Die bedeutendsten Arbeiten zur Identität und Gruppenzugehörigkeit des Menschen stammen aus mehreren Disziplinen: Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie, Anthropologie und Philosophie. Hier sind die einflussreichsten Forscher und Theorien:
🔬 Sozialpsychologie
- Henri Tajfel
- Theorie: Social Identity Theory (SIT)
- Kernidee: Menschen definieren sich über Gruppenmitgliedschaften (Ingroup vs. Outgroup). Schon minimale Unterschiede reichen aus, um „Wir-Gefühl“ und Diskriminierung zu erzeugen.
- Wichtigste Studien: „Minimalgruppen-Paradigma“ (1970er)
- John Turner
- Theorie: Self-Categorization Theory (Erweiterung der SIT)
- Kernidee: Menschen kategorisieren sich je nach Kontext als Individuum oder Gruppenmitglied. Die Identität ist also flexibel zwischen „personal“ und „sozial“.
🧠 Psychologie / Entwicklungspsychologie
- Erik Erikson
- Theorie: Psychosoziale Entwicklung
- Relevante Phase: Identitätsbildung in der Adoleszenz („Identität vs. Rollendiffusion“)
- Beitrag: Identität ist eine lebenslange Entwicklung, mit Schwerpunkt auf Jugendalter.
- James Marcia
- Erweiterung von Erikson
- Identitätsstatus-Modell: Vier Stadien – diffuse, übernommene, moratorische, erarbeitete Identität.
📚 Soziologie
- George Herbert Mead
- Theorie: Symbolischer Interaktionismus
- Beitrag: Die Identität entsteht durch soziale Interaktion („I“ und „Me“).
- Schlüsselwerk: Mind, Self and Society (1934, posthum)
- Erving Goffman
- Theorie: Dramaturgisches Modell der Identitätspräsentation
- Beitrag: Identität ist eine soziale „Performance“. Wir „spielen Rollen“ je nach Publikum.
- Werk: The Presentation of Self in Everyday Life (1956)
🌍 Anthropologie & Kulturtheorie
- Benedict Anderson
- Begriff: Imagined Communities (1983)
- Beitrag: Nationalidentität ist ein sozial konstruiertes „Wir“, vermittelt durch Medien und Sprache.
- Stuart Hall
- Theorie: Kulturelle Identität als Prozess
- Beitrag: Identität ist nie fix, sondern immer im Werden – geprägt durch Rasse, Klasse, Geschlecht, Geschichte, Macht.
- Werk: Cultural Identity and Diaspora
🧠 Neurowissenschaft und Evolution
- Michael Tomasello
- Beitrag: Evolutionäre Grundlagen der sozialen Kognition
- Fokus: Wie sich Kooperationsfähigkeit und Gruppenzugehörigkeit im Laufe der Evolution beim Menschen herausgebildet haben.
📘 Zusammenfassung der Hauptbeiträge:
Forscher | Disziplin | Beitrag zur Identität/Gruppenzugehörigkeit |
---|---|---|
Henri Tajfel | Sozialpsychologie | Social Identity Theory |
John Turner | Sozialpsychologie | Self-Categorization Theory |
Erik Erikson | Entwicklungspsychologie | Identitätskrise & Lebensphasen |
James Marcia | Psychologie | Identitätsstatus-Modell |
George H. Mead | Soziologie | Selbst durch soziale Interaktion |
Erving Goffman | Soziologie | Identität als Performance |
Benedict Anderson | Kulturtheorie | Nation als vorgestellte Gemeinschaft |
Stuart Hall | Kulturwissenschaft | Identität als dynamischer Prozess |
Michael Tomasello | Anthropologie/Neurowissenschaft | Evolution sozialer Gruppenbindung |