The Myth of American Inequality von Phil Gramm, John Early

Dossier zu The Myth of American Inequality: How Government Biases Policy Debate

Kapitel 1: Amtliche Statistik und Wirklichkeit

Mythos: „Offizielle“ Einkommens- und Armutsdaten geben die tatsächliche Lage der Amerikaner korrekt wieder. In Wahrheit zeigen sie nur einen verzerrten Ausschnitt. Die Autoren betonen, dass die von Census und Medien verbreiteten Kennziffern wie das 16,7‑fache Einkommen der obersten 20 % gegenüber den unteren 20 % aus dem Jahr 2017 (oder die nahezu konstante offizielle Armutsrate um 12 %) keine vollständige Abbildung des Wohlstands sind.
So verzeichnen amtliche Statistiken für das unterste Quintil nur ein Einkommen von 13 258 $ anstatt des realen Konsums von 26 091 $. Dies liegt daran, dass die meisten staatlichen Transferzahlungen (Lebensmittelmarken, Earned-Income-Tax-Credits, Medicaid etc.) nicht in das gemeldete Einkommen einfließen. In Folge verharrte nach offiziellen Angaben die Armut angeblich bei rund 12 % – obwohl die Transferhilfen seit 1967 inflationsbereinigt vervierfacht wurden (von 9 677 $ auf 45 389 $ pro Haushalt im untersten Fünftel).

Die Autoren fügen diese „fehlenden“ Einkommen hinzu (und ziehen ab, was an Steuern bezahlt wurde) und zeigen: Dann schrumpft die Ungleichheit dramatisch. Zählt man alle staatlichen Leistungen und gezahlten Steuern hinzu, beträgt das Verhältnis des Einkommens der obersten 20 % zum untersten 20 % nur 4,0 statt 16,7. Kurz gesagt: “Census simply measures the wrong things” – die amtliche Erhebung verzerrt Armut und Ungleichheit stark.

Kapitel 2: Einkommens‑ versus Konsumungleichheit

Mythos: Die als äußerst ungleich empfundenen Einkommensabstände in den USA entstünden allein aus den Einkommen der Haushalte. Die Autoren zeigen im Gegenteil, dass die Diskrepanz zum Konsum stark ist. Der Census zählt heute nur etwa ein Drittel aller Transferzahlungen als Einkommen. Zwei Drittel der staatlichen Hilfen (inklusive Kinder- und Rentenhilfen, Medicaid, Schulessen usw.) bleiben in der Statistik unberücksichtigt – besonders bei den Ärmsten, die den Großteil dieser Mittel erhalten. Gleichzeitig lässt man die Steuern außer Acht: Die obersten 20 % zahlen über 35 % ihres Bruttoeinkommens an Steuern, die unteren nur 7,5 %. Ohne diese Abzüge und Zuschläge wirkt die Statistik extrem unfair. So kann ein US-Haushalt im untersten Fünftel laut Census 2017 durchschnittlich nur 13 258 $ Einkommen haben, aber tatsächlich 26 091 $ verbrauchen. Die Autoren resümieren: “the result of these…shortcomings is a gross overstatement of both income inequality and poverty.”.

Kapitel 3: Armut in Amerika

Mythos: Armut bleibt hartnäckig auf hohem Niveau. Die offizielle Statistik spricht von etwa 12,3 % Armutsquote im Jahr 2017. Die Autoren widerlegen dies mit einer Vollerfassung aller Transferleistungen: Weil bei Armen nur rund 12 % der bezogenen Transfers überhaupt gezählt werden (statt ~33 % insgesamt), fehlen fast 500 Milliarden Dollar staatliche Hilfen im Census-Einkommen. Würde man diese hinzuziehen, läge das Einkommen zahlreicher Haushalte weit über der Armutsgrenze. In der Folge fällt die Armut von offiziell 12,3 % auf lediglich 2,5 % der Bevölkerung – nahe einer Eliminierung tiefer Armut. Auch historisch hat sich viel getan: Unter Einschluss aller Leistungen sinkt die Armutsquote seit 1967 kontinuierlich und liegt heute nahezu bei Null. Die Diskrepanz zwischen den Zahlen macht klar: In Wahrheit hat sich die Lage der Armen stark verbessert, die „sonstige Armut“ (Menschen ohne Teilnahme an Transferprogrammen) ist verschwindend klein.

