📘 Diskursstrategie Energiewende & Klimapolitik (Erweiterte Vollfassung)
1. Problembeobachtung
• Vereinfachung durch prominente Stimmen:
Wissenschaftler und Influencer wie Claudia Kemfert, Volker Quaschning, Bruno Burger, Michael Sterner und Stefan Krauter stellen die Energiewende in stark vereinfachten Narrativen dar.
Sie sprechen von „billigster Energiequelle“ (Wind, Solar),
„Smart Grids als Lösung“ und „fossiler Lobby als Blockierer“.
→ Sie unterschlagen jedoch Systemkosten (LCOE+ inkl. Netzausbau, Backupsysteme, Umbaukosten Upfront), Engpässe bei Fachkräften, Netzausbau, Speicherbedarf, Planungszeiten.
• Polarisierung durch Gegenlager:
Konträre Stimmen wie Hans-Werner Sinn, Fritz Vahrenholt, Gerd Ganteför, Wolfgang Eberhard, Heindl, Eike und Co. u. a. treten als Gegenerzähler auf, bedienen aber ebenfalls stark vereinfachte Narrative, oft technikskeptisch und fossilfreundlich.
• Diskursverengung durch Memetik:
• EE-Seite: „Fossillobby“, „Atomlobby“, „Klimaleugner“.
• Gegenseite: „Ökofanatiker“, „Deindustrialisierer“, „grüne Planwirtschaft“.
→ Schlagworte verdrängen Systemverständnis.
• Folge:
Die Mitte geht verloren.
Gesellschaftliche Orientierungslosigkeit: „Elektroauto, Verbrenner, Wasserstoff? Wärmepumpe oder Gas?“
Fachliche Tiefe wird verdrängt durch Slogans.
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2. Analyse
• Kognitionsverschiebung:
Die Debatte wird auf Identitäten reduziert: „Erneuerbar-moralisch“ vs. „fossil-rational“.
Eine nüchterne Debatte und Energiemengen Betrachtung fehlt vollkommen.
• Memetische Dynamik:
Social Media belohnt Schlagabtausch statt inhaltliche Tiefe.
• Sozio-ökonomische Blindheit:
Folgen für Arbeitsplätze, Industrie und globale Emissionsverschiebung werden verdrängt.
• Systemische Blindheit:
• Keine ehrliche Diskussion über Speichergrößen (TWh statt GWh).
• Netzausbauzeiten (10–12 Jahre) ignoriert.
• Molekülspeicher (Gas, H₂, Synfuels) tabuisiert.
• Gefährliche Zirkeldynamik:
Extreme legitimieren sich gegenseitig und blockieren konstruktive Lösungsräume.
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3. Ausweg
A. Diskursstrategisch
• Trade-offs sichtbar machen:
nicht „Erneuerbare sind falsch“, sondern „Erneuerbare sind nötig, aber nicht allein“.
• Schlagworte invertieren:
Gegen „Fossillobby“ → „Es gibt auch eine milliardenschwere Erneuerbarenlobby.“
Neue Begriffe: „lokale Energie-bio-Diversität“ = regional angepasste Mix-Strategie.
B. Strukturell
• Systemkostenrechnung verpflichtend: LCOE+ muss Standard werden.
• Technikpluralismus statt Monokultur:
Kombination aus Elektronen- und Molekültechnologien.
C. Gesellschaftlich
• Industrie und Beschäftigte einbinden: keine Dämonisierung alter Sektoren.
• Ehrlich über Langwierigkeit sprechen: Planungen dauern Jahre.
• Diskurs entmoralisieren: Komplexität statt Schwarz-Weiß.
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4. Charts-Skepsis
• Warnsignal: Wer behauptet, die Energiewende mit „5 Folien und bunten Charts“ erklären zu können, vereinfacht gefährlich.
• Komplexität = Langwierigkeit: Transformationsprozesse sind technisch, ökonomisch, sozial und politisch verschränkt.
•Fachleute wie Robert Schlögl (Leopoldina, HU Berlin), die nüchtern über Energiemengen und Speicher reden, werden oft von vereinfachenden Aktivisten als „fossile Lobbyisten“ diffamiert.
• Gefahr: Die Stimmen, die Komplexität sichtbar machen, werden marginalisiert.
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5. Alarmismus & Instrumentalisierung
• Klarstellung: Klimawandel ist real, menschengemacht und gefährlich.
