Einordnung Medien Reitschuster Tichy Multipolar Nachdenkseiten Achgut

Im Folgenden finden Sie eine erweiterte Übersicht, in der nun auch NachDenkSeiten, Achse des Guten (Achgut) und Jung & Naiv vergleichend eingeordnet werden. Damit haben wir insgesamt sechs „alternative“ bzw. meinungsstarke Medienplattformen, die häufig außerhalb des klassischen Mainstreams agieren oder bewusst eine Gegenposition zum etablierten Journalismus einnehmen. Die Übersicht umfasst:

1. Reitschuster

2. Multipolar

3. Tichys Einblick

4. NachDenkSeiten

5. Achse des Guten (Achgut)

6. Jung & Naiv

Zunächst werden die „Neuzugänge“ beschrieben; anschließend folgt eine tabellarische Kurz-Zusammenfassung aller sechs Portale.

4. NachDenkSeiten

4.1 Hintergrund und Selbstverständnis

• Gründung: 2003 von Albrecht Müller (ehemaliger SPD-Politiker und Wahlkampfmanager für Willy Brandt) und Wolfgang Lieb (ehem. Regierungssprecher in NRW).

• Selbstverständnis: Sie sehen sich als „Alternative zur Mainstreampresse“ und möchten „Gegenöffentlichkeit“ schaffen. Der Fokus liegt ursprünglich darauf, neoliberale und wirtschaftsliberale Strömungen zu kritisieren sowie „Meinungsmanipulation“ in den Medien aufzudecken.

4.2 Politische und inhaltliche Ausrichtung

• Grundsatz: Sozialkritisch, eher links

• Historisch eng an SPD/sozialdemokratische Ideen angelehnt; heute kritisieren sie aber zunehmend auch die SPD, wenn sie als zu neoliberal wahrgenommen wird.

• In Themen wie Sozialstaat, Friedenspolitik, Rentenpolitik und Arbeitsmarkt befürworten sie eher keynesianische bzw. sozialdemokratische Lösungen.

• Kritik an neoliberalen Medien und Eliten

• Sie hinterfragen oft transatlantische Bündnisse, Lobbyismus und Großkapital.

• Gleichzeitig Skepsis gegenüber (zu) starker US-Dominanz oder NATO-Einsätzen.

• Corona- und Ukraine-Debatten

• In jüngerer Zeit auffällig regierungskritisch gegenüber Corona-Maßnahmen (aber meist sachlicher im Ton als reine „Querdenker-Portale“)

• In der Ukraine-Frage sind sie eher friedensorientiert, was manchen Beobachtern zu russlandfreundlich erscheint.

4.3 Tonalität und Stil

• Analytische Texte, teils lange Essays

• Viele Gastbeiträge von (ehemals) etablierten Journalisten, Wirtschaftswissenschaftlern oder Politikern.

• Aufklärerisches Motto: „Lesen, was andere nicht schreiben“.

• Gemeinschaftsorientierte Redaktion: Häufig Kommentare und Diskussionen mit Lesern, auch Leserbriefe werden ausführlich thematisiert.

5. Achse des Guten (Achgut)

5.1 Hintergrund und Selbstverständnis

• Gründer und Hauptautoren: Henryk M. Broder, Dirk Maxeiner und andere Journalisten und Publizisten.

• Selbstverständnis: „AchGut“ bezeichnet sich als liberal-konservative Meinungsseite, möchte politisch inkorrekte Sichtweisen zulassen und kritisiert vor allem „Gutmenschen“-Mentalität, Bevormundung und Political Correctness.

5.2 Politische und inhaltliche Ausrichtung

• Liberal-konservativ, provokant

• Gesellschaftskritik an vermeintlichen links-grünen „Moralaposteln“.

• Skepsis gegenüber Multikulturalismus, Gender-Politik, Klimabewegung (Fridays for Future).

• Kritik an Islamismus und Integrationspolitik

• Insbesondere Henryk M. Broder ist bekannt für polemische Beiträge gegen politische Islam-Verharmlosung.

• Wirtschaftlich eher marktorientiert

• Staatliche Eingriffe werden kritisch gesehen, man plädiert häufig für mehr Freiheit des Einzelnen.

5.3 Tonalität und Stil

• Polemisch, pointiert

• Titel und Artikel sind oft sarkastisch, spöttisch, mit starkem Meinungsakzent.

• Stark personengeprägt

• Zentralfigur ist Henryk M. Broder (langjähriger Spiegel- und Welt-Autor). Auch andere Autorinnen und Autoren sind bekannt für polemische Zuspitzung.

• Offene Kommentarbereiche

• Bisweilen lebhaftes Forum, mit Zustimmung aus konservativen, rechtsliberalen und eurokritischen Kreisen.

6. Jung & Naiv

6.1 Hintergrund und Selbstverständnis

• Gründer: Tilo Jung, ehemaliger Radiomoderator.

• Format: YouTube-Interviews, teils stundenlang, mit Politikern, Journalisten, Experten. Bekannter Slogan: „Politik für Desinteressierte“.

• Selbstverständnis: Das Format will Politik „naiv“ hinterfragen und ohne journalistische Floskeln oder etablierte Denkweisen auskommen. Hauptidee ist ein spielerischer, offener Fragestil, der Zusammenhänge verdeutlicht.

6.2 Politische und inhaltliche Ausrichtung

• Nominal überparteilich

• Tilo Jung betont, dass er alle Parteien und Personen interviewt und keine parteipolitische Agenda hat.