Kapitel 4: Entwicklung der Einkommensungleichheit

Mythos: Die Einkommensungleichheit in den USA stiege seit 1947 drastisch an. Tatsächlich kehrt sich dieses Bild um, sobald man alle Einkommensteile berücksichtigt. Die Autoren zeigen: Wird das komplette verfügbare Einkommen (inklusive Transfers, nach Steuern) verglichen, ist der Abstand heute geringer als 1947. So betrug das Verhältnis des Einkommens des obersten zum untersten Quintil nach Steuern 1947 noch 5,6 :1, 2017 dagegen nur 4,0 :1. Auch der Gini-Koeffizient – Maß der Ungleichverteilung – sinkt von 0,482 (Census-Maß) auf nur 0,335 bei Vollerfassung. Mit anderen Worten: Der unbemerkte Einkommensanstieg der ärmeren Haushalte war so stark, dass die Ungleichheit im Zeitverlauf rückläufig ist. Im untersuchten Zeitraum wuchs das reale Einkommen des untersten Quintils um 285 % (nach Transfers und vor Steuern – mehr als bei jeder anderen Gruppe). Die gängige Vorstellung von „immer steigendem Rich­tum der oberen Ränge“ verdankt sich dem unvollständigen Zählen von Transfers/Steuern.

Kapitel 5: Ursachen der Einkommensdynamik

Mythos: Der Anstieg der Einkommensunterschiede (vor allem seit den 1980ern) sei unnatürlich hoch und vorwiegend externen Schocks wie Globalisierung oder Technologiefortschritt geschuldet. Die Autoren zeigen dagegen, dass tatsächlich alle Einkommensgruppen Fortschritte verzeichneten, vor allem aber die unteren. Beispielsweise stiegen die realen Stundenlöhne des untersten und zweituntersten Quintils von 1967 bis 2017 um jeweils 42 % – auch die niedrig bezahlten Jobs wurden besser entlohnt. Tatsächlich wuchs das Arbeitseinkommen jedes Fünftels (bodenständigster Fünftel +42 %, zweites +54 %, viertes +70 %, oberstes +163 %). Viele vermeintliche „Ursachen“ wie Globalisierung oder College-Bildung haben zwar Lohnunterschiede beeinflusst, aber dem Mittelstand und den unteren Schichten blieben erhebliche Einkommenssteigerungen nicht verwehrt. Kurz: Es gibt keinen „ersatzlosen Verlierer“ – auch wer früher wenig verdiente, profitierte mit.

Kapitel 6: Maßzahlen für Wohlstand und Wachstum

Mythos: US-Wirtschaftswachstum und Wohlstand seien schwach und verfehlt erfasst. Im Gegenteil berichten die Autoren von enormen Fortschritten: Offizielle Werte zeigen ein reales BIP-Plus von 297 % seit 1967, aber richtige Berechnungen ergeben sogar rund 678 %. Haushalte des untersten Einkommensquintils (nach Transfers und Steuern) haben real 681 % mehr Einkommen als 1967 – ihr Pro-Kopf-Konsum hat sich versiebenfacht. Ähnliches gilt für Technologie-, Qualitäts- oder Preisänderungen: Klassische Inflationsmaßstäbe führen dazu, Wohlstandsgewinne zu unterschätzen. Die Autoren fassen zusammen: „Die offiziellen Maßzahlen zu Wohlstand und Inflation sind erheblich zu niedrig“ und gängige Debatten über „stagnierende Löhne“ beruhten auf nachweislich falschen Daten. Selbst der ärmste Teil der Bevölkerung genießt heute technologisch und konsumtiv ein Vielfaches des Lebensstandards der 1960er (z.B. Nahrungsmittel oder Haushaltsgeräte), was in den Zahlen oft nicht ersichtlich wird.

Kapitel 7: Die Superreichen und ihre Rolle

Mythos: Die wenigen Superreichen beuten die Gesellschaft aus, ihrem Geld wachse über alle Maßen, und sie zahlten keine fairen Steuern. Zwar sind die obersten 0,01 % an Einkommen durchaus hoch, doch selbst sie haben sich viele Jahrhunderte lang dem Markt verdankt: „Die aller Reichsten unter uns wurden nicht reich, indem sie die Regierung kaperten, sondern fast ausnahmslos, indem sie Güter und Dienstleistungen bereitstellten“. Nach Transfers und Steuern gilt: Das ganze System hat Armut bereits weitgehend beseitigt und “die meisten Haushalte erhalten nach Steuern und Transfers mindestens ein mittleres Haushaltseinkommen”. Praktisch bedeutet dies, dass auch viele ehemals ärmere Familien heute zumindest einen guten Lebensstandard haben. Die Diskussion der Autoren lautet daher, dass Spitzenverdiener zwar relativ viel Steuern zahlen (gesetzlich angerechnete), aber dass ihr Reichtum durch Gesamtwirtschaftsleistung entsteht und nicht durch „Steuersenken“, wie manche meinen. Insgesamt belegt das Kapitel, dass die Einkommenskonzentration der Reichen in Relation zu einer weiten Datenerfassung viel geringer ist, als oft dargestellt.

