Kernaussagen aus ‚Schnelles Denken, langsames Denken‘ mit Zitaten
- Belohnung wirkt besser als Bestrafung (Beispiel: israelische Fluglehrer)
In der Ausbildung ist es wirksamer, Erfolge zu belohnen, als Fehler zu bestrafen. Daniel Kahneman schildert das Beispiel israelischer Fluglehrer, die glaubten, hartes Tadeln verbessere die Leistungen ihrer Flugschüler – dabei unterlagen sie einer statistischen Täuschung. Nach einem extrem guten Flugmanöver folgt oft ein durchschnittlicherer Flug, und umgekehrt steigert sich eine extrem schwache Leistung meist beim nächsten Mal. Die Fluglehrer schrieben fälschlich ihrem Lob oder Tadel die Veränderung zu, obwohl eigentlich die Regression zur Mitte am Werk war. Positive Verstärkung führt langfristig zu besserem Lernen, während Bestrafung oft überschätzt wird.
Zitat: „Die Belohnung von Leistungssteigerungen ist effektiver als die Bestrafung von Fehlern.“ (Kapitel 17) - System 1 und System 2
Kahneman beschreibt zwei Denksysteme: System 1 arbeitet automatisch, schnell und ohne bewusste Anstrengung – es ist unser intuitives, assoziatives Denken. System 2 dagegen denkt langsam und mit Aufwand – es erfordert bewusste Aufmerksamkeit und Konzentration, etwa bei komplizierten Berechnungen oder wichtigen Entscheidungen. Im Alltag liefert System 1 fortlaufend Eindrücke, Gefühle und Vorschläge, die meist von System 2 übernommen werden. Nur wenn eine Situation es erfordert (z. B. ein Problem, das System 1 nicht lösen kann), wird System 2 aktiv und übernimmt die Kontrolle. Diese Arbeitsteilung spart Aufwand, kann aber zu Fehlern führen, wenn System 1 vorschnelle Urteile fällt.
Zitat: „System 1 arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung. System 2 lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten, die auf sie angewiesen sind, darunter auch komplexe Berechnungen.“ (Kapitel 1) - Regression zur Mitte: Unser Intellekt hat es schwer mit Statistik
Extreme Ergebnisse werden oft von durchschnittlicheren Ergebnissen abgelöst – dieses statistische Phänomen nennt sich Regression zur Mitte. Unser Verstand tut sich jedoch schwer damit, solche Zufallsschwankungen als normal zu akzeptieren. Stattdessen suchen wir nach Ursachen: Wir konstruieren Geschichten, um die Veränderungen zu erklären, auch wenn sie rein zufällig sind. Kahneman betont, dass Menschen einen starken Hang zu kausalen Erklärungen haben und „bloße Statistik“ nur ungern gelten lassen. Die Folge: Wir interpretieren Zufall als Bedeutung und übersehen, dass extreme Leistungen meist ganz ohne besonderes Zutun wieder zur Mitte zurückkehren.
Zitat: „Unser Intellekt zeichnet sich durch eine starke Neigung zu kausalen Erklärungen aus und kommt nicht gut mit »bloßer Statistik« zurecht.“ (Kapitel 17) - Unterschied zwischen Korrelation und Regression
Korrelation misst den Zusammenhang zwischen zwei Größen, während Regression zum Mittelwert ein Effekt ist, der bei unvollkommener Korrelation auftritt: Ausgeprägte Abweichungen tendieren beim nächsten Mal zurück Richtung Durchschnitt. Mit anderen Worten, wenn die Korrelation zwischen zwei Messungen nicht perfekt ist, werden extreme Werte bei der zweiten Messung weniger extrem ausfallen. Kahneman erläutert, dass die beobachtete Regression nichts Geheimnisvolles ist, sondern direkt aus einer unvollständigen Korrelation folgt. Viele Menschen verstehen diesen Unterschied nicht intuitiv und verwechseln ihn oft mit Kausalität.
