https://www.computerwoche.de/article/2818475/wenn-schwarzmaler-das-klima-stoeren.html
Die von Ihnen geschilderte Situation lässt sich aus mehreren Perspektiven betrachten und erklären. Oft kommen in solch einer „negativen Abwärtsspirale“ gleich mehrere Faktoren zusammen, die sich gegenseitig verstärken:
1. Fehlende oder schwache Führung
• Unklare Ziele und fehlende Strategie: Wenn die Führungsebene keine klare Vision und keine nachvollziehbaren Ziele vorgibt, entsteht Orientierungslosigkeit. Mitarbeitende wissen nicht, worauf sie hinarbeiten, und es wird schwieriger, sich zu motivieren.
• Mangelnde Kommunikation: Wenn Führungskräfte kaum Rückmeldungen geben, nicht vermitteln, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden, und generell wenig Präsenz zeigen, fühlt sich die Belegschaft alleingelassen.
2. Organisationskultur und gruppendynamische Effekte
• Fingerpointing und Schuldzuweisungen: Sobald sich in einer Abteilung oder einem Team der Frust staut, neigt man dazu, sich eher auf Fehler zu fokussieren, als Lösungen zu finden. „Wir gegen die da oben“ oder „Wir gegen die Kollegen im anderen Bereich“ wird zum ständigen Begleitgefühl.
• Negativspirale (Zynismus und Resignation): Wenn Mitarbeitende merken, dass ihre Anstrengungen nicht wahrgenommen oder wertgeschätzt werden, breitet sich Zynismus aus. Es herrscht eine Haltung von „Warum soll ich mich anstrengen? Bringt ja doch nichts.“
• Selbsterfüllende Prophezeiung: Eine negative Erwartungshaltung an neue Kollegen (z. B. „Die können eh nichts.“) führt dazu, dass diese neuen Kollegen weniger Unterstützung oder Vertrauen erfahren – und damit tatsächlich oft schlechter performen.
3. Mangel an Ressourcen und Überlastung
• Personal- und Fachkräftemangel: Viele IT-Abteilungen, gerade im öffentlichen Sektor, leiden unter einem Mangel an Fachkräften. Das bedeutet: Mehr Aufgaben für weniger Leute. Eine chronische Überlastung führt zu Dauerstress und Burnout-Tendenzen.
• Budgetknappheit: Öffentliche Verwaltungen müssen ihre IT-Investitionen oft stark rechtfertigen. So wird an Schulungen, Weiterentwicklungen oder Modernisierung gespart. Fehlendes Budget und fehlende Tools verstärken das Gefühl von „Wir kommen nicht voran“.
4. Fehlende Anerkennung und Weiterentwicklung
• Wenig Wertschätzung: In vielen Behörden sind IT-Themen nur „Mittel zum Zweck“. Das Fachwissen von Systemadministratoren wird oft als selbstverständlich angesehen. Das Gefühl, nur als „Support“ statt als strategische Partner wahrgenommen zu werden, kann frustrieren.
• Geringe Perspektiven: Wer langfristig keine Aussicht auf Entwicklung (z. B. Weiterbildung, Interessante Projekte, Beförderungen) sieht, verliert leicht die Motivation.
5. Strukturelle Rahmenbedingungen und Bürokratie
• Hohes Maß an Regularien: Öffentliche Verwaltungen sind häufig stark reglementiert und träge. Entscheidungsschleifen dauern sehr lange, Beschaffungen ziehen sich hin, und so entstehen Frust und das Gefühl der Ohnmacht („Da können wir eh nichts ändern.“).
• Fehlender Gestaltungsrahmen: Selbst gute Ideen können oft nicht umgesetzt werden, weil starre Vorschriften und Hierarchieebenen im Weg stehen.
Was diese Situation begünstigt und verstärkt
• Verstärkung durch Alltagsstress: In IT-Abteilungen – vor allem in der Systemadministration – tauchen ständig akute Probleme auf. Wenn sich diese akute „Feuerwehrarbeit“ mit organisatorischem Druck (z. B. „Die Projekte müssen durch, egal wie“) paart, bleibt kaum Zeit, strukturelle Probleme und die eigene Motivation zu reflektieren.
• Psychologische Sicherheit fehlt: Ein Klima, in dem man Fehler offen ansprechen kann, ohne gleich den Zorn der Vorgesetzten oder Kollegen auf sich zu ziehen, ist essenziell, um konstruktiv zusammenzuarbeiten. Fehlt dieses „Fehler-zugebende“ Klima, kommt es automatisch zu Fingerpointing.
• Gruppendepression (oder Organisationszynismus): Wenn viele Mitarbeitende dieselben negativen Überzeugungen teilen („Der Laden ist marode“, „Die da oben haben keine Ahnung“), steigt die Anfälligkeit für eine regelrechte „Gruppen-Depression“: Alle bekräftigen sich gegenseitig in ihrer Resignation.
Mögliche Gegenmaßnahmen auf einen Blick
1. Führung und Strategie
• Klare Kommunikation von Zielen, Entscheidungen und Prioritäten.
• Kontinuierliches Feedback und regelmäßiger Austausch mit den Teams.
2. Strukturelle Verbesserungen
• Ressourcen realistischer einplanen, Budget für Schulungen bereitstellen und Weiterentwicklung ermöglichen.
• Bürokratische Hemmnisse identifizieren und – wo möglich – vereinfachen.
3. Kulturwandel
• Eine Vertrauenskultur schaffen, in der Fehler als Lernchancen gesehen werden.
• Positives Feedback fördern, Erfolge und gute Leistungen würdigen.
4. Teamentwicklung und Wertschätzung
• Gemeinsame Team-Workshops, in denen Arbeitsabläufe reflektiert und neue Wege erarbeitet werden.
• Klare Rollen- und Aufgabenverteilung, sodass Leistung erkennbar ist und Anerkennung findet.
5. Motivation der „Neuen“
• Neue Kollegen brauchen oft mehr Einarbeitungszeit und aktive Unterstützung, insbesondere wenn die Systeme komplex sind.
• Ein systematisches Onboarding, Mentoring durch erfahrene Kollegen und das Schaffen positiver Erfolgserlebnisse kann Motivation steigern.
Fazit:
Der geschilderte Zustand erklärt sich durch ein Zusammenspiel aus Führungsschwäche, ungünstiger Organisationskultur, fehlender Wertschätzung und hohen strukturellen Hindernissen. In einer solchen Gemengelage reichen punktuelle Maßnahmen meist nicht aus – es bedarf einer bewussten und ganzheitlichen Anstrengung der Verantwortlichen (und idealerweise aller Mitarbeitenden), um die Abwärtsspirale zu durchbrechen und wieder zu einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre zu kommen.