Titel: Globale Diversifikation und Währungsrisiko – Eine Untersuchung am Beispiel des „Global Portfolio One“
1. Einleitung
Die Idee, ein weltweit gestreutes Portfolio zu kaufen, ist unter Anlegerinnen und Anlegern weit verbreitet. Eine verbreitete Annahme dabei ist, dass man auf diese Weise langfristig eine gewisse „Sicherheit“ gegen den vollständigen Wertverlust seines Vermögens gewinnt. Im Zentrum der Argumentation steht dabei oft die These, dass „die Weltwirtschaft als Ganzes nicht pleitegehen kann“.
Ein konkretes Beispiel für eine solche Strategie stellt das „Global Portfolio One“ dar, das aus mehreren tausend Unternehmen weltweit besteht und über ETFs in verschiedene Branchen und Regionen investiert. Hinzu kommt die Überlegung, gezielt (Nach-)Käufe nach Kursrückgängen vorzunehmen (z. B. nach einem Rückgang um 20 %). Doch selbst wenn die globale Streuung das Ausfallrisiko einzelner Firmen reduzieren kann, ist immer wieder von einem nicht zu unterschätzenden Währungsrisiko die Rede.
In dieser kurzen „Doktorarbeit“ soll daher untersucht werden, inwiefern das Währungsrisiko in einem stark diversifizierten, globalen Portfolio tatsächlich ins Gewicht fällt – und ob die oben genannte These, dass sich „über die ganze Welt hinweg das Währungsrisiko wieder ausgleicht“, einer näheren Betrachtung standhält.
2. Problemstellung und Fragestellung
Die Kernfrage lautet:
„Kann ein breit gestreutes, globales ETF-Portfolio das Währungsrisiko so stark reduzieren, dass es im Wesentlichen vernachlässigbar wird – oder bleibt trotz globaler Diversifikation ein substanzielles Währungsrisiko bestehen?“
Daraus ergeben sich weitere Teilfragen:
1. Welche Rolle spielt das Währungsrisiko grundsätzlich bei internationalen Kapitalanlagen?
2. Wie funktioniert die Streuung in einem globalen ETF, und inwiefern kann sie das Währungsrisiko mindern?
3. Welche Faktoren können dazu führen, dass trotz globaler Diversifikation ein Währungsrisiko bleibt?
4. Welche Rolle spielt der „gesamte Wohlstandsverlust“ durch globale Krisen oder Inflation in diesem Zusammenhang?
3. Theoretische Grundlagen
3.1. Währungsrisiko (Currency Risk)
Das Währungsrisiko entsteht durch Schwankungen der Wechselkurse zwischen den Währungen verschiedener Länder. Beispiel: Ein europäischer Investor kauft in US-Dollar notierte Aktien. Fällt der US-Dollar gegenüber dem Euro, kann der Gewinn (oder Verlust) in Euro-Maßstäben anders ausfallen als in US-Dollar. Bei globalen Investments gibt es dieses Wechselkursphänomen prinzipiell mit jeder Fremdwährung.
3.2. Globale Diversifikation
Diversifikation soll das Risiko von Einzelanlagen abmildern, indem man in unterschiedliche Länder, Branchen und Währungen investiert. Der Kern dieser Strategie ist, dass Verluste einzelner Assets durch Gewinne anderer Assets zumindest teilweise kompensiert werden können. Ein weltweiter ETF (z. B. ein MSCI-World-ETF oder ein All-Country-World-ETF) bündelt Aktien vieler Regionen und Branchen in einem einzigen Produkt.
3.3. „Die Welt kann nicht pleitegehen“
Der oft etwas flapsige Satz „Die Weltwirtschaft kann nicht pleitegehen“ spiegelt die Überzeugung wider, dass die Menschheit insgesamt wirtschaftliche Aktivitäten immer weiterführt, Innovation betreibt und Wertschöpfung generiert. Geht es einem Land oder Kontinent langfristig schlechter, so gibt es andere Regionen, die prosperieren. Innerhalb eines weltweit gestreuten Portfolios können so negative Entwicklungen einzelner Regionen durch die positive Entwicklung anderer Regionen abgefedert werden.
