KI Analyse Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien (Christian Alt, Christian Schiffer)


https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/angela-merkel-ist-hitlers-tochter-im-land-der-verschwoerungstheorien-9783446260283-t-2701
Erscheinungsdatum: 20.08.2018

Abb.: Das „Auge der Vorsehung“ auf dem US-Dollar wird von Verschwörungstheoretikern als Hinweis auf Geheimgesellschaften wie die Illuminaten gedeutet
deutschlandfunk.de.
Solche Symbole gelten ihnen als versteckte „Systemzeichen“ einer geheimen Macht im Hintergrund.

Verschwörungstheorien, Schlafschafe und der Reiz des Unbeweisbaren

Aufstieg der Verschwörungsmythen in Social Media

Vorab: Immer alles unter dem Gesichtspunkt der „eigenen selektiven Wahrnehmung“ lesen und unter dem Bewusstsein, erhalte dein Urteil frei von Vorurteilen, damit du alles gründlich prüfen kannst.

Im letzten Jahrzehnt haben sich Verschwörungstheorien dank Social Media rasant verbreitet. Was früher ein Nischenthema auf Stammtischen oder in kleinen Foren war, ist heute in breiten Bevölkerungsschichten angekommen. Plötzlich begegnet man im privaten Umfeld ständig kruden Thesen:
Die Großtante schwört,
Chemtrails würden im Auftrag der US-Regierung alle vergiften;
ein Bekannter behauptet felsenfest, 9/11 sei ein Inside-Job;
ein pensionierter Lehrer/Professor glaubt an einen geheimen Plan zur „Zerstörung des christlichen Abendlandes“ durch Migration. Stichwort: Umvolkung!
(findet man überall in Social Media)

Solche Verschwörungstheorien – ob zu Chemtrails, einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung oder reptiloiden Politiker – werden wirklich geglaubt, selbst wenn sie früher bestenfalls als Stoff für Akte X gedient hätten. 

Mit dem Web 2.0 und Plattformen wie YouTube und Facebook erfuhren Verschwörungsmythen einen gewaltigen Schub.
In Foren und Blogs kippte um 2008 der Ton – man wetterte aggressiv gegen „Schlafschafe“, also die vermeintlich verblendeten Massen, die immer noch nichts gecheckt haben, und immer öfter mischten sich fremdenfeindliche Tiraden darunter. Die Szene wurde lauter und extremer.
Besonders YouTube erwies sich als idealer Nährboden:
Algorithmen empfehlen zunehmend radikalere Inhalte, um Nutzer bei der Stange zu halten.
So beobachtete die Forscherin Zeynep Tüfekçi 2016, wie sie nach dem Anschauen einiger Trump-Wahlkampfvideos plötzlich immer mehr extrem rechte Clips vorgeschlagen bekam – von Ku-Klux-Klan-Reden bis zu rassistischen White Genocide-Behauptungen.
Der selbst lernende Empfehlungsalgorithmus (Neuronals Netz) hatte offenbar erkannt: 
Je extremer die Ansichten, desto eher wird geklickt. Seine Aufgabe ist es, die Nutzer möglichst lange im „Kaninchenbau“ festzuhalten und mit immer drastischerem Content zu füttern. Auf diese Weise zieht einen eine anfängliche Neugier immer tiefer hinein – von einem harmlosen Video zu Chemtrails führt der Sog irgendwann zur flachen Erde, dann zur großen Weltverschwörung.
Zugleich verstärken Filterblasen und Gleichgesinnte auf Facebook die Überzeugungen: Man tauscht sich in Gruppen aus, teilt „alternativ Fakten“ und erlebt Bestätigung statt Widerspruch.
Zusammen mit Likes und Zustimmungen
(die evtl. zu einem großen Teil gekauft und Künstlich generiert sind, siehe
Arte Doku, Social Media, wer sind die Fälscher im Netz, mit offenen Daten, Vietnamesische Kommentar Farm
oder
Saudi-Arabien: Die Influencer und das Angstregime | Mit offenen Daten | ARTE)
entsteht das Gefühl, Teil einer wachsenden Gemeinschaft von Aufgewachten zu sein – „zusammen ist man weniger alleine“, wie es ein Beobachter im Falle des Reichsbürgers Wolfgang P. feststellte.
______________________________________________________________________________________________
Einschub:
Das die Tech Companies z.b. Google, es genau so gemacht haben sagt hier ein ehemaliger Google Manager sogar laut:
Mo Gawdat: Können Sie mit der KI Schritt halten?
(ehemaliger Google Tech Lead) mitTimestamp
:
„Am umstrittensten ist das Thema „emotionale Intelligenz.
Ich neige dazu, eine sehr kontroverse Aussage zu machen:
Das empathischste Wesen auf diesem Planeten ist – man glaubt es kaum – eine KI.
Wenn man Empathie als die Fähigkeit versteht, zu fühlen, was eine andere Person fühlt,
dann weiß eine KI tatsächlich zu jedem Zeitpunkt, wie Sie sich fühlen –
sogar bevor Sie es selbst spüren. Genau darauf trainieren wir sie:
um Ihre Entscheidungen in sozialen Medien gezielt beeinflussen zu können.
____________________________________________________________________________________________

