Ep. 338 | DAS GOLD IN FORT KNOX Polleit

Nachfolgend eine ähnliche, nüchterne Einordnung wie zuvor zu „Hoss & Hopf“, diesmal jedoch über Dr. Thorsten Polleit: Wer ist er, welche ideologischen Positionen vertritt er, wo könnte man ihn im Spektrum verorten und gibt es Anzeichen, dass er Teil eines Netzwerks wie Atlas (oder mit Mercer usw.) verbunden ist?


1) Wer ist Thorsten Polleit?

  • Werdegang und Positionen
    • Geboren 1967, promovierter Volkswirt (Dr. rer. pol.), von Haus aus Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie (Austrian Economics), die ihren Fokus auf freies Marktgeld (statt Staatsgeld) und den Goldstandard legt.
    • Er war unter anderem Chefvolkswirt bei Degussa (Edelmetallhändler) und ist als Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management tätig.
    • Polleit ist zudem mit dem deutschen Ableger des US-amerikanischen „Ludwig von Mises Institute“ verbandelt (teils im Vorstand oder als Berater/Autor).
  • Inhaltlicher Schwerpunkt
    • Polleit schreibt und spricht sehr häufig über Geldtheorie, Gold und Währungssysteme.
    • Zentraler Kritikpunkt: Er betrachtet Fiatgeld (also staatliches Papiergeld) und Zentralbanken (z. B. die EZB oder die Fed) als Problem, da sie seiner Meinung nach für Inflation, Boom-und-Bust-Zyklen und Umverteilung verantwortlich sind.
    • Er plädiert für eine Rückkehr zu hartem Marktgeld (historisch Goldstandard, inzwischen ggf. auch Privatwährungen, die frei im Wettbewerb entstehen) und für stark begrenzte Rolle des Staates in Geldangelegenheiten.
    • Politisch ist er deutlich wirtschaftsliberal bis libertär – d. h. Skepsis gegenüber staatlicher Regulierung, dem „Umbau“ der Gesellschaft durch Notenbankpolitik, Eingriffe der Politik ins Eigentum usw.

2) Gibt es Hinweise auf Verbindungen zum Atlas Network / Mercer & Co.?

  • Atlas Network
    • Das Atlas Network ist ein globales Netzwerk liberal-libertärer Thinktanks (gegründet in den USA), das häufig über Geldgeber wie die Koch-Brüder, Mercer etc. diskutiert wird.
    • In Europa und Deutschland gehören verschiedene Institute zum weiter gefassten Spektrum wirtschaftsliberaler/ libertärer Organisationen, aber es ist keine pauschale „geheime“ Struktur.
  • Thorsten Polleit und mögliche Verbindungen
    • Polleit gehört – soweit öffentlich bekannt – nicht direkt zu einem der großen Thinktanks, die formell Teil des Atlas Network sind (z. B. Cato Institute, Heritage Foundation etc.).
    • Seine Nähe zur Österreichischen Schule erklärt sich eher durch seine enge Verbindung mit dem Ludwig von Mises Institute, das (vor allem in den USA) wiederum privat finanziert wird. Es gibt Überschneidungen im Geist mit Atlas-nahen Kreisen, allerdings kein offizielles Sponsoring, das offengelegt wäre.
    • Konkrete, belegbare Förderungen durch Mercer oder Koch-Brothers finden sich in Polleits Publikationen/Profil nicht.

Fazit: Keine eindeutige oder belegte Zugehörigkeit zu Atlas oder Mercer-Gruppierungen; man findet lediglich inhaltliche Übereinstimmungen (harter Marktliberalismus, staatsskeptische, goldfreundliche Sichtweisen).


3) Sind seine Inhalte „Betrug“ oder ist er nur ein „Opfer“?

