KI Faktencheck – Can Europe Survive the Renewables Transition? Ep201: Nikos Tsafos

Hier ist die Analyse und Zusammenfassung der zentralen Punkte des Interviews mit Nikos Tsafos und Michael Liebreich in Cleaning Up:


1. Narrativ und Einordnung

Michael Liebreich zeichnet ein apokalyptisches Bild der europäischen Energiepolitik, die sich in einer Krise befindet und es nicht schafft, günstige und stabile Energie bereitzustellen. Nikos Tsafos hingegen argumentiert, dass der Haupttreiber der hohen Energiepreise nicht die Energiewende, sondern die geopolitischen Schocks durch Russlands Gasstopp sind. Der Fokus der Diskussion liegt auf:

  • Europas Energiepreise und Marktintegration
  • Geopolitischen Spannungen und Energieabhängigkeiten
  • Herausforderungen bei der Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit
  • Notwendigkeit einer strategischen Neubewertung der europäischen Energiepolitik

2. Hauptthesen und Argumente

2.1. Energiepreise und ihre Ursachen

  • Tsafos: Die hohen Energiepreise in Europa sind primär durch den russischen Gaslieferstopp verursacht. Gas war vor der Krise günstig (~20 €/MWh), liegt aber nun dauerhaft höher (~40 €/MWh), wodurch auch Strompreise steigen.
  • Liebreichs Gegenargument: Länder mit hoher erneuerbarer Energiedurchdringung haben oft höhere Strompreise, was darauf hindeutet, dass die Integration variabler Erneuerbarer selbst Kosten verursacht.
  • Tsafos‘ Reaktion: Die Strompreise korrelieren primär mit dem Einsatz fossiler Energieträger, insbesondere Gas. Je mehr Gas im System genutzt wird, desto höher die Preise.

2.2. Geopolitische Veränderungen in der Energieversorgung

  • USA als Petro-State & China als Elektro-State: Die USA setzen weiterhin auf fossile Exporte, während China massiv in Elektrifizierung investiert und Lieferketten für erneuerbare Energien dominiert.
  • Europas Dilemma: Nach dem Verlust des russischen Gases muss Europa neue Energiequellen erschließen, doch es agiert weiterhin stark als Importeur (LNG, grüner Wasserstoff) anstatt auf eine eigenständige Strategie zu setzen.
  • Gasmarkt: Mehr LNG-Kapazitäten kommen, aber Tsafos warnt, dass prognostizierte „Gluts“ (Überangebote) oft nicht eintreten, da Nachfrage entsprechend nachzieht.

2.3. Marktdesign und Integration

  • Europäischer Strommarkt muss stärker integriert werden: Derzeit existieren 27 nationale Pläne, die ineffizient sind. Ein übergeordnetes EU-weites Konzept wäre optimal.
  • Übertragungskapazitäten sind entscheidend: Griechenland zeigt, dass Stromhandel mit Nachbarländern die Erneuerbaren effizienter nutzt. Mehr Interkonnektoren könnten Kosten senken.
  • Liebreichs Kritik: Integration kann problematisch sein, da Länder (z. B. Norwegen) gegen Exporte protestieren, wenn diese ihre heimischen Preise erhöhen.

2.4. Herausforderungen der Dekarbonisierung

  • Das „Dunkelflaute“-Problem: Wind und Solar haben saisonale Schwankungen. Während Solar im Sommer gut funktioniert, ist Winter besonders herausfordernd. Tsafos sieht Handelsmechanismen als Schlüssel zur Bewältigung der Dunkelflaute.
  • Liebreichs Kernfrage: Ist ein CO₂-freies Energiesystem wirtschaftlich tragfähig, wenn es auf überdimensionierte Kapazitäten, Batterien und Back-up-Systeme angewiesen ist? Er bezweifelt, dass die langfristigen Strompreise unter 100 €/MWh bleiben können.
  • Tsafos‘ Antwort: Diese Frage sei aktuell nicht dringend, da Griechenland erst 50% Erneuerbare erreicht hat. Die nächste Herausforderung sei eher die Absenkung der Gaskraftwerks-Auslastung und Kapazitätsmechanismen.

