Hier ist eine bereinigte und zusammengefasste Version des Inhalts:
Die Diskussion rund um die Zukunft der Stromversorgung in Deutschland dreht sich häufig um Themen wie den Ausbau erneuerbarer Energien, Versorgungssicherheit und die Rückkehr zur Kernkraft. Dabei entstehen immer wieder Missverständnisse und gezielte Fehlinformationen, die wir in diesem Beitrag aufklären möchten.
Der Mythos: „Die ganze Welt baut Atomkraftwerke – nur wir nicht“
Tatsächlich werden weltweit nur wenige neue Atomkraftwerke gebaut. In Europa gab es kürzlich Projekte wie Olkiluoto in Finnland oder Hinkley Point C in England. In Frankreich entsteht Flamanville. Gleichzeitig übersteigt die Anzahl der stillgelegten Atomkraftwerke in Europa deutlich die der neu gebauten. Weltweit stagniert die Anzahl der Atomkraftwerke, während die Stromerzeugung insgesamt zunimmt, wodurch der Anteil der Kernenergie weiter sinkt. Der behauptete weltweite Atomkraftboom ist also eine Fehlinformation.
Erneuerbare Energien in Deutschland: Fortschritte und Herausforderungen
Deutschland hat 2024 bisher 63 % seines Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Die CO₂-Emissionen aus der Stromerzeugung haben sich in den letzten zehn Jahren halbiert – von 312 Millionen Tonnen im Jahr 2014 auf etwa 145 Millionen Tonnen im Jahr 2024. Der Anteil fossiler Energien ist ebenfalls stark gesunken, und die Kohleverstromung befindet sich auf einem historischen Tiefstand, vergleichbar mit dem Niveau von 1957.
Versorgungssicherheit und Reservekraftwerke
Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist trotz des Ausstiegs aus der Kernkraft gewährleistet. Mechanismen wie Reservekraftwerke, Stromimporte und ein flexibler Strommarkt sorgen dafür, dass keine flächendeckenden Blackouts zu befürchten sind. Aktuell hält Deutschland 13 GW an Reservekapazitäten bereit. Der europäische Strommarkt ermöglicht zudem eine effiziente Nutzung von Überschüssen aus Wasserkraft, Wind und Solarenergie in verschiedenen Regionen.
Hohe Strompreise: Gründe und Missverständnisse
Deutschland hat im europäischen Vergleich hohe Strompreise, vor allem für Haushalte. Dies liegt unter anderem an hohen Netzentgelten, die durch den Ausbau der Stromnetze erforderlich sind. Industriestrompreise befinden sich hingegen im europäischen Mittelfeld. Frankreich wird oft als Beispiel für günstige Kernenergiepreise angeführt, doch diese werden durch hohe Grundgebühren und staatliche Subventionen relativiert.
Fazit: Auf dem richtigen Weg, aber mit Wachstumsschmerzen
Deutschland ist auf einem guten Weg, den Anteil erneuerbarer Energien weiter zu steigern und gleichzeitig Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Herausforderungen bleiben jedoch, insbesondere der Ausbau von Reservekapazitäten und die Integration erneuerbarer Energien in das bestehende Stromnetz. Die Diskussionen über Kernkraftwerke sollten dabei kritisch hinterfragt werden, da sie weder ökonomisch noch technologisch eine nachhaltige Lösung bieten.
Hier ist das Transkript als Fließtext:
Wenn man schaut, wer überhaupt neue Atomkraftwerke baut – und das sind ja gar nicht viele –, dann hatten wir in Finnland Olkiluoto, in England Hinkley Point C mit zwei Reaktorblöcken, und in Frankreich wird Flamanville gebaut. Das war’s dann aber auch schon. Wenn man sieht, wie viele Kernkraftwerke außer Betrieb genommen werden, haben wir in Europa mehr Stilllegungen als neu hinzukommende Kernkraftwerke. Das heißt, diese Phrase „Die ganze Welt baut Atomkraftwerke, nur wir nicht“ stimmt überhaupt nicht.
Herzlich willkommen zur Folge 125 des Power-Podcasts! Wir sind nach dem Ampel-Aus so langsam in Wahlkampfstimmung und wollen uns heute mit der Frage beschäftigen: Was gibt es eigentlich für Fake News zur Stromversorgung in Deutschland, und was davon stimmt wirklich? Wir wollen schauen, was Politikerinnen und Politiker in Talkshows von sich geben, welche falschen Informationen da eventuell kursieren, und was tatsächlich korrekt ist. In den letzten Wochen gab es ja schon das eine oder andere Interview mit Personen, die Dinge behauptet haben, die vielleicht nicht ganz stimmen. Und das wird in den nächsten Wochen sicherlich so weitergehen. Genau deswegen wollen wir ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, was zur Stromversorgung in Deutschland tatsächlich korrekt ist und was nicht.
Es wurde kürzlich vom BMWK angekündigt, dass das Kraftwerk-Sicherheitsgesetz dieses Jahr nicht mehr kommen wird, also auch nicht in dieser Legislaturperiode. Ursprünglich war geplant, dass flexible Gaskraftwerke ausgeschrieben werden sollten – tatsächlich schon Anfang 2025 – und der Betrieb ab 2030 starten sollte, um die Energiewende weiter zu unterstützen und die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Das sorgt natürlich für Kritik an der Energiewende, vor allem an der Stromwende, und wir hören wieder Stimmen, die sagen, dass das Thema Versorgungssicherheit vielleicht schwierig werden könnte und die Stromerzeugung problematisch sei. Natürlich gibt es auch das große Thema der hohen Strompreise in Deutschland, über das wir ebenfalls sprechen wollen. Wir wollen also heute über die Thesen und Themen rund um die Stromversorgung in Deutschland sprechen.