• Aber: Viele Aktivisten und Politiker instrumentalisieren die Dringlichkeit für überzogene Narrative:
• „Alles sofort erneuerbar.“
• „Nur Elektroautos sind Zukunft.“
• „Nur Verzicht rettet uns.“
Folgen:
• Angst, Spaltung, Vertrauensverlust.
• Fehlentscheidungen in Industrie- und Energiepolitik.
Trennung betonen:
• Klimawissenschaft = Messdaten & Modelle.
• Klimapolitik = Narrative, oft alarmistisch überhöht.
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6. Atomkraft
Kritisch:
• Endlager ungelöst.
• Baukosten hoch, Projekte oft verspätet.
• Militärische Dual-Use-Problematik (zivil ↔ militärisch).
Realismus:
• Im EU-Verbund unumgänglich: Frankreich, Finnland, Polen, Tschechien setzen klar auf Atom.
• Deutschland hängt über Netze immer am Atomstrom. Hängt aber auch immer an Import von Molekülen.
Strategie:
• Kein deutscher Neubau, aber ehrliche Integration ins europäische Energiesystem.
• Risiken benennen, Realität akzeptieren.
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7. Gesprächsstrategie
1. Zuhören: Narrative ernst nehmen.
2. Bestätigen: „Ja, Klimawandel ist real, Erneuerbare sind nötig.“
3. Lücke zeigen:
„Aber die Systemkosten fehlen, die Fachkräfte fehlen, die Mengen sind falsch dimensioniert.“
4. Alternative öffnen: „Technikpluralismus, Energiebiodiversität, ehrliche Kostenrechnung.“
5. Memetik entwaffnen: nicht zurückschießen, sondern Fragen stellen:
• „Wie viele TWh Speicher rechnen Sie für Dunkelflauten ein?“
• „Wer trägt die Kosten für Backup-Kraftwerke?“
• „Wie lange dauert der Netzausbau, den Sie einplanen?“
6. Nichtwissen normalisieren:
„Niemand weiß das alles im Detail. Wichtig ist, dass wir bereit sind, dazuzulernen.“
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📄 Spickzettel (ausführlich, 1 Seite)
• Klimawandel: real, menschengemacht, gefährlich.
• Kritik: Politischer Alarmismus instrumentalisiert das Thema.
• Alles sofort erneuerbar.
• Nur Elektroautos.
• Nur Verzicht.
• Folge: Angst, Spaltung, Vertrauensverlust.
• Memetik:
• EE-Seite: „Fossillobby!“, „Klimaleugner!“.
• Gegenseite: „Ökofanatiker!“, „Deindustrialisierer!“.
Lösung: Schlagworte spiegeln → „Es gibt auch eine Erneuerbarenlobby.“
• Systemkosten: LCOE+ (inkl. Netze, Speicher, Backup) fehlt fast immer.
• Charts-Skepsis:
• Wer behauptet, mit 5 Folien alles erklären zu können → sofort misstrauisch werden.
• Komplexität = Langwierigkeit.
Atomkraft:
• Kritik: teuer, Endlager ungelöst, militärisches Risiko.
• Realismus:
im EU-Verbund unumgänglich.
• Position: kein deutscher Neubau, aber Integration notwendig.
• Gesprächsstrategie:
1. Realismus bekennen: „Klimawandel ist real.“
2. Lücken aufzeigen: „Systemkosten, Mengen, Zeit fehlen.“
3. Fragen stellen statt Parolen: „Wie viele TWh Speicher rechnen Sie ein?“
4. Technikpluralismus: „Energiebiodiversität statt Monokultur.“
5. Nichtwissen normalisieren: „Niemand weiß alles – wichtig ist, dazuzulernen.“
• Abschlussbotschaft:
„Ich bin weder Fossillobbyist noch Klimaleugner. Ich kritisiere nicht das Problem, sondern schlechte Rezepte. Wir brauchen Lösungen, die Klima schützen, Industrie sichern und Versorgung stabil halten.“
Wir dürfen nicht ignorieren, wer wann was wo und in welchem Umfang bezahlen muss und wie komplex das Thema am Ende im Detail ist
Außerdem dürfen wir dies sozial, ökonomische und sozial politische Debatte nicht vergessen. Es geht ja schließlich auch um Arbeitsplätze.