Zitat: „Die Korrelation zwischen Depressionsscores in aufeinanderfolgenden Tests ist nicht perfekt, sodass es zu einer Regression zum Mittelwert kommt.“ (Kapitel 17) - Simulation von Kompetenz
Menschen können den Anschein großer Kompetenz erwecken, selbst wenn das Ergebnis letztlich vom Zufall bestimmt wird. So unterliegen etwa Börsenhändler der Kompetenzillusion: Sie betreiben enormen Aufwand – analysieren Daten, bewerten Unternehmen und wirken hochprofessionell – was ihnen und Außenstehenden das Gefühl gibt, sie verfügten über besondere Fähigkeiten. Tatsächlich kann diese aufwendige „Show“ echter Expertise aber Glück nicht ersetzen. In unvorhersagbaren Umfeldern (wie dem Aktienmarkt) führt auch große Mühe nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen. Mit viel Aufwand lässt sich Kompetenz simulieren, doch ob dies zu Erfolg führt, hängt von Faktoren ab, die außerhalb der Kontrolle des Einzelnen liegen.
Zitat: „Leider ist die Fähigkeit, die Geschäftsaussichten eines Unternehmens sachgerecht zu beurteilen, nicht ausreichend für erfolgreiche Aktiengeschäfte…“ (Kapitel 20) - Illusion of Skill beim Aktienmarkt
Anleger und Finanzexperten glauben oft, sie könnten den Markt schlagen, doch diese vermeintliche Fähigkeit ist meist eine Illusion. Kahneman zeigt, dass die Performance professioneller Stock-Picker weitgehend vom Zufall abhängt. In einer Analyse über mehrere Jahre ergab sich praktisch keine beständige Überlegenheit einzelner Börsenexperten – ihre Erfolge waren statistisch gesehen nicht besser, als wenn ein Affe per Dartwurf Aktien auswählen würde. Trotz beeindruckender Analysen fehlt der Nachweis echter Treffsicherheit: Was wie Geschicklichkeit aussieht, ist häufig Glück.
Zitat: „Doch überraschenderweise betrug der Mittelwert der 28 Korrelation 0,1. Anders gesagt: null. […] Die Ergebnisse glichen dem, was man bei einem Würfelspiel, nicht bei einem Geschicklichkeitsspiel erwarten würde.“ (Kapitel 20) - Basisratenvernachlässigung beim Stock Picking
Ein weiterer Fehler im Aktienmarkt ist die Vernachlässigung von Basisraten. Anstatt auf statistische Grundquoten (etwa wie selten es generell gelingt, den Markt dauerhaft zu schlagen) zu achten, verlassen sich viele auf ihr Bauchgefühl oder eindrucksvolle Einzelfälle. Kahneman beschreibt, dass selbst wenn eindeutige statistische Informationen vorliegen, Menschen sie oft ignorieren, wenn diese Statistiken ihren persönlichen Erfahrungen oder Überzeugungen widersprechen. So überschätzen Anleger systematisch ihre Chancen, weil sie die niedrige Grundwahrscheinlichkeit für langfristigen Erfolg ausblenden.
Zitat: „Dies gilt ganz besonders für statistische Studien über die Leistungsfähigkeit, die Basisraten-Informationen liefern, welche von Menschen im Allgemeinen ignoriert werden, wenn sie ihren Eindrücken aus persönlichen Erfahrungen zuwiderlaufen.“ (Kapitel 20) - Experten als schlechte Prädiktoren trotz hohem Ansehen
Fachleute genießen oft großes Ansehen, doch ihre Fähigkeit, korrekte Vorhersagen zu treffen, ist erstaunlich begrenzt. In Philip Tetlocks berühmter Studie sammelten Experten unzählige Prognosen – das Ergebnis war ernüchternd: Insgesamt lagen die Profis nicht besser (oft sogar schlechter) als Zufallstreffer. Besonders prominente „Starexperten“ neigen zu übermäßig selbstbewussten, gewagten Prognosen, die sich häufig als falsch herausstellen. Mit anderen Worten: Auch hochangesehene Experten treffen Vorhersagen kaum verlässlicher als Laien, überschätzen aber ihr eigenes Urteil.