3. Europas strukturelles Problem: Industrie und Wettbewerbsfähigkeit

  • Industrie wandert ab oder zögert Investitionen: Tsafos sieht eine Spaltung: Manche Sektoren in Europa florieren, während andere (insbesondere energieintensive Branchen) massive Probleme haben.
  • Einfluss von CO₂-Kosten: Unternehmen sorgen sich nicht nur um Energiepreise, sondern auch um steigende CO₂-Kosten und strikte Regularien.
  • Liebreichs Bedenken: Wenn Europa striktere Klimaziele verfolgt als andere Wirtschaftsmächte (USA, China), könnte es sich wirtschaftlich schwächen.

4. Griechenlands Energiestrategie: Ein Sonderfall in Europa?

Erfolge der Energiewende in Griechenland

  • Reduktion der Treibhausgasemissionen um 45% seit 2005 (ein Teil durch Wirtschaftskrise, ein Teil durch Dekarbonisierung).
  • Rückgang der Kohleverstromung um 91% von 2005 bis 2024.
  • Starke Expansion der Erneuerbaren: Heute ca. 60% erneuerbare Stromerzeugung, davon viel Wind und Solar.
  • Von Importeur zum Exporteur: Griechenland war 2019 noch 20% Netto-Stromimporteur, 2024 erstmals Netto-Exporteur.

Griechenlands Herausforderungen

  1. Veraltete Infrastruktur: Nach 10 Jahren Investitionsstau in der Krise fehlen moderne Netze und smarte Messsysteme.
  2. Elektrifizierung der Inseln: Viele griechische Inseln verbrennen immer noch Diesel. Netzanbindungen sind extrem teuer und langwierig.
  3. Langsame Transportwende: Griechenland hat die älteste Fahrzeugflotte Europas, Elektroauto-Quote ist nur mittelmäßig.
  4. Boom der Rechenzentren: Datenzentren könnten kurzfristig 1-2 GW Zusatzbedarf verursachen, was fast ein Viertel des aktuellen Spitzenverbrauchs entspricht.

5. Europas generelles Problem: Zuviel Regulierung, zu wenig Flexibilität?

  • Liebreich fragt, ob 90% Dekarbonisierung nicht ausreichen: Die letzten 10% könnten unverhältnismäßig teuer werden (z. B. Wasserstoff-Backup).
  • Tsafos plädiert für flexiblere Klimapolitik: Er schlägt vor, nur ein einziges Klimaziel vorzugeben (Netto-Null-Emissionen), aber nicht die Technologie vorzuschreiben (jeder Staat kann seinen eigenen Weg wählen).
  • Nuklear-Streit in der EU: Frankreich wird verklagt, weil es zu wenig Erneuerbare baut, aber gleichzeitig in Kernkraft investiert.

6. Ergänzung: Europas sinkende Stromnachfrage als Problem

Tsafos und Liebreich diskutieren nicht direkt, dass Europas Stromverbrauch seit 2017 gesunken ist. Dies ist jedoch ein entscheidender Faktor:

  • Selbst 50Hertz warnt, dass Netzausbau unrentabel ist, wenn der Verbrauch weiter sinkt.
  • Der Strombedarf in Europa hat sich 2024 nur um 1% erholt.
  • Ohne steigenden Stromverbrauch könnten viele Investitionen unwirtschaftlich bleiben.

Fazit

📌 Die Debatte zeigt, dass Europas Energieprobleme nicht nur technischer Natur sind, sondern tief in Marktstrukturen, geopolitischen Abhängigkeiten und politischer Regulierung verankert sind. Während Tsafos auf eine stärker vernetzte EU setzt, bleibt Liebreich skeptisch, ob die Energiewende wirtschaftlich nachhaltig ist. Besonders die sinkende Stromnachfrage und die unklare Rolle von Gas und Back-up-Technologien bleiben ungelöste Fragen.