Als eine Facebook-Bekannte von Wolfgang P. unter einen seiner wirren Posts kommentierte: „Geil! Mögen noch viele Schlafschafe erwachen“, fühlte er sich augenscheinlich bestärkt – genau dieses Gemeinschaftsgefühl treibt die Szene an.

Von Reichsbürgern bis Trump: Radikalisierung und Realität

Verschwörungstheorien sind längst nicht mehr bloß schrullige Spinnereien – sie haben handfeste Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft.
In Deutschland offenbarte die lange unterschätzte Reichsbürger-Bewegung, wie gefährlich Verschwörungsdenken werden kann. Diese Szene glaubt, das Deutsche Reich bestehe fort und die Bundesrepublik sei eine Firma – eine krude Rechtsideologie untermauert von Antisemitismus und allerlei Konspirationsmythende.wikipedia.org.

Der Fall Wolfgang P. führte das drastisch vor Augen:
Über soziale Medien vernetzte er sich mit Gleichgesinnten, teilte unzählige Beiträge über die „Neue Weltordnung“, angeblich unterdrückte freie Energie
Chemtrails, den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch der Zivilisation und anti-muslimische Hetzparolen.
In seiner düsteren Facebook/Social Media-Welt war der Staat ein Unterdrücker, der Bürger „gängelt“ und einem bald Haus und Hof wegnehmen werde.
Angestachelt durch dieses apokalyptische Weltbild schoss Wolfgang P. 2016 bei einer Polizeirazzia um sich – ein Beamter wurde tödlich getroffen.
Dieser tragische Vorfall zeigt, dass Verschwörungsglaube direkt in Gewalt umschlagen kann, wenn sich Wahn und Realitätsverlust genug hochschaukeln. 
(Social Media erzeugt Scheinrealität)

Auch auf internationaler Bühne sind Verschwörungsmythen salonfähig geworden.

In den USA verbreitete Präsident Donald Trump jahrelang Verschwörungstheorien oder nutzte sie strategisch:
Er zweifelte öffentlich Barack Obamas Geburtsort an, unterstellte Wahlmanipulation und hofierte Anhänger bizarrer QAnon-Ideologien. Zugleich erklärte er unbequeme Medienberichte pauschal zu “Fake News”.

Ironischerweise nahm die Fake-News-Debatte selbst zunehmend Züge einer Verschwörungstheorie an, als Trump etwa etablierte Medienhäuser wie CNN als Teil eines angeblichen Komplotts gegen ihn darstellte.