Zitat: „Die Experten zeigten eine schlechtere Leistung, als wenn sie einfach alle drei möglichen Ergebnisse mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eingestuft hätten. […] Anders gesagt: Menschen, die […] sich gründlich mit einem bestimmten Sachgebiet beschäftigen, erstellen schlechtere Vorhersagen als Dartpfeile werfende Affen.“ (Kapitel 20) - Fehlender Zeitbezug bei Prognosen (Experten irren sich im Zeitpunkt)
Wenn Experten mit ihren Prognosen danebenliegen, geben sie ungern einen Irrtum zu. Stattdessen schieben sie das Verfehlen oft auf das Timing oder unvorhersehbare Umstände. Kahneman zufolge räumen Fachleute Fehler meist nur widerwillig ein und haben dann „jede Menge Ausreden parat“ – etwa, dass sie im Prinzip richtig lagen, nur der Zeitpunkt nicht gestimmt habe oder plötzlich ein unerwartetes Ereignis eingriff. Diese Haltung zeigt, dass Experten ihre Kernüberzeugungen selten in Frage stellen, sondern Fehlschläge lieber auf Nebensächlichkeiten schieben.
Zitat: „…hatten sie jede Menge Ausreden parat: Sie hätten sich nur im Zeitpunkt geirrt, ein unvorhersehbares Ereignis sei dazwischengekommen…“ (Kapitel 20) - Nassim Taleb, Schwarzer Schwan und Philip Tetlock: Experten ändern Überzeugungen selten
Sowohl Taleb als auch Tetlock betonen, dass Experten oft an ihren Weltbildern festhalten. Nassim Taleb zeigt in Der Schwarze Schwan, wie wir im Nachhinein für jedes Ereignis eine stimmige Erklärung finden – was uns fälschlich glauben lässt, wir hätten es vorhersagen können. Diese rückblickenden Geschichten geben Experten (und uns allen) das Gefühl, die Welt verstanden zu haben, und erschweren das Eingestehen von Unwissenheit. Tetlocks Untersuchung von Expertenprognosen untermauert, dass viele Fachleute selbst bei wiederholter Fehlprognose ihre Grundüberzeugungen kaum revidieren. Sie bleiben meist bei ihrer einmal gefassten Meinung und passen allenfalls Details an, anstatt ihre Sicht der Dinge grundlegend zu ändern.
Zitat: „Wie Nassim Taleb in Der Schwarze Schwan ausführt, fällt es uns deshalb schwer, die Grenzen unserer Vorhersagefähigkeit anzuerkennen, weil wir dazu neigen, kohärente Erzählungen über vergangene Ereignisse zu konstruieren und daran zu glauben.“ (Kapitel 20) - Igel: kohärente Bezugssysteme, aber blind für Fehler
Tetlock unterteilt die von ihm befragten Experten in „Igel“ und „Füchse“. Igel haben einen großen, alles erklärenden Ansatz – ein kohärentes Theoriegebäude, durch das sie die Welt betrachten. Sie ordnen jedes Ereignis in ihr System ein und begegnen abweichenden Meinungen meist mit Unverständnis. Igel neigen dazu, von ihrer eigenen Vorhersagekraft überzeugt zu sein und übersehen oder ignorieren Widersprüche und Irrtümer. Fehler geben sie nur ungern zu; oft erklären sie sich lieber, warum sie im Grunde doch Recht hatten, anstatt ihre Theorie in Frage zu stellen.
Zitat: „Igel »haben den großen Durchblick« und verfügen über eine umfassende Theorie; sie erklären konkrete Ereignisse innerhalb eines kohärenten Bezugssystems […] und sind überzeugt von der Richtigkeit ihrer Vorhersagen. Fehler räumen sie nur sehr widerwillig ein.“ (Kapitel 20) - Falsche Prognosen, die fast richtig sind
Gerade Igel-Typen tun sich schwer, Fehlprognosen als solche anzuerkennen. Sollte eine Vorhersage nicht eintreffen, wird sie von ihnen oft als beinahe richtig umgedeutet. Sie behaupten zum Beispiel, das Ereignis sei im Prinzip eingetreten, nur zu einem anderen Zeitpunkt, oder ihre Annahmen hätten gestimmt, nur Details hätten sich geändert. Kahneman beschreibt, dass für Igel eine falsche Prognose praktisch nie wirklich falsch ist – höchstens „zeitlich verfehlt“ oder eben „fast richtig“. Diese Selbstrechtfertigung bewahrt ihre Überzeugung, trotz Fehlprognose nicht wirklich geirrt zu haben.