Dafür haben wir zwei Gäste eingeladen, die sich seit Jahren mit der Aufklärung dieser Themen beschäftigen und immer faktenbasierte Infos bereitstellen – über die Energy Charts vom Fraunhofer ISE. Dazu werden wir gleich mehr sagen, aber zunächst begrüße ich unsere Gäste: Zum einen ist er Senior Scientist im Bereich Energiesystemanalyse am Fraunhofer ISE, der Begründer der Energy Charts und Honorarprofessor am KIT – herzlich willkommen, Professor Bruno Burger! Und wir haben noch jemanden dabei, der Bruno praktisch nachfolgen wird, da für ihn bald die wohlverdiente Rente ansteht. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energiesystemanalyse mit dem Schwerpunkt Strommarkt und Stromhandel – herzlich willkommen, Leonard Probst!
Heute werden wir die Themen Stromerzeugung, Versorgungssicherheit und Preise behandeln. Bruno wird sich mit der Stromerzeugung beschäftigen, Leonard übernimmt das Thema Versorgungssicherheit, und Bruno wird dann wieder über die Preise sprechen. Natürlich können beide sich gegenseitig ergänzen. Starten wir mit der Frage: Wie sieht es 2024 mit der Stromerzeugung in Deutschland aus, speziell im Strombereich?
Bruno erklärt, dass es gut aussieht. Bis einschließlich heute (1. Januar bis heute) haben wir 63 % erneuerbare Energien in der Erzeugung und 37 % fossile Energien. Die erneuerbaren Energien teilen sich auf in etwa 5 % Wasserkraft, 9 % Biomasse, 33 % Wind (onshore und offshore zusammen) und 15 % Solarenergie. Bei den fossilen Energien entfallen ca. 17 % auf Braunkohle, 6 % auf Steinkohle und 11 % auf Erdgas. Damit haben wir einen neuen Rekord bei den erneuerbaren Energien. Der Anteil erneuerbarer Energien an der inländischen Stromerzeugung liegt bei 63 %, am Stromverbrauch (inklusive Importe) bei 56 %, da wir auch Strom importieren, dessen Herkunft nicht eindeutig nachvollziehbar ist.
Ein oft genanntes Argument in der politischen Diskussion ist, dass durch den Atomausstieg mehr Kohleverstromung nötig sei, was den Strommix deutlich CO₂-intensiver mache. Bruno widerlegt diese These. Zwar gab es 2022 eine steigende Kohleverstromung, was aber an der Gaskrise und einer Stromerzeugungskrise in Frankreich lag. Seitdem sind die CO₂-Emissionen und die Kohleverstromung jedoch deutlich zurückgegangen. Die aktuelle Kohleverstromung liegt auf dem Niveau von 1957.
Zum Thema Stromimporte erklärt Leonard, dass Deutschland seit 2017, nach einem Rekordjahr mit 53 TWh Stromexport, einen rückläufigen Trend beim Export verzeichnet. 2024 liegen wir bei einem Importsaldo von 26 TWh. Das liegt daran, dass Deutschland keine neuen fossilen Kraftwerke baut und der Preis für CO₂-Emissionszertifikate deutlich gestiegen ist. Diese Entwicklung hat nichts mit Versorgungssicherheit zu tun, da der europäische Strommarkt so aufgebaut ist, dass Strom immer dort produziert wird, wo es am kosteneffizientesten ist.
Auf die Frage, ob wir uns Sorgen um Blackouts machen müssen, antwortet Leonard: Nein. Selbst bei Preisspitzen gibt es mehrere Schutzmechanismen, wie Reservekraftwerke und Regelenergiemärkte, die sicherstellen, dass die Versorgung aufrechterhalten wird. Deutschland hält derzeit 13 GW an Reservekapazitäten bereit. Der Trigger für den Einsatz dieser Reservekraftwerke liegt bei einem Strompreis von 4000 €/MWh im Day-Ahead-Markt, der bisher nicht erreicht wurde.
Zum Thema Preise erklärt Bruno, dass die Haushaltsstrompreise in Deutschland hoch sind, aber im Vergleich zur Kaufkraft vertretbar. Industriestrompreise liegen im europäischen Mittelfeld. Der hohe Ausbau der erneuerbaren Energien und die steigenden Netzentgelte tragen dazu bei, dass Strompreise in Deutschland höher sind als in skandinavischen Ländern mit günstiger Wasserkraft.
Abschließend betont Leonard, dass ein Wiedereinstieg in die Kernkraft in Deutschland ökonomisch und technisch nicht sinnvoll wäre. Die Zukunft liegt in einem flexiblen Stromsystem, das auf erneuerbaren Energien basiert und durch Reservekapazitäten ergänzt wird. Zwar hat Frankreich mit seiner hohen Kernkraftkapazität noch keine unmittelbaren Probleme, aber langfristig wird auch dort der Ausbau erneuerbarer Energien notwendig sein, um den steigenden Strombedarf zu decken.