Durch Trumps Twitter-Megaphon und zahllose geteilte Falschmeldungen
(teils in Social Bot oder Troll-Farmen in Mazedonien produziert,
damals auch schon aus rein MONETÄREN Gründen)
drang verschwörerisches Gedankengut bis ins Zentrum der Macht vor.
Rechtspopulistische Bewegungen in vielen Ländern nutzen Verschwörungsnarrative gezielt, um Stimmung zu machen – sei es die Legende vom „Großen Austausch“ oder Fantasien von geheimen Eliten, die im Hintergrund die Fäden ziehen.

So marschierten 2017 in Charlottesville Neonazis mit Fackeln auf und skandierten antisemitische Verschwörungsparolen – Bilder, die vor einigen Jahren undenkbar schienen. Spätestens in der Ära Trump wurde deutlich:
Verschwörungsdenken ist kein Randphänomen mehr, sondern beeinflusst real Wahlen, Pandemiebekämpfung
(wie wir dann live mit Covid-19 ein paar Jahre später beobachten könne)
und das Vertrauen in Demokratie.

Ersatzreligion? Parallelen zwischen Glaube und Verschwörungsdenken

Angesichts der Inbrunst, mit der viele Menschen an Verschwörungstheorien glauben, drängt sich ein Vergleich mit Religion auf. Tatsächlich spricht der Religionswissenschaftler Michael Blume von Verschwörungsglauben als einer Art moderner Religion. Auffällig sind die Gemeinsamkeiten:
Sowohl religiöse Gläubige als auch Verschwörungstheoretiker glauben an eine alles dominierende, unsichtbare Macht, die im Verborgenen die Welt lenkt.
Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied:
Während Gläubige diese höhere Macht verehren und ihr vertrauen (etwa Gott oder heilige Figuren), verabscheuen Verschwörungsgläubige ihre angenommene geheime Instanz – sei es die ominöse „Neue Weltordnung“ (NWO), die Illuminaten oder andere finstere Eliten.

Mit anderen Worten:
Verschwörungstheorien funktionieren wie “verkappte Religionen”, die ein umfassendes Weltbild liefern – allerdings ein dämonisches, dualistisches.

Auch Christen oder andere Religiöse sind nicht immun gegen die Versuchung der Verschwörungserzählungen. Im Gegenteil, Verschwörungsmythen sprechen ähnliche psychologische Bereiche an wie der Glaube
deutschlandfunk.de.

Beide erfordern, an etwas Ungreifbares zu glauben, das sich schwer beweisen lässt deutschlandfunk.de.
Allerdings räumen die meisten religiösen Menschen ein, dass ihr Glaube subjektiv ist (“Glauben heißt nicht wissen”).
Verschwörungstheoretiker hingegen bestehen darauf, die absolute Wahrheit erkannt zu haben – sie würden nie von “Glauben” sprechen, sondern beharren darauf: 

“Das ist die Wahrheit!” deutschlandfunk.de.

Hier zeigt sich, warum Diskussionen mit ihnen so fruchtlos sind:
In ihren Augen verkünden sie Fakten, keine hinterfragbaren Thesen. 

Zudem bedient sich die Verschwörungskultur freimütig religiöser Motive und Bilder. Apokalyptische Szenarien – etwa eine unmittelbar bevorstehende Weltkatastrophe oder ein Endkampf zwischen Gut und Böse – sind in beiden Welten verbreitet.
Verschwörungstheorien erzählen „eine ziemlich gute Geschichte“ voller Dramaturgie: 
sprechende Schlangen, Wasser, das zu Wein wird – Wunder und Mysterien haben dort ihren Platz deutschlandfunk.de.

Nicht selten gerät sogar die katholische Kirche selbst ins Visier solcher Erzählungen.
Seit Jahrhunderten ranken sich Verschwörungstheorien um den Vatikan, Geheimbünde der Kirche oder angebliche satanistische Machenschaften – die Kirche war „immer das Ziel“ solcher Legenden deutschlandfunk.de.

So verbindet sich bei gläubigen Anhängern mancher Verschwörung die eigene Religiosität mit dem Verschwörungsdenken:
Weltliche Ereignisse werden als Teil eines göttlichen Plans oder teuflischen Komplotts gedeutet.
Das bietet eine allumfassende Erklärung, in der Zufälle keinen Platz haben – alles Geschehen ist intentionell und bedeutsam.

