuster sind. So wird der Eindruck erweckt, die Ursachen sozialer und wirtschaftlicher Probleme seien monokausal (etwa „Steuern sind Diebstahl“).

3. Antagonistische Dichotomien und Feindbildkonstruktionen

Nach dem Prinzip „Wir gegen die“ werden Feindbilder etabliert: Der Staat, öffentlich-rechtliche Medien (GEZ), „globalistische Eliten“ und „etablierte Parteien“ fungieren als Kontrastfolie zu vermeintlichen Freiheitskämpfern oder „Systemkritikern“. Diese Dichotomien wirken identitätsstiftend und mobilisieren zugleich Ressentiments gegen demokratische Institutionen und pluralistische Strukturen (vgl. Brown 2015).

4. Professionalisierte Nutzung digitaler Plattformen

Die rasche Verbreitung polemischer Inhalte über Soziale Medien, YouTube-Kanäle und einschlägige Blogs beruht auf gezielt orchestrierten Kampagnen, die Rekrutierung algorithmischer Reichweitenvorteile (Stichwort: „Filterblasen“) sowie der viralen Dynamik empörungsgetriebener Kommunikation (vgl. Benkler, Faris & Roberts 2018). Hierbei handelt es sich keineswegs um spontane Meinungsäußerungen, sondern um eine wohldurchdachte Kombination aus PR-Techniken, Agenda-Setting und psychologischer Ansprache.

5. Destabilisierung demokratischer Legitimität

Indem sie Steuern, öffentliche Abgaben und regulatorische Maßnahmen als illegitime Eingriffe in individuelle Freiheitsrechte darstellen, untergraben diese Netzwerke das Vertrauen in den demokratisch ausgehandelten gesellschaftlichen Konsens. Letztlich wird ein Klima geschaffen, in dem Staatlichkeit und Gemeinwohlprinzipien als fragwürdig gelten, während marktradikale bzw. libertäre Ordnungsvorstellungen vermeintlich als einziger Garant persönlicher Souveränität erscheinen.

6. Ideologische Ziele im Kontext neoliberal-radikaler Weltbilder

Die Eliminierung oder zumindest Marginalisierung staatlicher Regulierung sowie der Abbau sozialstaatlicher Strukturen sind dabei keine zufälligen Nebenprodukte, sondern Kernanliegen dieser Bewegung. Indem sie jegliche kollektiven Umverteilungs- und Vorsorgemechanismen ablehnen, propagieren sie eine ökonomistische Vision der Gesellschaft, in der individueller Markt- und Profitlogik Vorrang vor Gemeinwohl und sozialer Gerechtigkeit eingeräumt wird.

Diese orchestrierte Kommunikationsstrategie ist somit ein Resultat intensiver Auseinandersetzung mit psychologischen und soziologischen Mechanismen, die menschliche Wahrnehmung und Meinungsbildung beeinflussen. Die wiederholte Verwendung starker Begriffe („Raub“, „Enteignung“, „Zwang“) aktiviert Ängste und Affekte, während Differenzierungen und Gegenargumente in der Regel als ideologisch motivierte „Systempropaganda“ abgetan werden. Diese Entwicklungen bergen erhebliche Gefahren für die Stabilität pluralistischer Gesellschaften und die Legitimität demokratischer Institutionen. Sie verweisen darauf, dass der politische Diskurs zunehmend in Richtung einer radikalisierten, emotionalisierten und simplifizierten Öffentlichkeit driftet, die anfällig für populistische Kampagnen und autoritäre Tendenzen ist.

Literatur (Auswahl)

• Benkler, Y., Faris, R. & Roberts, H. (2018). Network Propaganda: Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics. Oxford University Press.

• Brown, W. (2015). Undoing the Demos: Neoliberalism’s Stealth Revolution. Zone Books.

• Lakoff, G. (2004). Don’t Think of an Elephant!: Know Your Values and Frame the Debate. Chelsea Green Publishing.