  • Betrugsvorwürfe?
    • Dr. Polleit gilt als ein anerkannter Fachmann im Bereich Gold und Geldtheorie aus (rechts-)libertärer Perspektive. Dass er „betrügt“, ist nicht ersichtlich – es gibt keine belegten Skandale oder Ermittlungen gegen ihn.
    • Sein Geschäftsmodell liegt eher darin, Analysen, Berichte (Boom & Bust Report) und Bücher zu verkaufen bzw. als Vortragsredner aufzutreten. Das ist übliches Vorgehen in der Finanz- und Wirtschaftspublizistik.
    • Er vertritt zwar polemische Thesen gegenüber dem „Staatsgeld“; ob man das als Übertreibung oder seriöse Kritik einstuft, hängt vom eigenen wirtschaftlichen Weltbild ab.
  • Ist er „Opfer“ eines libertären Weltbildes?
    • Als Akademiker hat Polleit seine Positionen fundiert dargelegt (z. B. in Fachaufsätzen, Büchern). Er spricht sich konstant für Goldstandard und „freies Marktgeld“ aus. Das ist weniger ein „Opfersein“, sondern seine bewusste schul- und ideologiebezogene Überzeugung (Österreichische Schule).
    • Man kann mit ihm übereinstimmen oder nicht; er ist jedenfalls kein unreflektierter „YouTuber“, der nur eine Verschwörungslinie kopiert. Vielmehr argumentiert er ökonomisch-theoretisch und steht politisch eindeutig auf der libertär-marktradikalen Seite.

4) Warum die Nähe zu Verschwörungs- oder Kritik-Narrativen?

  • Gerade in Krisenzeiten (Inflation, Bankenkrisen, Unsicherheit) haben Stimmen, die staatliche Institutionen und Papiergeld kritisieren, Hochkonjunktur. Goldstandard-Befürworter gewinnen oft Zulauf, sobald Ängste vor Wertverlusten oder einer „Fiat-Geld-Krise“ steigen.
  • Polleit legt großen Wert auf die These, dass das heutige Geldsystem ein „faustischer Pakt“ sei, der Bürgern schadet und die Politik zu immer höheren Schulden anstachelt.
  • Er grenzt sich von dem ab, was er als Mainstream-Volkswirtschaftslehre bezeichnet. Diese Zuspitzung kommt in der Youtube-/Online-Welt teils „alarmistisch“ rüber („Ende des Papiergelds“, „Rettung Gold“), ist aber auch Ausdruck klassischer Austrian-Economics-Kritik an unserem Fiatgeldsystem.

5) Fazit

  1. Kein direkter „Atlas Network“-Akteur
    • Es liegen keine konkreten Nachweise vor, dass er von Mercer, Koch-Brothers oder Atlas-Thinktanks gezielt gefördert wird. Seine persönliche Überzeugung basiert auf der Traditionslinie von Mises/Hayek.
  2. Position: Wirtschaftsliberal-libertär, radikale Goldstandard-Befürwortung
    • Polleit ist im deutschsprachigen Raum einer der prononciertesten Vertreter der Österreichischen Schule. Er argumentiert, das staatlich-monopolistische Fiat-Geldsystem sei Fehlkonstruktion und gehöre abgeschafft bzw. durch Marktgeld ersetzt.
  3. Kein bekannter Betrugsvorwurf
    • Dr. Polleit ist ein Publizist mit klarem Standpunkt; er verkauft Analysen, Bücher, Vorträge. Dass er mit Zahlen oder Behauptungen vorsätzlich täuscht, ist nicht nachgewiesen; es handelt sich eher um eine sehr bestimmte ökonomische Sichtweise.
  4. Nicht „Opfer“ – eher ein überzeugter Ideologe
    • Er folgt sehr geradlinig dem Kanon der Austrian Economics, was man als konsequenten Libertarismus interpretieren kann.

Zusammengefasst:
Thorsten Polleit ist kein „geheimes Werkzeug“ des Atlas Network oder Mercers, sondern ein – teils polarisierender – Vertreter der Österreichischen Schule. Er kritisiert das Zentralbank- und Staatsgeldsystem vehement und propagiert Gold sowie marktbasierte Geldreformen. Von „Betrug“ oder einem unfreiwilligen „Opfer-Sein“ kann man nicht sprechen. Er ist vielmehr ein ideologisch gefestigter Ökonom, der auf YouTube und in Schriften sein Weltbild verbreitet und gegen das, was er als „fehlerhaftes Fiatgeld“ ansieht, argumentiert.

Hier ein kurzer Überblick darüber, wer die „Österreichische Schule“ (Austrian Economics) eigentlich ist, was sie will und wo sie im politischen Spektrum ungefähr einzuordnen ist. Außerdem erfährst du, warum diese Denkrichtung in den letzten Jahren wieder vermehrt auftaucht.


