1 | Kurzprotokoll der Streitpunkte
- „Geschlossener Kreislauf“ – ja oder nein?
- Landwirt A: Weil Kühe nur biogene Stoffe umwandeln, sei ihre Klimabilanz quasi neutral – einzig das stärkere Treibhauspotenzial von Methan könne das Bild etwas verzerren.
- Landwirt B: Die Fütterung, Verdauung und Lagerung von Gülle würden in Summe keine zusätzliche Erwärmung verursachen; der Methan-Effekt werde völlig überschätzt.
- Technische Spielereien
- Idee, CO₂ (oder Methan) direkt im Stall abzuscheiden – realistisch in industriellen Mastanlagen, aber laut den Landwirten in bayerischen Weide- und Laufställen „absurder Unfug“.
- CO₂-Preis & „Klimageld“
- Physiker & Mathematiker im Arbeitskreis: Höhere Preise seien unvermeidlich; von der Rückerstattung (Klimageld) höre man aber nichts mehr.
- Vorwurf: Ohne Klimageld wirke die Abgabe wie eine reine Einnahmequelle des Staates – Stichwort „in die Tasche greifen“.
- Allgemeine Frustration
- Überinformation, gegensätzliche Studien, politische Instrumentalisierung – Gefühl, dass extreme Lager (links wie rechts) profitieren, während Sachlichkeit auf der Strecke bleibt.
2 | Nüchterne Einordnung der Fakten
Thema | Was gesichert ist | Relevante Größenordnungen |
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Methan aus Rindern | Biogenes CO₂ wird zwar wieder von Pflanzen gebunden, Methan wirkt aber ~28-34 × stärker als CO₂ über 100 Jahre und bleibt ~12 Jahre in der Atmosphäre. Solange die Herde nicht schrumpft, addiert sich dieser Wärmeschub permanent. (sigmaearth.com, Raumberg-Gumpenstein) | ∼120 kg CH₄ · Kuh⁻¹ · a⁻¹ ⇒ rund 3 t CO₂-eq |
„Geschlossener Kreislauf“ | Nur Kohlenstoff kreist, aber Wärmeeffekt ist nicht neutral. Neue Metrik GWP* zeigt: Bei gleichbleibendem Methanpegel flacht der Zusatz-Wärmestrom zwar ab, ist aber nicht null. (Nature, Financial Times) | Ein stabiler Rinderbestand erhält den heutigen Temperaturniveau-Beitrag aufrecht. |
Landwirtschaftliche Emissionen DE 2023 | 63 Mio t CO₂-eq (8 %) – davon 77 % Methan; 93 % des Methans stammt von Rindern. (Umweltbundesamt, Umweltbundesamt) | Methan: 1,6 Mio t ⇒ 44 Mio t CO₂-eq |
CO₂-Speicherung in Böden/Grünland | Dauerhafte Humus-Zunahme bringt 0,5–4 t CO₂ · ha⁻¹ · a⁻¹; bayerische Böden hätten theoretisch Platz für ~400 Mio t CO₂, aber nur über Jahrzehnte messbar. (Bayerische Landwirtschaft, LfU Bayern) | Ein Milchkuhjahr ≈ Humusaufbau auf 1 ha |
CO₂-Abscheidung im Stall | Pilotfilter können Methan/CO₂ konzentrieren, aber Kosten, Energiebedarf und Off-Farm-Wärme zur Regeneration lohnen derzeit nur in Großanlagen. (DIE WELT) | <1 % der bayerischen Bestände technisch anschließbar |
Nationaler CO₂-Preis (nEHS) | 45 €/t seit 2024, geplant 55 €/t ab 2025; ab 2027 Auktionshandel ohne Preisdeckel. Landwirtschaft bisher nur indirekt betroffen (Diesel, Heizöl, Dünger-Preise). (Bundesministerium Digital & Verkehr) | 10 ct ·l⁻¹ Diesel ≈ 3 €/ha Grünland |
Klimageld | Auszahlmechanismus soll 2025 fertig sein, reale Überweisung frühestens 2026/27; Höhe offen (Diskussion 100–300 € p. P.). (Deutscher Bundestag, Deutschlandfunk) | Einnahmen nEHS 2024 ≈ 15 Mrd € |
CO₂-Handel für Landwirte | Freiwillige „Humuszertifikate“ (LfL Bayern) & EU-Carbon-Farming-Rahmen (2024) erlauben 30–60 €/t CO₂ – aber Mess- & Risikoaufwand hoch, Verträge 10 + J. (Bayerische Landwirtschaft, Bayerische Landwirtschaft) | 1 t Humus-C ≈ 3,67 t CO₂ |
3 | Was heißt das nun praktisch?