• Allerdings wird ihm von Kritikern gelegentlich eine Nähe zu linken und grünen Ideen unterstellt, da er progressive Themen (Klima, soziale Gerechtigkeit) sympathisch behandelt.

Einschub, definitiv! aund immer schön klimaalarmistisch und Klimakrise!

• Umfassende Interviews

• Lange Gespräche mit Politikern (von SPD, Grünen, Linken, FDP, CDU/CSU, teils auch AfD) – dadurch zumindest formell eine große Bandbreite.

• Skepsis gegenüber Regierung und Medien

• Jung stellt oft kritische Fragen zu Lobbyeinflüssen, Verteidigungsetats, Interventionen etc. – das wirkt progressiv-aufklärerisch, kann aber auch von alternativen Szenen gefeiert werden.

6.3 Tonalität und Stil

• Locker, teils provokant

• Tilo Jung tritt bewusst „naiv“ auf, stellt Kinderfragen („Was ist die NATO, als wäre ich ein Fünfjähriger?“), was die Interviewpartner aus ihrer Komfortzone locken soll.

• Videobasiert, ungekürzt

• Hohe Authentizität: Die Zuschauer erleben die Interviews ohne große Schnitte, wodurch man einen tieferen Einblick in Argumentationsmuster bekommt.

• Zielgruppe

• Jüngere, politisch interessierte Menschen, die nicht nur klassische Talkshows konsumieren möchten.

7. Kompakter Vergleich aller sechs Portale

Die folgende Tabelle fasst alle sechs Medien (inkl. der bereits erwähnten Reitschuster, Multipolar, Tichys Einblick) in ihren Grundzügen zusammen:

Medium Hintergrund / Gründer Selbstbild Politische Tendenz Themenfokus Stil / Tonalität

Reitschuster Boris Reitschuster (ehem. Focus-Korrespondent) Unabh. Journalist, Regierungskritiker Rechtsliberal bis rechts-populistisch Corona-Kritik, Opposition gegen Regierung Polemisch, zugespitzt, stark personenzentriert

Multipolar Paul Schreyer u. a. (Journalisten, „Alternativ“) Systemkritisch, crowdfinanziert Schwer fixierbar, teils „Querdenker“-nah Geopolitik, Medienkritik, Grundrechte Analytische Essays, skeptisch, detailversessen

Tichys Einblick Roland Tichy (ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche) Liberal-konservativ, gegen „Mainstream“ Konservativ-liberal, teils AfD-nah Wirtschaft, Staat, Migrations- & Klimakritik Pointiert, meinungsstark, polemische Zuspitzung

NachDenkSeiten Albrecht Müller, Wolfgang Lieb (SPD-Hintergrund) Alternativ, linkskritisch, pro-Sozialstaat Links/sozialdemokratisch geprägt Neoliberalismus-Kritik, Friedenspolitik, Medienkritik Längere Texte, analytisch, eher ruhig im Ton

Achse des Guten Henryk M. Broder, Dirk Maxeiner u. a. Liberal-konservativ, provokant Meist rechts-liberal, anti-PC Kritik an Political Correctness, Islamismus, Klimaschutz-Bewegung Sarkastisch, polemisch, spöttisch

Jung & Naiv Tilo Jung (YouTuber, Interview-Format) Politik „naiv“ erklären, überparteilich Progressiv-liberal (manchmal links verortet) Lange Interviews, alle Parteien/Positionen Locker, videobasiert, ungekürzt, „naiver“ Frager

8. Abschließendes Fazit

• Grundlage: All diese Medien verstehen sich als Gegenstimme zum etablierten Journalismus oder wollen zumindest neue Perspektiven eröffnen.

• Positionen und Zielgruppen:

1. Reitschuster, Tichys Einblick und Achse des Guten überschneiden sich in einer eher konservativ-liberal bzw. rechtsliberal orientierten Kritik an Regierung, EU und (vermeintlich) linken oder grünen Ideen.

2. Multipolar ist schwer in klassische Links-Rechts-Schemata einzuordnen, neigt aber zu systemkritischen und regierungsfernen Positionen (ähnlich „Querdenker“-Umfeldern).

3. NachDenkSeiten hingegen sind klar sozialkritisch/links und richten sich gegen neoliberale Strukturen, transatlantische Eliten und Militarismus.

4. Jung & Naiv will (formal) überparteilich bleiben und hinterfragt Politik in langen Gesprächen; man wirft Tilo Jung jedoch gelegentlich vor, tendenziell linksliberale bis grüne Themen sympathisch zu behandeln.

• Stil & Ton:

• Von polemisch (Reitschuster, Achgut, Tichy) bis eher sachlich-analytisch (Multipolar, NachDenkSeiten).

• Jung & Naiv betont Dialog und Ungekürztheit, wodurch ein anderer Eindruck entsteht als bei stark meinungsgetriebenen Text-Portalen.

• Vorsicht bei Einordnung:

• Die Selbstbeschreibung eines Mediums („wir sind nur kritisch/unabhängig“) deckt sich nicht immer mit der Fremdwahrnehmung.

• Viele dieser Medien polarisieren sowohl ihre Anhängerschaft als auch ihre Kritiker.

• Nutzen für Leser:

• Bei allen Plattformen sollte man die Quellen, Argumentationsmethoden, Tonlage genau prüfen.

• Vergleich mit klassischen Medien (FAZ, SZ, Tagesschau, etc.) oder anderen alternativen Medien hilft, ein breiteres Bild zu erhalten und mögliche Verzerrungen zu erkennen.