Die pauschale Annahme jedoch, dass es „überall immer nur aufwärts geht“, ist ein Trugschluss. Sehr wohl kann sich das Niveau des globalen Wirtschaftswachstums verlangsamen – oder es kann globale Krisen geben, die alle Länder in Mitleidenschaft ziehen (z. B. eine globale Pandemie oder ein weltweiter Finanzcrash). Das Ausfallrisiko der gesamten Welt ist zwar äußerst gering – aber Krisen und Abwärtsphasen bleiben (auch global) real.
4. Empirische Evidenz und Argumentation
4.1. Historische Beobachtungen zu Wechselkursen
Historisch betrachtet gab es immer wieder Phasen extremer Wechselkursschwankungen (z. B. zwischen Euro und US-Dollar in den frühen 2000er-Jahren, oder dem britischen Pfund vor und nach dem Brexit). Ein globales Portfolio, das viele Währungsräume abdeckt, ist solchen Schwankungen in gewisser Weise „ausgesetzt“.
Allerdings verringert sich das relative Risiko einzelner Währungen im Durchschnitt, wenn man mehrere Währungsräume gleichzeitig hält. So können sich Wechselkurse teilweise gegenseitig „ausgleichen“. Die Volatilität, die auf eine einzelne Währungskonstellation zurückzuführen ist, nimmt mit zunehmender globaler Diversifikation üblicherweise ab.
4.2. Reale Renditen im Vergleich zu nominalen Renditen
Selbst wenn Wechselkursschwankungen ein bestimmtes Maß an Risiko erzeugen, ist für Langzeitanlegerinnen und -anleger entscheidend, welche Rendite sie nach Abzug der Inflation und Wechselkurseffekte erzielen. Ein weltweit anlegender Euro-Investor kann von der Dynamik in Asien oder den USA profitieren – gleichzeitig können Währungsgewinne oder -verluste das Endergebnis beeinflussen.
Nichtsdestotrotz zeigt die Vergangenheit, dass die globalen Aktienmärkte (in ihrer Gesamtheit) langfristig immer wieder zu realem Wachstum und steigenden Unternehmensgewinnen führen. Wer global investiert, profitiert tendenziell von wirtschaftlichem Fortschritt über Grenzen hinweg. Einzelne Währungsabwertungen und -aufwertungen mitteln sich im Zeitverlauf oft aus – zumindest teilweise.
4.3. Phasen synchroner Abschwünge
Trotz Globalisierung können Wirtschaftskrisen (z. B. Bankenkrisen, COVID-19-Pandemie) global wirken und in nahezu allen Assetklassen und Währungsräumen für Turbulenzen sorgen. In solchen Fällen kann es zwar sein, dass das gesamte Portfolio stark an Wert verliert, und ein „Währungsgefälle“ ist dann nur ein Teilaspekt des Gesamtproblems. Global diversifiziert zu sein, mindert das systemische Risiko zwar nicht vollständig, aber in der Regel reagiert beispielsweise der US-Aktienmarkt anders als der europäische oder asiatische – je nach Krisenherd.
4.4. Währungshedging vs. natürliche Absicherung
Manche Anlegerinnen und Anleger gehen noch einen Schritt weiter, indem sie bestimmte Fondsvarianten nutzen, die Währungsrisiken durch sogenannte „Hedges“ systematisch reduzieren (z. B. mittels Devisentermingeschäften). Diese Vorgehensweise ist jedoch oft teurer und kann eigene Risiken (z. B. Kosten, Gegenpartei-Risiko) mit sich bringen. Wer stattdessen einfach breit gestreut weltweit investiert, betreibt im Grunde eine „natürliche“ Absicherung, indem er eben nicht nur in eine einzige Fremdwährung investiert, sondern in viele.
5. Kritische Diskussion
1. Bleibt ein Restrisiko?
Ja, ein Restrisiko bleibt. Selbst bei einem global diversifizierten Portfolio kann es Zeiten geben, in denen das gesamte globale Marktumfeld leidet (z. B. Finanzkrisen). Ferner kann ein einzelner Investor relativ zu seiner Heimatwährung durch ungünstige Wechselkursentwicklungen Verluste erleiden, obwohl das Portfolio nominal in Fremdwährung gewachsen ist.
2. Ist das Währungsrisiko wirklich „ausgeglichen“?
„Ausgleichen“ bedeutet nicht, dass sich Währungsbewegungen vollständig neutralisieren. Vielmehr haben Sie tendenziell eine niedrigere Volatilität aufgrund der Mischung vieler Währungen. Dennoch können Phasen existieren, in denen z. B. der US-Dollar massiv an Wert gewinnt, was für eine/n Euro-Investor/in positiv sein kann, oder umgekehrt. Ein 100%iger Ausgleich ist illusorisch – aber die Diversifikation senkt das Klumpenrisiko.