8. Die „2030“-Narrative und ihre Gefahren
- Tony Seba & Co. predigen den radikalen Umbruch:
„Bis 2030 ist alles transformiert – Solar, Wind, Batterien fegen fossile und atomare Systeme hinweg.“ - Probleme:
- Physikalisch unrealistisch: Netzausbau, Speicher, Fachkräfte, Investitionszyklen brauchen Jahrzehnte.
- Ökonomisch unseriös: Kosten werden ausgeblendet, nur „billigster Strom“ wird betont.
- Sozial gefährlich: Erzeugt Erwartungshaltungen, die nicht erfüllbar sind → Vertrauensverlust.
- „Energiewende 2030 / Transformation 2030“ = Spinner-Agenda:
- Sie wird von Aktivisten (FFF, NGO-Clustern, Profs wie Kemfert & Quaschning) übernommen und in die Politik getragen.
- Sie erzeugt Druck & Schuldnarrative:
„Wenn wir nicht sofort 2030 alles schaffen, sterben wir.“ - Ergebnis: Überforderung, Polarisierung, Blockade.
9. Die gefährliche Rhetorik „Folge der Wissenschaft!“
- „Folge der Wissenschaft!“
klingt vernünftig, ist aber hochgradig manipulativ:- Wissenschaft produziert Daten, Szenarien, Modelle – keine Politikrezepte.
- Politiker und Aktivisten nehmen sich die Narrative, die zu ihrer Agenda passen, und verkaufen sie als „wissenschaftliche Notwendigkeit“.
- Damit wird jede kritische Differenzierung sofort diskreditiert:
„Wenn du widersprichst, bist du gegen die Wissenschaft.“
- Hierzu ein Auszug aus dem Buch Staatskunst:
- „Weil die Realität so komplex ist, unterscheidet sich die historische von der naturwissenschaftlichen Wahrheit.
- Der Naturwissenschaftler sucht verifizierbare Ergebnisse;
- Der historisch gebildete strategische Staatslenker bemüht sich, aus der Sache in ihr wohnenden Mehrdeutigkeit umsetzbare Erkenntnisse zu destillieren.
- Wissenschaftliche Experimente stützen vorherige Ergebnisse oder werfen Zweifel auf.
- Sie geben Naturwissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Variablen anzupassen und ihre Versuche zu wiederholen.
- Strategen der Politik bekommen gewöhnlich nur einen Versuch;
- ihre Entscheidungen sind typischerweise unwiderruflich.
- – Der Naturwissenschaftler erarbeitet sich Wahrheit, also experimentell oder mathematisch.
- – Der Stratege arbeitet wenigstens teilweise mit Analogieschlüssen aus der Vergangenheit, indem er zunächst feststellt, welche Ereignisse vergleichbar sind und welche vorherigen Schlussfolgerungen relevant bleiben.
- Selbst dann muss der Stratege die Analogien noch sorgfältig auswählen, denn niemand kann die Vergangenheit tatsächlich in allen Aspekten wahrnehmen; man kann sie sich nur im Mondlicht der Erinnerung vorstellen, so der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga.
- Sinnvolle politische Entscheidungen gehen selten auf eine einzelne Variable zurück; kluge Entscheidungen erfordern eine Mischung aus politischen, ökonomischen, geografischen, technischen und psychologischen Erkenntnissen, alle geprägt von einem historischen Instinkt.
- Isaiah Berlin beschrieb gegen Ende des 20. Jahrhunderts
- „die Unmöglichkeit, naturwissenschaftliches Denken jenseits der Naturwissenschaft“ anzuwenden.
- Er war der Ansicht, dass Anführer wie Romanautoren oder Landschaftsmaler das Leben in all seiner verwirrenden Komplexität in sich aufnehmen müssen:
- „Was einen Menschen jedoch dumm oder weise, blind oder klug macht – statt kenntnisreich, gebildet oder wohlinformiert –, das ist die Fähigkeit, dieses einzigartige Gepräge einer ganz bestimmten, konkreten Situation mit ihren spezifischen Unterschieden wahrzunehmen.
- Das, worin sie sich von allen anderen Situationen unterscheidet, also jene Aspekte, die sich einer wissenschaftlichen Behandlung entziehen.“
- Quelle: Staatskunst, Henry Kissinger, 2022, Seite 15
- Gefahr der Wissenschaftsgläubigkeit:
- Science-Washing: komplexe politische Konflikte werden als „alternativlos“ etikettiert.