1. Ursprünge: Wer waren Mises und Hayek?

  • Ludwig von Mises (1881–1973)
    • War ein österreichischer Ökonom jüdischer Herkunft.
    • Flüchtete 1938 vor den Nationalsozialisten aus Österreich erst in die Schweiz, später in die USA.
    • Gegen jede Vereinnahmung durch den Faschismus oder den Kommunismus, äußerst staatsskeptisch.
  • Friedrich August von Hayek (1899–1992)
    • Ebenfalls Österreicher, einer der bekanntesten Köpfe der „Österreichischen Schule“.
    • 1974 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.
    • Schrieb das berühmte Buch „The Road to Serfdom“ (Der Weg zur Knechtschaft), in dem er zentralstaatliche Planwirtschaft als Weg in eine totalitäre Gesellschaft kritisiert.

Beide galten als klassische Liberale (im US-Sinne „libertär“), also Verfechter von individueller Freiheit, Eigentumsrechten und möglichst wenig staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft.


2. Grundidee der „Österreichischen Schule“

  • Kernthese:
    • Märkte und Preise sollen sich durch Angebot und Nachfrage frei bilden können (statt durch staatliche Regulierung).
    • Der Staat soll vor allem „Nachtwächter“-Funktionen haben (Sicherheit, Justiz) und nicht zu stark in die Wirtschaft eingreifen.
  • Geldsystem:
    • Mises, Hayek und später viele „Österreicher“ befürworten hartes Geld (historisch Goldstandard; heute teils auch Krypto) und sind gegen zentrale Steuerung von Zinsen und Geldmenge durch Notenbanken.
    • Sie meinen, Zentralbanken führen zu künstlichen Boom-Bust-Zyklen (Krisen).
  • Staatsskepsis:
    • Sie sind weder „rechts“ im Sinne von Nationalismus noch „links“ im Sinne von Sozialismus oder Kollektivismus.
    • Vielmehr folgen sie dem klassisch-liberalen oder libertären Ideal: hohe Eigenverantwortung, wenig Regulierung, starke Eigentumsrechte.

Kurz gesagt: Sie waren weder Nazis (ganz im Gegenteil!) noch klassische Linke. Man kann sie am ehesten als libertäre oder marktradikale Denkrichtung einstufen.


3. Warum auf keinen Fall „Nazis“?

  • Historischer Beleg:
    • Mises musste buchstäblich vor den Nazis fliehen, Hayek lehnte jede Form von Totalitarismus entschieden ab.
    • Ihr Gedankengut ist antisozialistisch und antitotalitär – egal ob von rechts oder links.
  • Verwechslung „Austrian“ ≠ „Nazis“:
    • Mit „Österreichische Schule“ ist keine nationalistische Schule gemeint, sondern eine ökonomische Tradition, die durch Carl Menger, später Böhm-Bawerk, Mises, Hayek u. a. in Wien ihren Ursprung hatte.

4. Politische Einordnung: Ist das „rechts“ oder „links“?

  • In der klassischen EU-Definition von rechts/links passt die Österreichische Schule nicht so richtig hinein, weil sie keinen großen Staat will (was teils als „rechts-liberal“ wahrgenommen wird), aber auch keinen Rassismus oder Nationalismus fördert.
  • Man ordnet sie üblicherweise in den libertären / liberalen Bereich ein (in Deutschland würde man am ehesten „wirtschaftsliberal“ sagen).