Zitat: „Für Igel ist eine falsche Prognose fast immer nur ‚zeitlich verfehlt‘ oder ‚fast richtig‘.“ (Kapitel 20) - Igel in unterhaltsamen Talkshows
Interessanterweise haben ausgerechnet die (nicht sehr treffsicheren) Igel-Experten oft die größte Medienpräsenz. Ihre absolute Sicherheit und klaren Thesen machen sie zu gefragten Gästen in Talkshows. Dort prallen dann gegensätzliche Igel-Meinungen aufeinander, was für das Publikum spannend ist – zwei überzeugte Kontrahenten liefern eine lebhafte Debatte, indem jeder die Ansichten des anderen als Unsinn abtut. Die Medien bevorzugen solche profilierte, meinungsstarke „Igel“, weil sie einfache und selbstbewusste Aussagen liefern, die gute Unterhaltung versprechen.
Zitat: „Sie sind von sich selbst überzeugt und ihrer Sache sicher, und genau das wünschen sich Sendeleiter in ihren Fernsehsendungen. Zwei Igel, die in einer Frage gegensätzliche Standpunkte vertreten, sorgen für eine unterhaltsame Show, in der jeder die idiotischen Ideen des Gegners angreift.“ (Kapitel 20) - Füchse denken komplexer, werden aber seltener eingeladen
Im Gegensatz zu den Igeln sind die Füchse unter Tetlocks Experten vorsichtiger und betrachten viele Faktoren. Sie haben keine allumfassende Theorie, sondern analysieren komplexe Zusammenhänge und ziehen auch Zufall in Betracht. Dadurch trafen Füchse in Tetlocks Studie insgesamt etwas bessere Vorhersagen – dennoch liegen auch sie oft daneben, denn die Welt bleibt schwer prognostizierbar. Allerdings gelten Füchse als weniger entschlossene „Propheten“ und erhalten deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit. Ihre differenzierten, vorsichtigen Aussagen sind für Schlagzeilen und Talkshows weniger attraktiv als die pointierten Stellungnahmen der Igel.
Zitat: „In Tetlocks Studie schnitten die Füchse besser ab, auch wenn ihre Leistung insgesamt sehr schlecht war. Sie werden seltener als Igel zu Fernsehdiskussionen eingeladen.“ (Kapitel 20) - Blinder Fleck in der Wahrnehmung: Produkt wechselseitiger Einflüsse
Hedgehog-Experten (Igel) neigen dazu, die Welt mit einem einzigen Erklärungsmodell zu deuten und unterschätzen dadurch die Rolle zufälliger und vielfältiger Einflussfaktoren. Ihr blinder Fleck ist die fehlende Wahrnehmung dafür, dass Ergebnisse oft das Produkt vieler miteinander verwobener Einflüsse sind. Die fuchsartigen Denker hingegen gehen genau davon aus: Sie sehen die Realität als komplexes Geflecht vieler Akteure, Kräfte und Zufälle, was zu unvorhersehbaren Ereignissen führen kann. Diese Sichtweise macht zwar demütiger und führt tendenziell zu vorsichtigeren (manchmal zutreffenderen) Prognosen, findet aber in der Öffentlichkeit weniger Gehör.
Zitat: „Vielmehr sind die Füchse davon überzeugt, dass die Wirklichkeit das Produkt der Wechselwirkungen vieler verschiedener Agenten und Kräfte ist, einschließlich des blinden Zufalls, die oftmals zu unvorhersehbaren Ergebnissen […] führen.“ (Kapitel 20) - Kapitel 24: „Die Maschine des Kapitalismus“, Abschnitt „Optimisten“ (ab S. 263). Dort schreibt Kahneman: „
Wenn Sie für Ihr Kind einen Wunsch frei hätten, sollten Sie ernsthaft in Betracht ziehen, ihm Optimismus zu wünschen.“
Begründung u. a. wegen Depression: „Optimisten sind normalerweise fröhlich und zufrieden … sie haben ein geringeres Risiko, an einer klinischen Depression zu erkranken.“ ‚
Damit stützt er explizit, dass Optimismus (auch) als Schutzfaktor gegen Depressionen gilt.