- Meinungsblockade: Wer Fragen zu Kosten, Fachkräften oder globalen Spillovers stellt, gilt als „Leugner“.
- Technokratie-Falle: Politik wird reduziert auf ein „Durchregieren nach Modell“.
- Hinterfotziges Narrativ:
- Aktivisten & Professoren wie Kemfert, Quaschning, FFF u. a. bedienen diese Logik bewusst.
- „Folge der Wissenschaft!“ = Schlagstockargument, das jede Debatte im Keim erstickt.
- In Wahrheit steckt dahinter oft ein Glaubenssystem (Wachstumsverzicht, Moralüberhöhung, Anti-Kapitalismus), nicht nüchterne Wissenschaft.
10. Kemfert, Quaschning & die Aktivismus-Verbindung
- Kemfert:
- Übernimmt FFF-Rhetorik fast wörtlich.
- Bedient die Narrative „fossile Lobby blockiert“, „Erneuerbare sind billig“, „alles sofort machbar“.
- Diskreditiert Gegner als „Lobbyisten“, statt Differenzierung zuzulassen.
- Quaschning:
- Eng vernetzt mit FFF- und NGO-Strukturen.
- Treibt die „Sofort-Handeln“-Rhetorik voran, ohne realistische Zeitachsen.
- Bedient stark memetische Kommunikation
(Social Media-Clips, einfache Schlagworte).
- Problem:
- Beide wirken nicht wie nüchterne Wissenschaftler, sondern wie Prediger einer Glaubensgemeinschaft.
- Sie erzeugen Diskurs-Blockaden, indem sie jede Kritik sofort moralisch abwerten.
11. Die größere Gefahr: Diskurs-Blockade
- Menschen verlieren Vertrauen, weil die Realität nicht mit den 2030-Versprechen mithält.
- Politische Gegner (AfD, Fossil-Lager, Populisten) profitieren von der Enttäuschung.
- Gesellschaftliche Polarisierung steigt, weil Memetik (Alarmismus vs. Leugnung) die Mitte zerstört.
- Gefährlichster Punkt:
- Wer nüchterne Energiemengen (z. B. Schlögl) oder globale Industrieeffekte anspricht, wird von beiden Seiten angegriffen.
- Damit bricht die Fähigkeit zusammen, einen realistischen, robusten Kurs einzuschlagen.
12. Rhetorik-Werkzeug gegen „2030-Spinner & Wissenschaftsgläubigkeit“
Einstieg
- „Der Klimawandel ist real, wir müssen handeln.
Aber Schnell-Versprechen à la 2030 sind keine Lösung, sondern ein Rezept für Enttäuschung.“
Gegen „Folge der Wissenschaft!“
- „Wissenschaft liefert Daten, keine Politik. ‚Folge der Wissenschaft‘ ist ein politischer Kampfbegriff.“
- „Wenn jemand ‚Folge der Wissenschaft!‘ ruft, meint er meist:
Folge meiner Interpretation von Wissenschaft.“
Gegen Kempfert/Quaschning/FFF
- „Sie haben eine wichtige Stimme – aber sie vereinfachen gefährlich.
– Kosten werden unterschlagen.
– Fachkräfte fehlen.
– Zeitachsen sind unrealistisch.“ - „Das ist keine Wissenschaftskommunikation, sondern Aktivismus mit akademischem Etikett.“
Alternative Botschaft
- „Wir brauchen nüchternen Realismus:
– Klimaschutz ja, sofort.
– Aber nicht durch Heilsversprechen und Memetik.
– Sondern durch ehrliche Trade-offs, Technikpluralismus und internationale Integration.“
📄 Spickzettel (Langfassung mit 2030 & Wissenschafts-Rhetorik)
- Klimawandel: real, gefährlich, Handeln nötig.
- Aber: Klimapolitik wird durch Alarmismus & Memetik instrumentalisiert.
- 2030-Narrative: „Alles transformiert bis 2030“ = unrealistisch, gefährlich.
- Folge der Wissenschaft! = Kampfbegriff, kein Sachargument.
- Gefahr: Wissenschaftsgläubigkeit blockiert Differenzierung, wird als Schlagstock genutzt.