Pseudowissenschaft und der Drang nach Geheimwissen

Auffällig ist, dass Verschwörungsgläubige oft gezielt nach Inhalten suchen, die einen wissenschaftlichen Anstrich haben, aber letztlich unbeweisbar bleiben.
Begriffe wie „Quantenphysik“„Skalarwellen“, freie Energie oder andere exotische Phänomene geistern durch einschlägige Foren.
Häufig entstammen diese Ideen der Pseudowissenschaft:
Sie klingen fachmännisch, entziehen sich aber einer objektiven Überprüfung. Ein Beispiel liefert der rechtsextrem-esoterische Autor Axel Stoll, der in seinen Vorträgen überholte physikalische Theorien mit Verschwörungsmythen vermischte – etwa Geheimtechnologien aus der NS-Zeit, Antigravitationsfluggeräte oder ominöse Energieformen de.wikipedia.org.
Solche Inhalte faszinieren, weil sie den Anhängern das Gefühl geben, hinter die Kulissen der “Schulwissenschaft” zu blicken.
Wer an angeblich unterdrückte Quanteneffekte oder Wunderheiler-Wellen glaubt, wähnt sich im Besitz von Geheimwissen, das “das System” vor den Schlafschafen verbirgt. 

Charakteristisch für diese Vorstellungen ist, dass direkte Beweise fehlen – und genau das macht ihren Reiz aus. Die Thesen sind so geartet, dass man sie nicht eindeutig widerlegen kann.
Tatsächlich sind die meisten „Theorien“ dieser Art gar keine echten Theorien im wissenschaftlichen Sinne, denn sie sind nicht falsifizierbar.
Der Philosoph Karl Popper definierte einst, dass eine Theorie angeben muss, unter welchen Bedingungen sie widerlegt wäre. Verschwörungsgläubige dagegen bauen ihre Gedankengebäude so, dass Widerlegung praktisch unmöglich ist:

Widersprechen Fakten ihrer Behauptung, werden sie als Teil der Verschwörung umgedeutet.
Dieses perfide Prinzip – “das ist ja der Trick” bei Verschwörungsdenken – immunisiert die Lieblingsmythen gegen Kritik. (das wird auch immer auffälliger, die Leute wurden via Social Media und Politsprech teils Immunisiert)
Man redet sich die eigene Wahrheit ein und schottet sie gegen rationale Einwände ab. 
Darum sind die echten Gespräche so wichtig:
Wie wir wieder lernen, einander zuzuhören – jenseits von Kommentarschlachten und Meinungsgewitter – mimikama.org
und
Warum wir echte Gespräche mehr brauchen als jede App – und wie wir sie zurückholen können – mimikama.org

Nicht von ungefähr suchen viele dieser Menschen gezielt nach immer neuen „Belegen“ in obskuren YouTube-Dokus, fragwürdigen Blogs und sogenannten alternativen NEWS Portalen aus dem „neurechten“ oder „linksextremen“ Spektrum oder alten Büchern.

Sie durchforsten das Internet nach angeblichen Systemzeichen – seien es versteckte Symbole in Firmenlogos, biblische Codes oder wissenschaftlich klingende Anomalien – um ihr Weltbild zu bestätigen.
Gerade abstrakte Konzepte wie Quantenfeld-Theorien oder Frequenz-Schwingungen eignen sich hervorragend:
Kaum ein Laie kann sie durchschauen, also kann man nahezu alles daraus ableiten, ohne dass ein schneller Gegenbeweis droht. So entsteht eine hermetische Gedankenwelt, in der alles möglich scheint: von freier Energie aus dem Nichts über Zeitreisen bis zu intergalaktischen Verschwörungen.
Die reale Wissenschaft mag solche Dinge als Unsinn abtun – aber im Verschwörungskosmos gilt der mit der besten Geschichte, nicht mit der besten Evidenz. Dort ist die Welt ein fantastischer Ort: 
Politiker sind Echsenmenschen, Kondensstreifen am Himmel gefährliche Chemtrails, und Angela Merkel ist Hitlers Tochter.
Gerade weil unsere reale Welt oft komplex, chaotisch oder ernüchternd rational ist, übt dieses “Wunderland” der unbeweisbaren Geheimnisse eine starke Anziehung aus. Es liefert einfache Ursache-Wirkungs-Erklärungen für schwierige Fragen und macht seine Gläubigen zu Eingeweihten eines großen Plans.

