Analyse des Texts von Axel Bojanowski: „Kollaps der Klima-Verschwörung“ (Substack, 13. April 2025)
URL: Substack Axel Bojanowski – Kollaps der Klima-Verschwörung
Einordnung: Subjektiv formulierter Meinungsbeitrag mit populistisch-rhetorischer Aufladung gegen ESG-Regeln und internationale Klimainstitutionen. Stilistisch zwischen journalistischem Essay und Framing-Literatur.
1. Politische und ideologische Einordnung
Richtung:
Rechtsoffen-neoliberale Argumentationslinie Nähe zu klassisch wirtschaftsliberalen US-Denkfabriken (z. B. Heritage Foundation, Cato Institute, AEI) ist erkennbar. Sprachlich und thematisch im Fahrwasser der ESG-Backlash-Kampagnen von Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy, Peter Thiel und der GOP-nahen Finanznetzwerke (Mercer, Koch Industries, fossilnahes Segment von Blackstone/KKR).
Narrativische Strategie:
Typisches Frame-Recycling aus libertären Think-Tank-Publikationen, in dem ESG als „Undemokratie“, „Zwang“, „Fehlinvestition“, „verantwortlich für hohe Energiepreise“ dargestellt wird. Rhetorische Umkehrung: Verantwortung für die Klimakrise wird unterschlagen, stattdessen wird suggeriert, Klimaschutz sei eine Verschwörung „von oben“ gegen die Menschen. Gleichzeitig wird die historische Rolle der fossilen Industrie im Lobbyismus, in der Desinformationspolitik und der politischen Einflussnahme systematisch ignoriert – klassisches Beispiel für Lying by Omission.
2. Rhetorische Tricks & Framing
Technik
Beispiel
Wirkung
Autoritätsentzug durch Suggestion
„nicht demokratisch legitimiert“, „mächtige Netzwerke“
Impliziert illegitime Macht, ohne die eigentlichen demokratischen Prozesse der UN, EU oder BlackRock zu benennen
Feindbild-Konstruktion
Schwab, Guterres, Kerry als elitärer Zirkel
Erzeugt Misstrauen gegenüber internationalen Institutionen
Emotionalisierung durch Umdeutung
„Zwang“, „Kotau“, „zittern vor Fink-Briefen“
Bedient populistische Anti-Establishment-Emotionen
Entpolitisierung der Klimakrise
Kein Wort zu CO₂, Hitze, Wetterextremen, Migration etc.
Schiebt den Fokus von Weltrettung hin zu Investoreninteressen
Zerlegung durch selektive Zitate
„Werbe-Zitate“ aus Davos, Fink etc.
Zitate ohne Kontext oder Faktencheck, um Elitenhörigkeit zu unterstellen
3. Was wird ausgelassen? (Lying by Omission)
Kein Wort über: Klimawissenschaftliche Fakten (IPCC, Tipping Points, CO₂-Zusammenhänge) Die ökonomischen Kosten der Nichthandlung (Stern Report, DICE-Modell von Nordhaus) Die Rolle von fossilen Lobbygruppen (z. B. API, EIKE, Heartland Institute) Die Nachfrage globaler Konzerne und Endkunden nach klimafreundlichen Lieferketten Die empirisch messbaren Fortschritte in ESG-gebundenen Fonds (z. B. Risikoabsicherung, langfristige Stabilität, Reputationsschutz)
4. Psychologisch-strategische Wirkung
Im Sinne von Cialdini, Munger & Buffett:
Verknappung und Bedrohung: ESG wird als Angriff auf Freiheit und Wohlstand gerahmt („weniger Kapital“, „höhere Energiepreise“). Ingroup vs. Outgroup: Der „Bürger“ gegen ein elitäres „Netzwerk“. Social Proof durch Prominenz: Schwab, Kerry, Fink, Guterres dienen als emotionale Projektionsflächen. Verstärkung durch Wiederholung: ESG, „Zwang“, „Druck“, „Distanzierung“, „Ausstieg“ – viele Schlüsselbegriffe wiederholt, um semantische Verankerung zu erzeugen.
5. Einflussnetzwerke und mögliche Auftraggeber
Akteur
Möglicher Nutzen
Fossile Industrie (Exxon, Shell, BP)
Rechtfertigung zur Wiederaufnahme von Investitionen in Exploration
Republikanische Think-Tanks (Heritage, AEI, Cato)
Mobilisierung gegen Regulierung und staatliche ESG-Maßnahmen
Vermögensverwalter mit fossilen Altlasten
Rechtfertigung für ESG-Rollback
Tech-Oligarchen (Thiel, Musk, Andreesen)
Strategische Kampagne gegen Regulierung, Dekarbonisierung, „Wokeness“
6. Gegennarrativ (kompakt)
Der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft ist keine Verschwörung, sondern eine Reaktion auf physikalische Realitäten und ökonomische Risiken. ESG-Instrumente schützen langfristig die Kapitalmärkte vor Stranded Assets und stärken Resilienz in Lieferketten, Energieversorgung und Infrastruktur. Die Abschwächung dieser Instrumente ist kein „Sieg der Freiheit“, sondern eine riskante Rückkehr in fossile Abhängigkeiten – auf Kosten kommender Generationen und geostrategischer Stabilität. Während Bojanowski den ESG-Rückzug als Sieg des Marktes feiert, ignoriert er die zunehmenden Kosten durch Extremwetter, Migration, Konflikte und Unsicherheiten, die aus einem Nicht-Handeln resultieren.
7. Politisch-gesellschaftliche Einordnung
Lager: Anti-ESG, Anti-WEF, wirtschaftsliberal-konservativ mit rechtsoffenem Einschlag Tonalität: Anti-globalistisch, Anti-Institutionen, latent verschwörungsideologisch Zielgruppe: Mittelstand, konservative Kapitalanleger, Kritiker von „grünem Kapitalismus“, Frustrierte über Energiepreise
8. Kapitalmarkt-Fazit & Handlungsempfehlung (nach Buffett/Munger)
Schnell-Check: ESG-feste Qualitätsaktien
✅ KGV < 15, ✅ KBV < 2, ✅ Dividendenrendite > 4 % ✅ Stabiles Geschäftsmodell mit ESG-Rating A oder besser ✅ Internationale Diversifikation + Infrastrukturbezug
Branchen mit Chancen:
Erneuerbare Energien (z. B. NextEra, Iberdrola) – trotz ESG-Backlash durch strukturelle Nachfrage gestützt Versorger mit Dekarbonisierungsstrategie (Enel, E.ON, Ørsted) Industrietechnik & Grid-Ausrüster (z. B. Schneider Electric, Siemens, Eaton) Beteiligungen an Rohstoffrecycling, Wasserstoff, CO₂-Speicherung
Weniger interessant (aus Munger-Sicht):
Fossile Rebound-Wetten (z. B. Fracking, pure Ölkonzerne ohne Dekarbonisierungsstrategie) – kurzfristig profitabel, langfristig hohes Regulierungsrisiko Politisch polarisierende Firmen mit extremem Anti-ESG-Kurs (z. B. Firmen unter Druck durch Verbraucherschutz oder Reputationsverlust)