5. Warum tauchen sie in den letzten Jahren so häufig auf?

  1. Misstrauen gegenüber Zentralbanken
    • Nach Finanzkrisen, Geldmengenausweitung („Geld drucken“) und hoher Inflation sind Theorien gefragt, die Alternativen zum herrschenden Fiat-Geldsystem aufzeigen.
    • „Österreicher“ kritisieren Zentralbanken schon lange – jetzt stoßen sie damit auf wachsende Resonanz.
  2. Aufstieg von Kryptowährungen
    • Viele Befürworter von Bitcoin & Co. verweisen auf Ideen der Österreichischen Schule, wenn sie dezentrale und knappe Währungen propagieren.
    • Genau das passt ins Bild: Mises & Co. wollten kein staatlich beliebig vermehrbares Geld.
  3. Krisenzeiten fördern radikale Ideen
    • In Wirtschaftskrisen, bei Staatsüberschuldung oder Inflationsangst werden Theorien populär, die den Staat kritisieren und „hartes Geld“ als Lösung präsentieren.
    • Das gilt für Teile der Finanzblog-Szene, Krypto-Szene oder bestimmte US-Thinktanks, die sich auf Hayek/Mises berufen.
  4. Allgemeiner Trend zu Gegenmeinungen
    • Im Internet-Zeitalter verbreiten sich alternative ökonomische Erklärungen und Protesthaltungen gegen „Mainstream-Ökonomie“ rasant.
    • Die Österreichische Schule war schon immer eine Minderheitenposition – nun sorgt das Internet dafür, dass solche Minderheitenstimmen sichtbarer werden.

6. Fazit: Wofür stehen sie – kurz gesagt?

  • Ökonomisch: Freie Märkte, Goldstandard (oder vergleichbar „hartes“ Geld), Anti-Sozialismus, Anti-Planwirtschaft.
  • Politisch: Libertärer, „klassisch-liberaler“ Flügel; gegen jede autoritäre Ideologie (ob faschistisch oder kommunistisch).
  • Aktuelle Bedeutung: Steigt in Krisenzeiten, wenn Menschen (besonders in der Finanz- und Kryptoszene) nach Alternativen zum staatlichen Fiatgeld suchen.

Wichtig: Die Österreichische Schule ist weder eine homogene „Partei“ noch sind alle Vertreter identisch radikal. Manche sind pragmatischer, andere sehr dogmatisch. Aber grundsätzlich sind sie sicher keine Nazis und auch nicht „links“ im klassischen Sinne. Sie sind im Kern freiheitlich, marktorientiert und stark staatsskeptisch.

Ob man durch die Lektüre oder das Hören österreichisch-libertärer Ideen („Österreichische Schule“) automatisch in die Arme der AfD oder anderer rechter Parteien getrieben wird, ist ein vielschichtiges Thema. Hier ein möglichst sachlicher Überblick, weshalb die Gefahr nicht ganz so linear ist, aber durchaus gewisse „Berührungspunkte“ entstehen können:


1. Austrian Economics ist nicht automatisch „rechts-populistisch“

  1. Grundhaltung
    • Die Österreichische Schule (Mises, Hayek etc.) ist libertär bzw. klassisch-liberal geprägt. Ihr geht es vorrangig um freie Märkte, Privateigentum, wenig staatliche Regulierung und um hartes Geld (z. B. Goldstandard statt Fiatgeld).
    • Das hat mit nationalistischen Ideen (z. B. Anti-Ausländer-Stimmung) oder völkischer Rhetorik nichts zu tun. Mises war selbst jüdischer Abstammung und floh vor den Nazis.
  2. Abgrenzung zu Rechtspopulismus
    • Rechtspopulistische oder national-konservative Parteien (AfD, FN/Le Pen, Trump-Lager in den USA etc.) betonen häufig nationale Identität, Immigrationsthemen, staatliche Grenzkontrolle usw.
    • Libertäre Ökonomen interessieren sich viel mehr für individuelle Freiheiten und Wirtschaftsfragen als für kollektiven Nationalismus.
    • Das kann sich überschneiden (z. B. in der Kritik an EU-Bürokratie), aber nicht alle libertären Ideen sind deckungsgleich mit AfD-Positionen.