- Biogene Methan-Emissionen sind kein „Freifahrtschein“.
Solange die Menge Methan in der Luft höher bleibt als vor Beginn der Nutztierhaltung, trägt sie zur Erwärmung bei. Eine stagnierende Rinderzahl hält den heutigen Erwärmungsbeitrag stabil; abnehmende Methanraten würden die Kurve senken, wachsende sie erhöhen. - Humusaufbau ist wichtig, aber kein Allheilmittel.
Schon um eine Milchkuh zu kompensieren, braucht man grob einen Hektar dauerhaften Humusaufbaus. In Bayern ist das Potenzial da, doch es erfordert jahrzehntelange, konsequente Bewirtschaftung – und ist mess- und verifizierungs-aufwendig. - Technische Stall-CCS ist (noch) eine Nische.
Die CO₂-Kosten pro Tonne liegen heute bei mehreren 100 €, während Filter-Adsorber vor allem Strom/Wärme brauchen, die in Weidetier-haltenden Betrieben kaum verfügbar sind. - CO₂-Preis ohne Klimageld = sozialpolitische Sollbruchstelle.
Die Regierung kann das Geld theoretisch vollständig zurückgeben. Verzögerungen beim Klimageld (digitale Kontoverknüpfung, Haushaltslage) nähren den Verdacht, es gehe nur um Fiskaleinnahmen – und bieten Populisten Angriffsfläche. - Carbon Farming kann sich lohnen, aber…
Zertifikate sind freiwillig, schwankend im Preis und juristisch komplex. Ohne robuste Mess- und Dauerbindungs-Regeln riskieren Landwirte, in 15 Jahren Rückzahlungen leisten zu müssen, falls der Humus wieder verloren geht.
4 | Was man in einer CSU-Arbeitskreissitzung sachlich sagen könnte
- Ja, Kühe „recyclen“ Kohlenstoff – aber Methan ist 30-mal wirksamer als CO₂, weshalb der Kreislauf wärmer wird, solange wir nicht weniger Methan pusten.
- Die Landwirtschaft ist (in DE) für knapp 8 % der Treibhausgase verantwortlich; drei Viertel davon sind Methan aus Rindern.
- Humus- und Moorprojekte können Emissionen ausgleichen, aber Flächenbedarf, Messkosten und Permanenz sind echte Hürden.
- Ein CO₂-Preis entfaltet Lenkungswirkung nur, wenn das versprochene Klimageld sichtbar und unbürokratisch kommt; andernfalls verliert er Akzeptanz.
- CCS im Kuhstall ist heute kein skalierbarer Beitrag zur bayerischen Energiewende; effizienter sind Fütterungs- und Zuchtstrategien, bessere Güllewirtschaft, Biodiversitätsprämien und Moorwiedervernässung.
TL;DR
Die Kuh – egal ob im Laufstall oder auf der Alm – ist kein geschlossener Klimakreislauf, solange ihr Methan nicht spürbar sinkt. Boden- und Humusprojekte können einen Teil davon auffangen, erfordern aber lange Bindungsfristen und viel Kontrolle. Ein höherer CO₂-Preis ohne zeitnahe Auszahlung des Klimageldes schafft soziale und politische Reibung. Wer im politischen Raum überzeugen will, sollte daher klare Zahlen + Pfade präsentieren und Mythen („Klimaneutral durch Recycling“) ebenso meiden wie Technik-Fata Morganas im Kuhstall.