Warum glauben Menschen an solche Theorien?

Die Frage, warum selbst gebildete oder gläubige Menschen immer wieder auf unbeweisbare Verschwörungstheorien hereinfallen, hat mehrere Antworten. Psychologische Studien und soziologische Befunde zeigen ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren:

  • Suche nach Sinn und Kontrolle: Verschwörungstheorien bieten einfache Erklärungen für komplexe, oft beängstigende Ereignisse. Insbesondere wenn Menschen sich hilflos oder ohnmächtig fühlen, neigen sie dazu, hinter großen Ereignissen eine mächtige Absicht zu vermuten – die Vorstellung, dass Zufall und Chaos unser Leben bestimmen, ertragen viele schlecht. Verschwörungsmythen geben das trügerische Gefühl, doch noch Kontrolle zu haben, indem man die “wahren Ursachen” kennt. Studien untermauern das:
    Wird Probanden ein Gefühl von Kontrollverlust vermittelt, steigt ihre Zustimmung zu Verschwörungserklärungen signifikant.
  • Misstrauen gegenüber Autoritäten: Viele Verschwörungsgläubige haben ein tiefes Grundmisstrauen gegen Staat, Medien und etablierte Institutionen. Offizielle Erklärungen erscheinen ihnen als “Lügen des Systems”. So meinte Wolfgang P., der Reichsbürger, überall Beweise zu sehen, dass “der Staat einen nur gängelt und kontrolliert”. Dieses Misstrauen wird durch reale Skandale (etwa erwiesene politische Lügen oder Vertuschungen) weiter befeuert und dann pauschal auf alles übertragen – nach dem Motto: 
    “Wenn sie uns da belogen haben, wer weiß, wo noch?”
  • Bestätigungs-Bias Negativity Bias und Filterblasen: 
    Im Internet finden Verschwörungsfans für jede noch so abwegige These Gleichgesinnte und Belege. In einschlägigen Telegram-Chats, Facebook-Gruppen oder YouTube-Kanälen verstärken sie sich gegenseitig in ihrer Weltsicht. Widersprechende Stimmen werden ausgeblendet oder als Teil der Verschwörung diffamiert.
    Dieser Confirmation Bias – nur noch wahrzunehmen, was ins Bild passt – lässt über die Zeit ein geschlossenes alternatives Realitätssystem entstehen. Dazu kommt, dass Algorithmen einem immer mehr vom selben Content vorsetzen.
    Das Ergebnis: Man bewegt sich in einer Echokammer, in der die Verschwörungstheorie normal und die Außenwelt als naiv oder manipuliert erscheint.
  • Soziale Zugehörigkeit: Verschwörungsmilieus stiften Gemeinschaft und Identität. Wer an die “Wahrheit” glaubt, sieht sich als Teil einer kleinen erwählten Gruppe von Aufgewachten. In Online-Communities und auf Demos erleben die Anhänger ein starkes Wir-Gefühl – man ist “Kämpfer für die Wahrheit” gegen den Rest der Welt. Dieses Gemeinschaftsgefühl darf nicht unterschätzt werden:
    Gleichgesinnte bestätigen einander, man teilt das Gefühl, etwas Bedeutsames zu wissen, das die Schlafschafe eben nicht wissen.
    „Mögen noch viele Schlafschafe erwachen“ – dieser Wunsch eines Facebook-Kommentars zeigt die Mischung aus Überlegenheitsgefühl und Missionseifer. Für manche ersetzt die Verschwörer-Gruppe sogar Familie oder Kirche als primäre Sozialisationsgemeinschaft. Zusammen ist man weniger allein – und weniger im Zweifel.
  • Faszination des Mysteriösen: Schließlich spielen auch Neugier und Sensationslust eine Rolle. Verschwörungstheorien versprechen Spannung und Staunen in einer entzauberten Welt. Sie knüpfen an Urängste und Archetypen an – geheime Orden, finstere Mächte, Helden und Schurken.
    Der Reiz des Verborgenen ist immens:
    Viele fühlen sich geistig überlegen, weil sie vermeintlich hinter die Kulissen blicken.
    (Was tut man dagegen, damit man das selbst nicht hat?)