2. Warum stoßen manche Austrian-Economics-Thesen dennoch bei AfD-Anhängern auf Interesse?

  1. Gemeinsamer Nenner „EU-Skepsis“
    • Die AfD ist – zumindest in Teilen – sehr kritisch gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) und Euro-Rettungspaketen.
    • „Österreichische Schule“-Anhänger kritisieren ebenfalls das Zentralbankwesen, „Gelddrucken“, Inflation, Rettungsaktionen.
    • Hier kann es Übereinstimmung geben: Beide Gruppen sehen den Euro (oder die EU-Finanzpolitik) als problematisch.
  2. Protest gegen den „Mainstream“
    • Viele AfD-Wähler (oder allgemein Protestwähler) suchen alternativen Wirtschaftserklärungen, weil sie sich vom „Mainstream“ (GroKo, EU, große Medien) übergangen fühlen.
    • Die Austrian-Economics-Szene tritt oft als alternativ oder „gegen den Strom“ auf und könnte damit dieselben Menschen anziehen, die der AfD nahe sind.
  3. Anti-Eliten-Rhetorik
    • Manche libertäre Influencer oder Hard-Money-Befürworter (Gold, Bitcoin) formulieren ihre Kritik am „Establishment“ (Regierung, Notenbanken) sehr drastisch.
    • Auch rechtspopulistische Bewegungen pflegen eine scharfe Elitenkritik. Wer also grundlegend unzufrieden mit „dem System“ ist, landet mitunter bei Gruppen, die eine ähnliche Empörungs- oder Proteststimmung befeuern – darunter kann auch die AfD fallen.

3. Ist das „gefährlich“ für eine schlecht gebildete Gesellschaft?

  1. „Vereinfachte Erklärungen“ reizen
    • Wenn Menschen wirtschaftlich und politisch wenig Hintergrundwissen haben, sind sie oft anfällig für einfache Schwarz-Weiß-Erklärungen: „Die EZB ist schuld, der Euro ist schuld, die Regierung ist korrupt, also → wähle Protestpartei.“
    • Jede Ideologie, die markant „andere“ Erklärungen liefert und starkes Misstrauen gegen das herrschende System sät, kann als „Brücke“ zu radikaleren oder simplifizierenden Parteien wirken.
  2. Libertär ist nicht automatisch AfD-kompatibel
    • Man darf aber nicht gleichsetzen: Wer Austrian Economics liest, rutscht zur AfD. Das wäre zu kurz gegriffen.
    • Libertäre Denkweisen sind weltanschaulich (Individualismus, Offenheit für Globalisierung beim freien Handel, Freiheit des Einzelnen) in vielen Punkten nicht deckungsgleich mit nationalkonservativen AfD-Haltungen (starke Staatsgrenzen, teils Protektionismus, kultureller Nationalismus).
  3. Gefahr der „Überlappung“
    • Manche AfD-Strömungen (oder ähnlich gelagerte Gruppen) stellen sich als „wirtschaftsliberal“ dar, klagen Inflation an, sehen in der EU einen Feind. Das kann Menschen anziehen, die kritisch gegenüber dem Zentralbanksystem sind.
    • Doch genauso gut gibt es Libertäre, die die AfD wegen ihrer (teils) völkischen bzw. nationalistischen Strömungen ablehnen. Die Szene ist also gespalten.

4. Wie kann man dem entgegenwirken?

  1. Politische Bildung fördern
    • Je differenzierter jemand libertäre, linke, rechte, konservative oder sonstige Positionen versteht, desto seltener verfällt er/sie pauschalen, populistischen Versprechen.
    • Ein besseres Verständnis von Mises & Hayek zeigt schnell, dass sie eher weltanschaulich-liberal waren und keinen Nationalismus befürwortet haben.
  2. Inhalte klar auseinanderhalten
    • Kritik am Fiatgeld und Zentralbanken ≠ Pauschal-Ablehnung aller staatlichen Einrichtungen ≠ Rassismus/Anti-Migration.
    • Es lohnt sich, genau hinzuschauen, wer welche Argumente benutzt und warum.
  3. Fehlinterpretationen benennen
    • Wird „Freiheit“ nur vorgeschoben, um nationalistische Forderungen durchzudrücken? Dann ist das keine echte libertäre Argumentation.
    • Wird die Kritik an Inflation/Euro plötzlich benutzt, um fremdenfeindliche Politik zu rechtfertigen? Auch das ist ein Missbrauch des libertären Gedankenguts.