- Kempfert & Quaschning: übernehmen FFF-Narrative, vereinfachen, moralisieren, diffamieren.
- Atomkraft: teuer, ungelöst (Endlager), riskant, aber EU-Realität → ehrlich einbeziehen.
- Charts-Skepsis: Komplexität lässt sich nicht auf 5 Folien reduzieren. Sofort misstrauisch, wenn jemand das behauptet.
- Memetik: Schlagworte entwaffnen durch Fragen und Spiegeln („Es gibt auch eine Erneuerbarenlobby“).
- Diskursstrategie:
- Realismus bekennen („Klimawandel ist real“).
- Lücken aufzeigen (Systemkosten, Fachkräfte, Zeitachsen).
- Fragen stellen statt Parolen.
- Technikpluralismus („Energiebiodiversität“) betonen.
- Nichtwissen normalisieren: „Das ist komplex, niemand weiß alles – entscheidend ist, dass wir lernen.“
- Abschlussbotschaft:
„Ich bin weder Fossillobbyist noch Klimaleugner. Ich kritisiere nicht das Problem, sondern schlechte Rezepte. Wir brauchen Lösungen, die Klima schützen, Industrie sichern und Versorgung stabil halten.“
Der Slogan „Folge der Wissenschaft“ („Follow the science“) ist kein naturwüchsiger Ausdruck aus der Wissenschaft selbst, sondern eine rhetorische Formel, die in der PR- und Politikkommunikation verankert ist.
Herkunft & PR-Logik
- USA 1990er/2000er: „Follow the science“ tauchte vor allem in Umwelt- und Gesundheitspolitik auf (Klimapolitik, Tabakkontrolle, Impfkampagnen). Ziel war es, eine moralische Autorität aufzubauen und politische Entscheidungen als „alternativlos“ zu rahmen. Das Prinzip ist klassisches Agenda Framing: man koppelt ein komplexes politisches Problem an eine angeblich neutrale, eindeutige Wissenschaft.
- COVID-Pandemie: Der Slogan wurde weltweit von Regierungen und NGOs massiv aufgegriffen. Kommunikationsberater und PR-Agenturen (u. a. im Umfeld von Regierungs-Taskforces) haben ihn standardisiert, weil er einfach, moralisch aufgeladen, nicht widerlegbar wirkt.
Das stammt direkt aus dem Werkzeugkasten der „Science Communication“ und Behavioral Public Policy (Nudging, simplifizierende Slogans).
1970er Jahre
- In den 1970er Jahren gab es ähnliche Wissenschaftsberufungen, aber nicht in dieser PR-Reinform.
- Bei Atomkraft wurde „die Wissenschaft“ als Fortschrittsversprechen ins Feld geführt („sauber, sicher, billig“). Gegner warfen den Regierungen schon damals Instrumentalisierung von Wissenschaft vor.
- Strauss & Co. (Franz Josef Strauß, CSU, Atomminister, später Ministerpräsident) argumentierten in den 60er/70ern sehr technisch: „ohne Kernenergie keine Zukunft“ – das war aber Technokratie-Rhetorik, nicht PR-optimierte „Follow the science“-Moralrhetorik.
- Professionelle Campaigning-Agenturen, wie wir sie heute kennen, spielten in Deutschland erst ab den 1980er/90ern eine Rolle (Beginn der „Spin-Doktor“-Kultur).
Unterschied
- 1970er Jahre: Politik nutzte Wissenschaft als Autorität (Technokratie, Fortschrittsversprechen), aber mit viel mehr Technikdetails und ohne einheitlichen PR-Slogan.
- Heute: Politik + PR-Agenturen nutzen Wissenschaft als moralischen Imperativ („Folge der Wissenschaft“), verpackt in einprägsame, global harmonisierte Formeln.
👉 Fazit:
„Folge der Wissenschaft“ ist kein alter CSU/Strauß-Spruch, sondern eine neuzeitliche PR-Erfindung, die spätestens seit den 2000ern international von Kommunikationsstrategen (Gesundheit, Klima, Pandemie) systematisch eingesetzt wird.
Ich konnte keine belastbare Quelle finden, die eindeutig dokumentiert, welche PR-Agentur als Erste den Slogan „Follow the science“ / „Folge der Wissenschaft“ in großem politischen oder gesundheitspolitischen Kontext formuliert und verbreitet hat. Allerdings lassen sich Ansätze und Verdachtslinien rekonstruieren, wie sich der Slogan als Kommunikationsinstrument entwickelt hat.