1. Weggelassen: Was fehlt in der Diskussion?

Allgemein

  • Die wirtschaftliche Realität der Dekarbonisierung wird verharmlost: Die Debatte konzentriert sich stark auf Energiepreise und Systemintegration, lässt aber weitgehend außen vor, dass viele Industrieunternehmen schlicht nicht investieren, weil sich in Europa der langfristige Strompreis nicht kalkulieren lässt.
  • Der globale Wettbewerb wird nur selektiv thematisiert: Liebreich erwähnt Chinas Dominanz bei Elektro-Technologien, doch die enormen Subventionen und industriepolitischen Maßnahmen Chinas bleiben unerwähnt. Ebenso wird die US-Industriepolitik (IRA, Subventionen für fossile und grüne Technologien) nicht ausreichend analysiert.
  • Atomkraft wird weitgehend umgangen: Frankreichs Kernkraftstrategie und der EU-interne Konflikt (z. B. Klage gegen Frankreich wegen zu geringer Erneuerbaren-Quoten) werden nur am Rande erwähnt, obwohl sie zentral für die europäische Energiepolitik sind.
  • Das Problem der sinkenden Stromnachfrage in Europa wird ignoriert: Europas Stromverbrauch ist seit 2017 rückläufig, 50Hertz selbst sagt, Netzausbau lohnt sich nur bei steigendem Verbrauch. Diese fundamentale Nachfragekrise bleibt unbehandelt.

Tsafos’ Perspektive (griechische Regierung)

  • Gaskraftwerke in Griechenland: Er spricht wenig über Griechenlands weiterhin starke Gasabhängigkeit, die die Strompreise dort ebenfalls hochhält.
  • Geopolitische Abhängigkeiten: Griechenlands enge Beziehungen zu Katar (LNG) und Ägypten (Stromexporte, Wasserstoffprojekte) werden nicht hinterfragt, obwohl sie langfristige strategische Risiken bergen.
  • Soziale Widerstände gegen erneuerbare Energien: Griechenland hatte massive Proteste gegen Windkraftanlagen auf Inseln – das bleibt unerwähnt.

Liebreichs Perspektive

  • Er ignoriert die Bedeutung von Kohle und Gas in den USA und China: Während er die USA als „Petro-State“ und China als „Elektro-State“ beschreibt, erwähnt er nicht, dass China weiterhin massiv Kohlekraftwerke baut und die USA große Mengen Gas für ihre eigene Industrie verbrauchen.
  • Er blendet die politische Dimension der Klimapolitik aus: Während er auf populistische Gegenreaktionen eingeht, erwähnt er nicht die Rolle von Unternehmen und Lobbygruppen, die aktiv versuchen, die Energiewende zu bremsen.
  • Er vereinfacht die Marktdynamik: Seine Argumentation gegen „übermäßige Überkapazitäten“ ignoriert, dass Kapazitätsmechanismen in Märkten mit hoher Erneuerbaren-Integration unumgänglich sind.

2. Politische Richtung: Wessen Agenda wird vertreten?

Nikos Tsafos (griechische Regierung)

Strategie:

  • Pragmatische Klimapolitik mit Betonung auf Marktintegration – Griechenland will als Energie-Hub für die EU auftreten (LNG-Importe, Stromexporte).
  • Wirtschaftsstandort Griechenland stärken – Er betont die „Erfolge“ der Energiewende, um Griechenland als attraktiven Standort für Investitionen (z. B. Rechenzentren) darzustellen.
  • Langfristige Rolle von Gas sichern – Tsafos argumentiert, dass Gaspreise der Hauptgrund für hohe Strompreise sind. Dies könnte als Argument für langfristige Gasnutzung in Griechenland dienen.

Verborgene Agenda:

  • Griechenland setzt stark auf LNG-Importe und will sich als Gas-Drehscheibe positionieren. Daher liegt sein Fokus auf Handel und Marktintegration statt vollständiger Dekarbonisierung.
  • Er argumentiert gegen eine zu schnelle Reduktion von Gaskraftwerken, um diese als stabilisierende Faktoren für die Energiewende zu behalten.
  • Die tatsächliche wirtschaftliche Abhängigkeit von fossilen Energien wird nicht offengelegt – Griechenland importiert nach wie vor große Mengen Gas und hat Schwierigkeiten bei der Elektrifizierung des Verkehrssektors.