5. Fazit

  • Ja, jede stark staatsskeptische Strömung (ob linksanarchistisch oder rechtslibertär) kann Menschen, die unzufrieden mit dem „System“ sind, an Protestparteien binden. Das passiert, wenn die Leute das libertäre Gedankengut nur oberflächlich als „Anti-Establishment“ lesen und nicht in Gänze verstehen.
  • Die Österreichische Schule selbst (Mises, Hayek) ist jedoch keine nationalistische oder ausländerfeindliche Ideologie; sie fußt auf Liberalismus und individueller Freiheit.
  • „Gefährlich“ wird es nur dann, wenn das Publikum zu wenig politisch gebildet ist, um zu erkennen, dass AfD-Kurs und libertäre Ideen trotz gemeinsamer Schnittmenge (EU-Skepsis, Staatskritik) keineswegs identisch sind.
  • Die effektivste Gegenmaßnahme: seriöse, aufklärende politische und ökonomische Bildung, die erklärt, was Austrian Economics wirklich besagt – und welche Themen (z. B. Immigration) dort gar nicht die Rolle spielen, die rechtspopulistische Parteien gern vorgaukeln.

Es gibt tatsächlich wissenschaftliche Untersuchungen und empirische Studien, die sich damit befassen, wie soziale Medien (und bestimmte Akteure darin) zur Polarisierung und Verbreitung ideologischer Inhalte beitragen. Kein einzelnes Paper erklärt den „gesamten Effekt“, aber es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen, dass Social Media – in Kombination mit gezieltem Agendasetting, Microtargeting und Echokammern – starke Einflüsse auf das politische Meinungsklima ausüben können. Im Folgenden ein Überblick über zentrale Befunde, Studien und Mechanismen.


1. Echokammern und Filterblasen

  1. Echokammer/Filterblase bedeutet, dass Nutzerinnen und Nutzer sich tendenziell in digitalen Räumen (Feeds, Gruppen, Kanälen) bewegen, die ihre bereits vorhandenen Meinungen verstärken und wenig Widerspruch zulassen.
  2. Das kann zu Opinion Reinforcement führen: Man bekommt „gefühlt“ nur noch bestätigende Informationen.
  3. Cass Sunstein (Harvard) und andere haben früh darauf hingewiesen, dass Echokammer-Effekte über Zeit Radikalisierung und Polarisierung begünstigen können.
  • Sunstein, Cass (2017). #Republic: Divided Democracy in the Age of Social Media.
  • Pariser, Eli (2011). The Filter Bubble: What the Internet is Hiding from You.

2. Verbreitung von Extrempositionen und Desinformation

a) Schnellere Verbreitung falscher/aufregender Inhalte

Eine vielzitierte Studie in der Zeitschrift Science (2018) von Soroush Vosoughi, Deb Roy und Sinan Aral (MIT) untersuchte über 10 Jahre (2006–2017) Millionen Twitter-Posts:

  • Kernergebnis: Falsche Nachrichten (Fake News, Desinformationen) verbreiten sich signifikant schneller und weiter als „wahre“ Inhalte.
  • Skandale, Empörung und emotionale Aufladung wirken wie ein Brandbeschleuniger im Social-Media-Kontext.
  • Vosoughi, S., Roy, D., & Aral, S. (2018). “The spread of true and false news online.” Science.

Dieses Phänomen kann dazu führen, dass extreme oder emotionalisierte Botschaften mehr Reichweite erhalten als differenzierte, nüchterne Analysen. So können radikale politische Positionen – egal ob „links“ oder „rechts“ – deutlich sichtbarer und ansteckender werden.

b) Microtargeting und politische Manipulation

  • Der Cambridge-Analytica-Skandal (2016–2018) machte deutlich, wie Facebook-Daten im großen Stil ausgewertet werden konnten, um Wahlkampf-Botschaften sehr gezielt an bestimmte Persönlichkeitsprofile zu senden.
  • Auch wenn die tatsächliche Wirkung umstritten ist, hat die Affäre gezeigt, dass Akteure – Parteien, NGOs, Interessengruppen – Social Media aktiv nutzen, um spezifische Zielgruppen (oft durch Angst und Empörung) zu mobilisieren.
  • Cadwalladr, Carole (2018). Enthüllungsberichte in The Guardian und The Observer über Cambridge Analytica.
  • Benkler, Y., Faris, R., & Roberts, H. (2018). “Network Propaganda.” (Beschreibung von digitalen Propagandamechanismen in den USA).

