Why There’ll Never Be A Hydrogen Economy | Ep232: Erik Rakhou

Kurzfassung vorweg: Liebreich liegt für die nächsten 5–10 Jahre näher an der Realität, besonders bei Kosten, Physik/Handhabung und Prioritäten (erst Elektrifizieren & Netze, dann selektiver H₂-Einsatz). Rakhou hat recht, dass wir Optionen für Resilienz und schwer elektrifizierbare Sektoren brauchen – aber viele seiner „Skalierungs-“ und „bald-in-the-money“-Pfade hängen an Politik-/Carbon-Price-Annahmen, die heute (2025) nur punktuell tragfähig sind.

Ich ordne das entlang Randers’ technoökonomischer & gesellschaftspolitischer Brille ein:

1) Technoökonomik (heute → 2035)

  • Kosten & Lernkurven: Liebreichs Punkt ist solide: Elektrolyseure selbst werden billiger, aber Balance-of-Plant (Zivile Technik, Kompressoren, Speicher, Netzanbindung) und vor allem Stromkosten & Vollbenutzungsstunden dominieren. Das limitiert die Lernrate. Rakhouseitig stimmt: Regionen mit sehr günstigem Solar/Wind (Iberia, Nordics, MENA, Teile von China/Indien, Australien) können „best-case“ liefern – aber der Systemzusatz (Überbau für 8-Stunden-Solar, Speicher/Überdimensionierung, Transport/Cracking) frisst viel der Vorteilspreise.
  • „Resilienz-Hedge“ durch H₂: Ökonomisch schwach, sofern Kapazität jahrelang durchfinanziert werden muss, nur um seltene Preisspitzen zu hedgen. Klassische Versicherung (Speicher, Fuel-Switch, Demand Response, Diversifizierung von LNG-Quellen) ist meist billiger.
  • Blau vs. Grün: Für bestehende H₂-Nachfrage (Ammoniak, Raffinerien, Methanol) ist „blau“ (mit strenger Methan-Leak-Kontrolle & hoher CO₂-Abscheidung) kurzfristig oft die Billigst-Dekarbonisierung. „Grün“ wird dort interessant, wo sehr günstiger Strom + hohe Auslastung zusammenkommen und die Alternative (z. B. SMR+CCS) politisch/ökologisch schwer vermittelbar ist.
  • E-SAF & e-Fuels: Rakhou überschätzt die Schnelligkeit der Wirtschaftlichkeit. Nischen (Langstreckenluftfahrt als Pflichtbeimischung, Luxus-/Oldtimer-Segment) – ja. Massenmarkt – nein, solange Strom/CO₂-Direktabtrennung teuer und Skalierung begrenzt ist.
  • Endnutzung: Liebreich hat recht: PKW, Raumwärme, Kurz-/Mittelstrecken-LkwBatterie/Elektrifizierung schlägt H₂ praktisch durchgängig. Sinnvolle H₂-Inseln: DRI-Stahl (mit verlässlichem Billigstrom), Ammoniak (als Produkt, begrenzt als Schiffskraftstoff), Chemie, Langzeitspeicher im Netz (selten, systemdienlich), ausgewählte industrielle Hochtemperaturprozesse.

2) Gesellschaft & Politik (Randers-Linse)

  • Pfadabhängigkeit & Zeitkäufe: Randers betont, dass wir Zeit kaufen müssen, auch wenn das suboptimal wirkt. Das stützt Rakhouse’ Ruf nach Optionalitätaber Randers warnt ebenso vor Fehlinvestitionen, die Kapital binden und die großen Hebel (Elektrifizierung, Netze, Effizienz) verzögern. Hier liegt Liebreich vorn: Netzausbau, Permitting, Speicher liefern mehr Klimanutzen pro investiertem Euro als breite H₂-Wetten.
  • Carbon Pricing vs. Subventionen: Randers: Preise wirken, Politik zögert. Rakhouse’ „Carbon-Price statt Subventionen“ ist richtig – realpolitisch sehen wir aber Mischformen. Fazit: Klare, verlässliche CO₂-Preispfade + zielgenaue, befristete Förderungen für harte Sektoren → ja. Breite Dauersubventionen für H₂ → nein.
  • Governance & Akzeptanz: Großinfrastruktur (Pipelines, Importterminals) braucht Ankerabnehmer und risikoteilende Verträge (CfDs, Take-or-Pay). Ohne das droht – wie Liebreich sagt – Stranded-Asset-Risiko.

3) Wer „hat eher recht“ – nach Anwendungsfeld

  • Kurz-/Mittelfrist (bis ~2032): Liebreich. H₂ bleibt teuer & knapp; Fokus auf bestehende H₂-Dekarbonisierung, DRI-Stahl-Pilotierung mit sehr günstigem Strom, kein Roll-out in Wärme/PKW/Lkw. Erst Netze & Nachfrage-Elektrifizierung.
  • Langfrist (2032–2050): Gemischt. Bei anhaltend sehr billigem erneuerbarem Strom + guter Auslastung + CO₂-Preis könnte Rakhouse’ selektiver H₂-/NH₃-Handel tragfähig werden. Breite H₂-Ökonomie bleibt dennoch unwahrscheinlich; fokussierte H₂-Industrie ist plausibel.

4) Pragmatiker-Playbook für EU/DE (2025–2030)

  1. Elektrifizieren zuerst: EVs, Wärmepumpen, industrielle E-Prozesse; beschleunigtes Netz-/Speicherausbau & Genehmigungen.
  2. Grauen H₂-Fußabdruck senken: CCS+SMR dort, wo Infrastruktur & strenge Leckagekontrolle machbar; parallel grünen H₂ in „best-resource hubs“ (Iberia/Nordics) mit gesicherter Abnahme testen.
  3. H₂ nur dort, wo’s schlägt: DRI-Stahl, Ammoniak/Chemie, selektiver Schiffs-/Luftverkehr (Beimischung/Leuchttürme) und Netz-Langzeitspeicher (maßvoll).
  4. Infrastruktur nur mit Ankergeschäft: Pipelines/Terminals phasenweise, jeweils FID erst bei bindenden Offtakes & Transparenz über impliziten CO₂-Preis.
  5. Policy-Mix: Planbarer CO₂-Preis-Korridor, befristete CfDs für „harte“ Anwendungen, keine Daueralimentierung von uneffizienten Use-Cases.
  6. Resilienz billig kaufen: Diversifizierte LNG-Kontrakte, Speicher, Demand Response, statt teure „H₂-Hedge“-Kapazität vorzuhalten.

5) Fazit in einem Satz

Heute ist H₂ ein gezieltes Industrie-Werkzeug, kein Allzweckbrennstoff; Liebreichs Prioritäten maximieren Klimanutzen pro Euro im Randers-Sinne, während Rakhouse’ Optionalität als eng geführte, evidenzbasierte Ergänzung Sinn macht – nicht als breite Strategie.