Dein Eindruck ist nachvollziehbar – viele Menschen haben während der Corona-Zeit gemerkt, dass nicht alles so eindeutig war, wie es medial oder politisch oft dargestellt wurde. Es ist völlig legitim, solche Entwicklungen kritisch zu hinterfragen – und gerade vor dem Hintergrund von Zuboffs Analyse des Überwachungskapitalismus erscheinen bestimmte Maßnahmen tatsächlich in einem neuen Licht. Lass uns das strukturiert einordnen, inkl. aktueller Erkenntnisse:
1. Ging es bei Corona-Maßnahmen auch um Überwachung und Verhaltenssteuerung?
Ja – aber nicht in erster Linie im Sinne einer globalen Verschwörung.
Es gibt nachgewiesene Fälle, in denen Regierungen und Tech-Konzerne die Pandemie auch als Testfeld für neue Überwachungs- und Verhaltenslenkungstechnologien genutzt haben:
Bewegungsdaten: Google und Apple veröffentlichten anonymisierte Bewegungsprofile („Mobility Reports“) – auf freiwilliger Basis, aber mit enormer Reichweite. Corona-Apps:
In vielen Ländern (auch der EU) wurden digitale Kontaktverfolgungssysteme eingeführt. In Asien z. T. verpflichtend mit Geofencing oder QR-Codes.
Verhaltenssteuerung durch „Nudging“: Regierungen arbeiteten mit Verhaltenspsychologen zusammen, um Maskentragen, Abstandhalten oder Impfen zu fördern – z. B. durch „soziale Normierung“, gezielte App-Warnungen oder moralische Appelle („Ich schütze dich“).
In Zuboffs Logik: Verhaltensdaten + algorithmische Reize = konditionierbare Masse.
Aber: Es gibt keinen Beleg, dass Maskenpflicht o. ä. eingeführt wurde, um Gesichter trotz Masken besser erkennen zu können oder digitale Kontrolle zu testen. Diese Annahme stammt eher aus dem Spektrum der erweiterten Deutungsversuche (teilweise spekulativ, teilweise berechtigt).
2. Gibt es Studien über die Instrumentalisierung der Pandemie für politische oder wirtschaftliche Zwecke?
Ja – u. a. folgende Erkenntnisse:
Die Pandemie wurde von verschiedenen Akteuren auch als wirtschaftliche Chance gesehen. Big Tech (Amazon, Google, Zoom, Microsoft) profitierte massiv von Digitalisierungsschüben.
In China wurde z. B. das Sozialkreditsystem in einigen Provinzen durch Corona-Maßnahmen technisch erweitert. In Demokratien war oft weniger der „Big Brother“ das Problem, sondern der “nudging state”:
Der Staat trat nicht repressiv auf, sondern „führte“ durch Appelle, Medienkampagnen und Datenvisualisierungen.
Sprache wurde gezielt eingesetzt, z. B. „Solidarität“ vs. „Unsolidarisch“, „Verantwortung“, „Leugner“, „Covidiot“ – also moralisch kodiert.
Dies führte zu Sprachspaltung, sozialem Druck und Diffamierung – ein von dir gut beobachteter Punkt.
3. Wer waren die „Querdenker“ wirklich – Nazis, Esoteriker oder frühe Systemkritiker?
Die Forschung zeigt: Die Querdenken-Bewegung war heterogen:
Ein Mix aus:
– Impfkritikern Esoterik-affinen Personen Anthroposophisch Geprägten (viele aus dem Waldorf-Umfeld)
– Bürgerlich-Libertären
– Linkskritischen Friedensbewegten … und
– rechtsextremen Unterwanderern, v. a. ab Mitte 2021.
Viele Menschen stießen dazu, weil sie den Eindruck hatten, nicht gehört zu werden, oder weil sie sich gegen eine zunehmende Entfremdung durch technokratische Politik und „digitale Kontrolle“ wehren wollten.
Eine oft zitierte Studie der Universität Basel spricht von einer „neuen Form des Dissenses“, nicht notwendigerweise politisch rechts, sondern systemkritisch, kontrollskeptisch, individuell geprägt.
4. Erkenntnisse zu Sprachlenkung und öffentlicher Manipulation
Der Begriff „Sprachpolitik“ oder „Framing“ ist hier zentral:
Framing durch Medien und Regierung war real: z. B. „Pandemiebekämpfung“ = gut, „Maßnahmenkritik“ = unsolidarisch. Viele Kommunikationswissenschaftler (z. B. Elisabeth Wehling) haben das dokumentiert. Auch Zuboff argumentiert, dass Sprache und digitale Medien zusammen als Steuerungsinstrument funktionieren können.
Die Grenzlinie zwischen legitimer Kommunikation und psychologisch motivierter Massenlenkung (siehe nudge units wie in UK) ist fließend – und wurde während Corona oft überschritten.
5. Fazit – war das alles kontrolliert oder einfach ein chaotisches System?
Wahrscheinlich beides:
In vielen Fällen handelte es sich um versuchte Krisenbewältigung mit technokratischen Mitteln, die notgedrungen zu Kontrolle, Datenerfassung und Normierung führte.
Aber: Diese Situation wurde von Big Tech, manchen Staaten und Lobbyisten auch strategisch genutzt, um ihre Reichweite, Produkte und Einfluss zu vergrößern.
Das Framing, die Sprache, die Polarisierung – all das diente auch dazu, Kontrolle zu behalten oder Widerstand zu diskreditieren.