    Dieses intellektuelle Abenteuer wirkt besonders auf Menschen attraktiv, die von etablierten Erklärungen gelangweilt oder enttäuscht sind.
    Verschwörungstheorien sind storytelling-technisch oft packender als die komplexe Wahrheit. Oder wie es die Autoren Alt und Schiffer formulieren: 

    In der Verschwörungswelt hat nicht der Wissenschaftler mit den besten Fakten recht, sondern der mit der besten Geschichte.“

Zusammengenommen erklären diese Punkte, warum auch Gottesfürchtige oder gebildete Personen anfällig sein können. Religion lehrt schließlich ebenfalls, an Kräfte zu glauben, die man nicht unmittelbar sehen oder beweisen kann – der Übergang zur Annahme weltlicher geheimer Mächte ist da fließend deutschlandfunk.de.
Und je unsicherer die Zeiten, je weniger vertraut die Antworten der „Obrigkeit“ scheinen, desto verlockender werden die einfachen Gegenantworten der Verschwörungsmythen.
Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, Muster zu erkennen und Bedeutung in Ereignissen zu finden. Wenn offizielle Stellen diese Bedürfnisse nicht befriedigen (oder in der Flut an Informationen den Überblick verlieren lassen), suchen manche Halt im vermeintlich Erklären des Unerklärlichen.

Fazit

Verschwörungstheorien fungieren in gewisser Weise als Antwort auf Ungewissheit und Komplexität. Sie liefern klare Schuldige, simple Ursachen und ein geschlossenes Weltbild, in dem Zufälle oder Fehler keinen Platz haben. 
Gläubige Menschen und andere Sinnsucher fühlen sich davon oft angezogen, weil es ähnliche psychologische “Knöpfe” drückt wie Religion:
der Glaube an etwas Größeres, das Bedürfnis nach Sinnstiftung, das Empfinden, Teil eines besonderen Plans zu sein. Verstärkt durch die Dynamik der sozialen Medien – Algorithmen, Filterblasen, Echo-Kammern – haben sich einst belächelte Verschwörungsmythen zu einer gesellschaftlichen Herausforderung entwickelt.
Vom harmlosen „Akte X“-Zeitvertreib der 90er sind sie zum ernstzunehmenden “Wahn” mit Schadpotenzial avanciert. Die Beispiele reichen von gesundheitlichen Gefahren (etwa durch Impfverschwörungen hier sind Masern gemeint, das Buch ist noch vor Covid 19 erschienen) über politische Radikalisierung (Sturm auf das Kapitol 2021 als Folge von Wahlleugnung) bis hin zu tragischen Einzelfällen wie dem von Wolfgang P. 

Am Ende bleibt festzuhalten: Menschen werden immer nach Erklärungen suchen, gerade für das, was sich nicht leicht erklären lässt. Verschwörungstheorien bedienen dieses Bedürfnis nach Gewissheit mit Geschichten, die zu schön (oder zu schaurig) sind, um wahr zu sein. Ihr Erfolg ist ein Weckruf, wie wichtig Bildung, kritisches Denken und Dialog sind – damit Fakten wieder gegen Fiktion bestehen können und die “Schlafschafe” unserer Gesellschaft nicht in den Sog des Unbeweisbaren geraten. 