Michael Liebreich

Strategie:

  • Energiepolitik als Wettbewerbsfrage – er stellt die Energiewende als zentrale Bedrohung für Europas Industrie dar.
  • Zweifel am langfristigen Erfolg variabler erneuerbarer Energien – sein Fokus liegt stark auf Kosten durch Überkapazitäten, Speichersysteme und Netzausbau.
  • Implizite Befürwortung von Atomkraft und Marktlösungen – er erwähnt Frankreichs Probleme, argumentiert aber indirekt gegen eine zu stark regulierte Energiewende.

Verborgene Agenda:

  • Liebreich ist eng mit Finanzinvestoren verbunden (KKR, Octopus Energy, Quadrature Climate Foundation) – seine Perspektive könnte stark von den Interessen institutioneller Investoren in der Energiewende beeinflusst sein.
  • Er stellt die Energiewende als Wettbewerbsnachteil dar, während er nicht diskutiert, dass auch fossile Energien in Europa langfristig nicht wettbewerbsfähig sind.
  • Er lenkt von der Notwendigkeit langfristiger politischer Steuerung ab – sein Fokus auf Marktlösungen verschweigt, dass in den USA und China massive staatliche Investitionen stattfinden.

3. Vereinfachungen und Falschaussagen

Tsafos‘ Aussagen

Richtig:

  • Der Gaspreis ist ein zentraler Faktor für hohe Strompreise in Europa.
  • Europas hohe Importabhängigkeit ist ein Problem.
  • Netzausbau und Marktintegration können Kosten senken.

Vereinfachung / Problematisch:

  • Er sagt, mehr Erneuerbare würden automatisch die Strompreise senken – das stimmt nur, wenn genügend Speicher und Netzausbau vorhanden sind.
  • Die Dekarbonisierung Griechenlands sei ein Erfolg – die Emissionen sind vor allem wegen der Wirtschaftskrise gefallen.
  • Er ignoriert, dass auch mit mehr LNG und Netzintegration Gas weiterhin teuer bleiben könnte.

Liebreichs Aussagen

Richtig:

  • Er hinterfragt, ob europäische Strompreise langfristig wettbewerbsfähig bleiben.
  • Überkapazitäten und Backup-Systeme treiben Kosten hoch – das ist ein reales Problem.
  • Marktintegration kann Kosten senken, aber sie löst nicht alle Probleme.

Vereinfachung / Problematisch:

  • Er sagt nicht klar, dass fossile Brennstoffe langfristig noch teurer werden. Seine Argumentation könnte suggerieren, dass Gas oder Kohle eine Alternative wären.
  • Seine Kostenprognose für 100 €/MWh ist fragwürdig, weil sie keine Skaleneffekte und technischen Fortschritt bei Speichertechnologien berücksichtigt.
  • Er ignoriert, dass US- und China-Subventionen die Marktbedingungen verzerren. Europa kann nicht einfach „weniger regulieren“ und hoffen, dass es dadurch wettbewerbsfähiger wird.

4. Fazit: Wer verfolgt welche versteckte Agenda?

  • Tsafos (Griechische Regierung): Möchte Gas als stabilisierendes Element für die Energiewende erhalten, positioniert Griechenland als Energie-Drehscheibe und argumentiert für mehr Marktintegration, um höhere Investitionen anzuziehen.
  • Liebreich (Investorenseite): Betont die Kosten und Unsicherheiten der Energiewende, argumentiert für eine weniger regulierte Marktlösung, die tendenziell Atomkraft und fossile Backup-Kapazitäten begünstigen könnte.
  • Was beide vermeiden: Die Frage, ob Europas sinkender Stromverbrauch die Energiewende und Netzausbauten unrentabel macht. Beide umgehen auch die massive staatliche Unterstützung für Energiepolitik in den USA und China.

📌 Zusammengefasst: Tsafos verfolgt eine Strategie zur Sicherung von Gas und Marktintegration für Griechenland, während Liebreich die Energiewende als Wettbewerbsproblem darstellt, möglicherweise im Interesse großer Investoren.