Das Phänomen von Cancel Culture, Gendern und verwandten Schlagworten ist tatsächlich stark emotionalisiert und oft von bestimmten politischen Lagern instrumentalisiert worden. Eine nüchterne, evidenzbasierte Betrachtung zeigt, dass es große Unterschiede zwischen der medialen Darstellung und der tatsächlichen gesellschaftlichen Realität gibt. Ich werde das Thema aus mehreren Perspektiven beleuchten:
1. Cancel Culture: Mythos oder Realität?
• Definition & Ursprung: Cancel Culture beschreibt das Phänomen, dass Einzelpersonen oder Institutionen wegen kontroverser Meinungen oder Handlungen öffentliche Kritik erfahren, die bis zu sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Konsequenzen führen kann.
• Empirische Evidenz: Studien zur Verbreitung zeigen, dass es eher Einzelfälle sind, die durch Medien und Social Media verstärkt werden. Untersuchungen von z. B. Pew Research Center und Harvard Law Review zeigen, dass tatsächliche “Cancellation” oft von Eliten (Medienhäuser, Universitäten, Konzerne) abhängt, aber die große Mehrheit nicht betroffen ist.
• Unterschied USA vs. Deutschland: In den USA gibt es stärker dokumentierte Fälle, insbesondere an Universitäten (z. B. No-Platforming bestimmter Redner). In Deutschland sind Fälle seltener und oft überzeichnet – häufig wird Kritik an Äußerungen mit Cancel Culture verwechselt.
2. Gendern: Wissenschaft oder Ideologie?
• Sprachwissenschaftliche Perspektive: Sprachforscher wie Anatol Stefanowitsch argumentieren, dass Sprache unser Denken formt und gendergerechte Sprache Gleichberechtigung fördern kann. Kritiker wie Peter Eisenberg sehen es als übertriebene Sprachlenkung.
• Empirische Untersuchungen: Studien (z. B. der Uni Leipzig) zeigen, dass geschlechtergerechte Sprache dazu beiträgt, Frauen sichtbarer zu machen, während andere Arbeiten belegen, dass viele Menschen es als störend empfinden.
• Politische Instrumentalisierung: Während Gendern ursprünglich eine Debatte innerhalb der Linguistik und Soziologie war, wird es mittlerweile als Kulturkampf-Thema benutzt, besonders von konservativen bis rechtspopulistischen Gruppen.
(Energiewende wurde doch auch instrumentalisiert)
3. Mediale & politische Instrumentalisierung
• Emotionalisierung durch Medien: Begriffe wie „Gender-Wahnsinn“ oder „Cancel Culture“ sind in Boulevardmedien und sozialen Netzwerken omnipräsent, aber oft stark übertrieben. Eine Studie des Reuters Institute zeigte, dass rechte Medien überproportional über solche Themen berichten, um Emotionen zu schüren.
• Vergleich mit den 68ern: Ähnlich wie damals bei den APO-Protesten wird die aktuelle Debatte um “Wokeness” als Angriff auf gesellschaftliche Normen gesehen. Die Gegenseite nutzt dies zur Mobilisierung konservativer Werte.
• Wem nützt das? Parteien wie AfD oder WerteUnion profitieren, indem sie diese Themen als Bedrohung für Freiheit und Tradition darstellen, während progressivere Kreise damit soziale Gerechtigkeit vorantreiben wollen.
4. Was ist relevant, was nicht?
• Relevanz: Sprachentwicklung, soziale Gerechtigkeit und Debattenkultur sind echte Themen, aber die überzogene Darstellung führt zu einer Verzerrung der Realität.
• Nebulös: Die Vorstellung, dass eine kleine Gruppe (z. B. “die Gender-Lobby”) die Gesellschaft umerzieht, ist wenig belegbar und meist Verschwörungstheorie.
• Irrelevant: Ob jemand gendert oder nicht, hat wenig Einfluss auf reale politische Probleme wie Inflation, Energiepolitik oder soziale Ungleichheit – es wird aber genutzt, um Debatten von diesen abzulenken.
Fazit
Cancel Culture und Gendern sind reale Phänomene, aber weit weniger drastisch, als oft behauptet wird. Die Debatte darüber ist mehr ein Instrument der politischen Spaltung als eine objektive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichem Wandel.