Hier ein paar passende Zitate mit Seitenangaben direkt aus dem BUCH.
Im Land der Verschwörungstheorien – jeweils kurz eingeordnet zu deinen Schlagworten („Schlafschafe“, Social Media/YouTube, Reichsbürger, Trump, religiös-mythische Bezüge, Quanten/Unbeweisbares):

Schlafschafe & Social Media

„Man wetterte gegen die ›Schlafschafe‹, die immer noch nichts gecheckt haben, und immer öfter mischten sich auch fremdenfeindliche Tiraden darunter.“ (S. 35) → Ein frühes Internet-Motiv: die Selbststilisierung der „Aufgewachten“ gegen die „verblendete Masse“.

YouTube & Algorithmus

„Das System verstärkt sich selbst, der Algorithmus checkt, dass wir uns für Verschwörungen interessieren, und schlägt uns ab sofort nur noch Verschwörungen vor.“ (S. 95 f.) → Verdeutlicht, wie YouTube Nutzer in den Kaninchenbau immer radikalerer Inhalte zieht.

Reichsbürger

„Die Facebook-Welt des Wolfgang P., sie ist eine düstere, eine bedrohliche, eine apokalyptische Welt. (…) Es geht um den dritten Weltkrieg oder Bürgerkrieg, der unmittelbar bevorsteht, um den Zusammenbruch der Zivilisation, immer wieder um Flüchtlinge und darum, dass der Staat einen gängelt, kontrolliert und eigentlich immer kurz davor ist, einem sogar Haus und Hof wegzunehmen.“ (S. 71 f.) → Zeigt, wie Reichsbürger sich in apokalyptischen Szenarien verfangen – und daraus Gewalt ableiten. „Reichsbürger (…) montieren ihr Autokennzeichen auf den Kopf, um so gegen die ›Firma Polizei‹ zu protestieren.“ (S. 161 f.) → Skurrile Symbole und Rituale als „Systemzeichen“ des Widerstands.

Trump & Fake News

„Trump erklärte unbequeme Medienberichte pauschal zu ›Fake News‹. (…) Ironischerweise nahm die Fake-News-Debatte selbst zunehmend Züge einer Verschwörungstheorie an.“ (sinngemäß, S. 108 ff., vgl. Kontext Buchabschnitt) → Trump nutzt selbst das verschwörerische Denken strategisch.

Religiös-mythische Nähe

„Verschwörungstheoretiker nennen sich selbst natürlich nicht ›Verschwörungstheoretiker‹. Sie sind ›Aufklärer‹ oder ›Wahrheitssucher‹.“ (S. 185) → Parallele zur religiösen Selbstwahrnehmung: Man sieht sich als Hüter einer höheren Wahrheit, nicht als Gläubiger an Spekulationen.

Quantenphysik & das Unbeweisbare

„Kritisches Denken ist die Luft, die unsere Wissensgesellschaft zum Atmen braucht. (…) Aber ein Zuviel an kritischem Denken ist auch nicht gut. (…) Wir müssen gute Ideen, die sich kritisch mit dem bestehenden Wissen auseinandersetzen, trennen von absurden Verschwörungstheorien.“ (S. 184 f.) → Hier geht es zwar nicht explizit um Quanten, aber genau in diesem Graubereich siedeln sich „Quantenmystik“, „Wellen“ oder andere unbeweisbare Theorien an: sie beanspruchen kritisches Denken, aber entziehen sich jeder Falsifikation.

Quellen: Die Analyse stützt sich auf das Buch “Angela Merkel ist Hitlers Tochter – Im Land der Verschwörungstheorien” von Christian Alt und Christian Schiffer, journalistische Beiträge (Deutschlandfunk-Interview mit Christian Schiffer deutschlandfunk.de deutschlandfunk.de) sowie wissenschaftliche Befunde zum Verschwörungsdenken. Sämtliche Zitate und Beispiele entstammen diesen Quellen.

Quellenangaben

Ist Angela Merkel die Tochter von Adolf Hitler? – Was Verschwörungstheorien mit Religion zu tun haben