Kapitel 8: Der American Dream und Mobilität

Mythos: Die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten in den USA seien praktisch blockiert – wer arm geboren sei, bleibe es. Die Autoren entgegnen: Soziale Mobilität ist in den USA hoch. Sie führen eindrücklich an, dass 93 % der Kinder aus Familien des untersten Einkommensquintils im Laufe ihres Lebens mehr Einkommen erzielen als ihre Eltern. Selbst bei Kindern aus dem obersten Quintil sind 70 % erfolgreich (haben höhere Einkommen als die Eltern). Dieser Befund zeigt: Fast alle Menschen, auch aus der Unterschicht, profitieren langfristig von Wirtschaftswachstum und Ausbildung. Die genealogischen Spitzenverdiener bleiben in der Regel nicht dauerhaft an der Spitze (Beispiel Vanderbilt: Familienvermögen schmilzt in wenigen Generationen dahin). Die US-Gesellschaft bleibt eine „Land der Aufstiegsmöglichkeiten“ – es ist ein fundamentaler Bestandteil des Systems, dass die meisten Haushalte im Lauf ihres Lebens die Quintile wechseln und weit nach oben kommen können.

Kapitel 9: 50 Jahre Fortschritt

Mythos: Über fünf Jahrzehnte habe sich kaum etwas verbessert – viele halten den Lebensstandard für stagniert oder rückläufig. Das Gegenteil ist zutreffend: Nahezu alle Lebensbereiche verzeichnen enorme Verbesserungen. Beispielsweise hatten 1967 nur die wohlhabendsten 20 % der Haushalte moderne Annehmlichkeiten (zwei Bäder, Klimaanlage etc.), heute besitzen diese viele arme Familien ebenfalls. Reisen mit dem Flugzeug oder luxuriöse Unterhaltungselektronik sind für praktisch alle erschwinglich geworden. Selbst billigste Nahrungsmittel sind heute deutlich hochwertiger und preisgünstiger: Anfang der 60er musste ein Arbeiter täglich über 2,2 Stunden arbeiten, um eine Familie zu ernähren – heute reicht eine halbe Arbeitsstunde für ein höherwertiges Diätprogramm. Kurz: „Der wirtschaftliche Fortschritt der letzten fünfzig Jahre war schlichtweg außergewöhnlich“, und alle Besorgnisse basieren auf unvollständigen Zahlen.

Kapitel 10: Schlussfolgerungen und Politikempfehlungen

Die Autoren fordern, aus den korrigierten Fakten angemessene Schlüsse zu ziehen. Sie plädieren insbesondere dafür, korrekte Daten zu erheben: Zukünftig sollten Amtserhebungen alle Einkunftsarten berücksichtigen – einschließlich Kapitalerträgen und Arbeitgeber-Leistungen wie Krankenversicherung. Außerdem betonen sie, dass Bildung und Mobilität gestärkt werden müssen: Mangelhafte öffentliche Schulen in benachteiligten Regionen sind die größte Bremse für Chancengleichheit. „Legislation should mandate that statistical agencies count all earned income“ heißt eine zentrale Forderung. Andererseits sehen sie keine Politiknotwendigkeit, die Reichen besonders „umzuverteilen“, wenn man bedenkt, dass ihr Einkommen primär aus Produktivitätsgewinnen stammt und dass große Teile der Gesellschaft ohnehin deutliche Fortschritte gemacht haben. Zusammenfassend lautet ihre Botschaft: Viele pauschale Ungleichheitsmythen lösen sich in Luft auf, sobald man die volle Datenlage auswertet – Politik sollte auf dieser realistischeren Grundlage aufbauen.

Quellen: Alle Zahlen, Fakten und Zitate entstammen dem Buch The Myth of American Inequality von Phil Gramm, John Early u.a. (Kapitel 1–10).