3. Weltweiter Wohlstandsverlust
Wenn man das Szenario einer globalen Rezession oder weltweiten Wirtschaftskrise denkt, kann auch ein globaler ETF stark im Wert fallen (nominal wie real). Allerdings wäre es in einem solchen Szenario für alle Assetklassen schwierig. Typischerweise sind Aktien auf lange Sicht durch ihre Teilhabe an der Produktivität der Unternehmen dennoch immer noch eine Anlageklasse, die sich erholen kann – vorausgesetzt, die Weltwirtschaft erholt sich insgesamt.
4. Langfristiger Fokus
Wer in einen globalen ETF investiert, sollte idealerweise einen Anlagehorizont von mindestens 10 bis 15 Jahren im Blick haben. Das erlaubt, etwaige Währungs- und Marktvolatilitäten zu überstehen und von langfristigen Wachstumsphasen zu profitieren.
6. Fazit
Die Kernaussage, dass man durch ein global gestreutes Portfolio mit über 8000 Unternehmen (in Form eines oder mehrerer ETFs) das Währungsrisiko zumindest stark reduzieren kann, stimmt weitgehend. In der Tat „neutralisiert“ sich das Risiko einzelner Währungen in einem breit angelegten Portfolio, weil man nicht auf eine einzige Währung angewiesen ist. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit gravierender Verluste, die allein auf Wechselkursschwankungen einer spezifischen Währung zurückzuführen sind.
Gleichwohl sollte man sich bewusst sein, dass
• ein Restrisiko durch globale Krisen oder synchronisierte Abschwünge bestehen bleibt,
• das Währungsrisiko nicht zu 100% verschwinden kann (man ist als Investor/in immer noch in diversen Fremdwährungen investiert), und
• langfristige Erholungs- und Wachstumsphasen (trotz gelegentlicher globaler Krisen) den wesentlichen Antrieb für eine positive Renditeentwicklung darstellen.
Die Theorie, dass sich das Währungsrisiko in einem breit angelegten Weltportfolio im Wesentlichen ausgleicht, ist somit nicht vollkommen falsch, sondern durchaus fundiert – mit der Einschränkung, dass „ausgleichen“ nicht mit „vollständig eliminieren“ gleichzusetzen ist. Als Langzeitstrategie kann der Kauf eines globalen ETFs oder entsprechend diversifizierter ETFs in der Tat eine sehr solide Grundlage für den Vermögensaufbau und die Risikoreduktion bieten.
Insgesamt ist das Vertrauen in ein stark diversifiziertes, globales Portfolio (wie das „Global Portfolio One“) – kombiniert mit einer antizyklischen Kaufstrategie (Käufe nach z. B. 20% Kursrückgang) – ein plausibler Ansatz, um langfristig von den globalen Wirtschaftsentwicklungen zu profitieren und dabei das Währungs- und Marktrisiko zu verteilen.
Literaturhinweise (Beispielhaft)
• Bodie, Z., Kane, A., & Marcus, A. (2017). Investments (11th ed.). McGraw-Hill.
• Fama, E. F., & French, K. R. (1992). The Cross-Section of Expected Stock Returns. The Journal of Finance, 47(2), 427–465.
• Markowitz, H. (1952). Portfolio Selection. The Journal of Finance, 7(1), 77–91.
• MSCI Barra. (fortlaufend). MSCI World/ACWI Index Factsheets.
• Sharpe, W. F. (1964). Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium under Conditions of Risk. The Journal of Finance, 19(3), 425–442.
(Hinweis: Diese Literaturangaben sind zur Veranschaulichung genannt und umfassen verschiedene klassische Werke zur Portfoliotheorie sowie gängige Anbieterinformationen.)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ihre Theorie – global zu investieren, um das Einzelwährungsrisiko zu vermeiden und von der gesamten Weltwirtschaft zu profitieren – eine starke Grundlage hat. Währungsrisiken lassen sich nicht zu 100% ausschalten, werden aber durchaus verringert. Und solange Sie langfristig denken und Schwankungen aussitzen können, ist ein global diversifiziertes Portfolio in ETFs eine etablierte und meist sinnvolle Strategie.