Hier meine Rechercheergebnisse:
Hinweise & Kontexte, wie „Follow the Science“ entstand und eingesetzt wurde
Verwendung im Pandemie-Zeitalter & öffentlicher Diskurs
- Der Slogan wurde im Zuge der COVID-19-Pandemie weit verbreitet verwendet, um politische Maßnahmen mit wissenschaftlicher Autorität zu legitimieren.
- In der Literatur wird kritisiert, dass dieser Slogan oft als rhetorischer Deckmantel dient: Politiker sagen „wir folgen der Wissenschaft“, um Entscheidungen zu rechtfertigen, ohne offen über Wertkonflikte, Risikobewertungen oder Unsicherheiten zu sprechen.
- Eine Analyse deutet darauf hin, dass „following the science“ auch als Instrument der Blame Avoidance benutzt wird:
wenn Maßnahmen schiefgehen, kann man sich hinter der Wissenschaft verstecken und sagen, man habe nur „den Fakten gefolgt“.
PR-/Kommunikationspraxis und Think Tanks
- In den Studien zur Politik- und Wissenschaftskommunikation wird „Folge der Wissenschaft“ als Teil einer neueren Strategie angesehen, Wissenschaft sprunghaft als moralischer Imperativ zu verwenden, statt sie als differenzierten Prozess zu zeigen.
- Es gibt keine spezifischen Erwähnungen, dass z. B. große PR-Agenturen wie Burson-Marsteller, Edelman, Ogilvy etc. den Slogan als Markenware entworfen haben (zumindest in öffentlich zugänglichen Quellen).
- Interessant:
Die PR-Firma Porter Novelli, gegründet 1972 (gleichsam ein Pionierunternehmen im PR-Bereich), hatte als früher Auftraggeber u.a. das „National Institutes of Health“ (USA). – das heißt: solche Agenturen hatten historisch Nähe zu Gesundheitskampagnen, aber ich fand keine Quelle, dass Porter Novelli explizit den Slogan „Follow the Science“ kreiert hätte.
Wissenschaftskommunikation und „SciComm“
- In der Wissenschaftskommunikation („Science Communication“) ist es üblich geworden, wissenschaftliche Erkenntnisse in einfachen Botschaften zu verpacken. Der Slogan passt perfekt in Strategien, bei denen ein komplexes Wissenschaftsbild auf eine einprägsame Maxime reduziert wird („best practice“).
- Agenturen, die sich auf Life-Sciences und Biotech spezialisieren, z. B. Sciad als PR-Agentur für Biowissenschaften, setzen exakt solche rhetorischen Mittel ein, um Forschung und Gesundheitsthemen medienwirksam aufzubereiten.
- Solche Agenturen übernehmen häufig die Aufgabe, komplexe wissenschaftliche Inhalte in journalistisch kommunizierbare Sprache zu übersetzen — und da liegt der Ansatz: Ein knackiger Slogan („Folge der Wissenschaft“) bietet sich an als Kernbotschaft.
Warum keine klar zuzuordnende Agentur
Ein paar plausible Gründe, warum kein eindeutiger Urheber identifiziert werden kann:
- Allmähliche Entstehung
Der Slogan dürfte nicht als Einwurf einer einzelnen Agentur entstanden sein, sondern sich allmählich in Medien, Politik und Kommunikation als Meme verfestigt haben. - Diffusion über viele Akteure
Zahlreiche Regierungen, Gesundheitsbehörden, NGOs und Medien griffen ihn parallel auf. Daher ist Attribution schwierig. - Fehlende Quellen & Dokumentation
Öffentlich zugängliche PR-Case Studies, die Slogans wie „Follow the Science“ dokumentieren, existieren kaum in dieser Form. Agenturen veröffentlichen selten, was ihre Wortmarken für Staatskampagnen waren. - Rechtlicher und politischer Kontext
In Regierungs- und Krisenkommunikation arbeiten PR-Firmen oft hinter dem Schleier oder in Partnerschaft mit staatlichen Institutionen, sodass ihre Rolle nicht immer öffentlich sichtbar ist.
Gefährlich ist diese Versimplifizierung komplexer Transformationsprozesse auf jeden Fall!