3. Digitalisierung und politische Polarisierung: Studienergebnisse

  1. Yochai Benkler u. a. (Harvard/Berkman Klein Center)
    • In „Network Propaganda: Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics“ (2018) zeigen Benkler, Faris und Roberts, wie das US-Medienökosystem (inkl. Social Media) maßgeblich dazu beiträgt, dass Desinformation und extremistisches Denken besser zirkulieren.
    • Insbesondere der Mechanismus „alternative Medien“ + Social-Media-Sharing kann ganze „Meinungsgemeinschaften“ formieren, die sich geschlossen fühlen und sehr empfänglich für Verschwörungsnarrative sind.
  2. Oxford Internet Institute (Global Disinformation Index)
    • Verschiedene Reports („Junk News around the world“, 2017 ff.) haben gezeigt, dass sowohl rechte als auch linke Gruppen gezielt emotive Falschnachrichten einsetzen. In Wahlkampfphasen (z. B. Brexit, US-Wahl) steigt dieser Effekt deutlich.
  3. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (Berlin)
    • Hier gab es Forschungsarbeiten über „Digitalisierung und soziale Kohäsion“. Die Befunde legen nahe, dass Online-Netzwerke Parallelgesellschaften und Polarisierung verstärken können. Vor allem, wenn schon eine Grundneigung zu „Wir-gegen-Die“-Narrativen besteht.

4. Wie stark ist der Effekt wirklich?

  • Kontroverse: Nicht alle Forscher sind sich einig, in welchem Ausmaß Social Media alleine für politische Radikalisierung „verantwortlich“ ist. Oft wirken viele Faktoren zusammen:
    • allgemeine politische Unzufriedenheit,
    • ökonomische Krisen,
    • Vertrauensverlust in etablierte Medien/Parteien,
    • plus selektive Social-Media-Nutzung.
  • Indizienlage: Trotzdem weisen etliche Arbeiten darauf hin, dass Social Media die Geschwindigkeit und Intensität politischer Mobilisierung und Meinungsbildung eindeutig erhöht hat. Unter den richtigen (bzw. falschen) Umständen kann das zu dramatischer Spaltung einer Gesellschaft beitragen.

5. Zusammenfassung und Bezug zu deiner Frage

  • „Gehirnwäsche“ – zu hart, aber teils nicht völlig abwegig
    • Der Begriff „Gehirnwäsche“ ist sehr drastisch und suggeriert eine bewusste, totalitäre Manipulation. Tatsächlich sprechen viele ForscherInnen eher von Beeinflussung durch
      • algorithmische Verstärkung extrem polarisierender Inhalte,
      • bewusste Desinformationskampagnen (Stichwort Trolle, Bots),
      • Filterblasen/Echokammern,
      • Microtargeting-Werbung etc.
  • Links- und Rechtsextreme profitieren gleichermaßen
    • Die Mechanismen (Empörung, Zuspitzung, Aufrufe zur „Rebellion gegen das Establishment“) ähneln sich. Sowohl linke als auch rechte radikale Gruppen können Social Media klug einsetzen, um Menschen in ihre Denkmuster zu ziehen.
  • Empirische Evidenz zeigt, dass speziell emotionsgeladene und skandalisierende Inhalte sehr weit getragen werden und auf unzufriedene Wähler wirken können.
  • Allerdings sind eben auch strukturelle Probleme (Wirtschaftsunsicherheit, Globalisierung, Vertrauensverlust in politische Eliten usw.) Teil der Erklärung für den Aufstieg von Populismus – Social Media wirkt oft als Brandbeschleuniger, aber ist nicht die alleinige Ursache.

Weiterführende Lektüre / Links (Auswahl)

  1. Yochai Benkler, Robert Faris, & Hal Roberts (2018)Network Propaganda: Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics.
  2. Sunstein, Cass (2017)#Republic: Divided Democracy in the Age of Social Media.
  3. Vosoughi, Soroush et al. (2018)The Spread of True and False News Online, in: Science.
  4. Oxford Internet InstituteComputational Propaganda Research Project / Junk News Studies.
  5. Deutsche StudieMax-Planck-Institut für Bildungsforschung: Digitalisierung und soziale Kohäsion (Projektberichte online).

Diese Studien bzw. Berichte verdeutlichen, dass Social Media durchaus zu einer verschärften politischen Polarisierung beiträgt und dass gewisse Akteure aller Richtungen (libertär, rechts, links, Verschwörungsgruppen usw.) diese Mechanismen gezielt nutzen, um ihre Botschaften zu verbreiten.