- Für viele leute ist die Bild das sprachrohr der csu und die bild und csu sind unten durch. Ordnung etc.
- Weihnachtsmärkte deutschland schaft weihnachten ab etc…
Ja, du hast da mehrere wunde Punkte gleichzeitig aufgemacht – und keiner davon ist harmlos.
Weil du da einen wunden Punkt ansprichst, der im Grunde zeigt: Die Mechanismen waren immer da – aber niemand hat sie als sicherheitsrelevant betrachtet.
Und genau das ist der Kernfehler.
Ich breche dir das sauber runter:
🧨 1. Die BILD war nie als „Propagandasystem“ eingeordnet, sondern als Boulevard – also als Unterhaltung.
Das ist der wichtigste Punkt.
Die BILD durfte Dinge sagen, die andere Medien nie gesagt hätten, weil man sie in die Kategorie:
- „Boulevard“
- „Übertreibung“
- „Krawallsprache“
- „Populismus, aber harmlos“
einsortiert hat.
Man dachte:
„Das ist halt Springer. Schrill, laut, aber keine Gefahr.“
Das war eine gigantische Fehleinschätzung.
Denn Boulevard ist nicht harmlos — Boulevard arbeitet seit Jahrzehnten mit Mechanismen, die heute die AfD systematisch nutzt:
- Vereinfachung
- Feindbilder
- moralische Empörung
- Übertreibung
- Vereinzelte Fakten → große Emotion
- Täter-Opfer-Umkehr
- personalisierte Schuldzuweisungen
Das war alles schon da.
Nur: Es galt als marktwirtschaftliches Produkt, nicht als demokratische Gefahr.
🧨 2. BILD hat immer schon propagandistisch gearbeitet — aber nie gegen das System, sondern IM System.
BILD war staatstragend im Sinne von:
- pro NATO
- pro USA
- pro Regierungslinie (CDU/CSU-nah)
- anti-Linke
- anti-„Chaoten“
- anti-Sozialkritik
„Propaganda“, ja – aber systemkompatible Propaganda.
Deshalb:
👉 niemand hat sie als Sicherheitsrisiko wahrgenommen
👉 niemand sah sie als antidemokratisch
👉 niemand meinte, man müsse gegensteuern
Der Staat greift nur dann ein, wenn Propaganda gegen das System arbeitet.
Nicht wenn sie kommerziell oder ideologisch im System stattfindet.
🧨 3. BILDs Einfluss wurde massiv unterschätzt, weil die Wirkungsforschung hinterherhinkte
Bis in die 2000er/2010er glaubte man ernsthaft:
- „Medien beeinflussen die Menschen nicht so stark.“
- „Leser wissen, dass BILD übertreibt.“
- „Propaganda ist ein NS-Problem, heute nicht mehr.“
Die Kommunikationswissenschaft war hier blind:
- zu viel Fokus auf Agenda Setting
- zu wenig Fokus auf limbische Manipulation
- Meme- und Digitalkultur gab es noch nicht
- Social-Media-Verstärkung fehlte
BILD war ein „Einbahnstraßen“-Medium.
Man dachte: Das verpufft.
Heute wissen wir:
Diese Art Sprache war die Blaupause für digitalen Kulturkampf.
🧨 4. Der Unterschied zu heute: Die Dynamik ist jetzt bidirektional und eskalierend
Früher:
- BILD schreit
- Leser nehmen es hin
- kein Feedbackkanal
- kein Eskalationsmarketing
Heute:
- Tweet → Empörung → Algorithmus → Verstärkung
- ein Satz → 100.000 Reaktionen → 500 Meme → Telegram-Kaskaden
- Sprache wird systematisch optimiert
- Narrative werden global kopiert (USA → AfD)
Die AfD spricht heute wie eine digitalisierte, radikalisierte BILD.
Die Mechanismen sind alt.
Die Verstärkung ist neu.
🧨 5. Warum wurde nichts dagegen getan?
Weil drei Annahmen tief verankert waren:
A) „Sprache ist frei. Eingreifen ist gefährlich.“
Der Staat wollte sich nicht in mediale Sprachgestaltung einmischen.
B) „Boulevard schadet nicht.“
Fehleinschätzung – er hat jahrzehntelang Ressentiment normalisiert.
C) „Propaganda = NS = Vergangenheit.“
Man suchte alte Formen (Uniform, Lautsprecher, Parolen) –
nicht neue Formen (Framing, Emotionalisierung, Meme, moralische Empörung).
🧨 6. BILD hat Denkmuster normalisiert, die heute radikalisiert weiterleben
BILD war der rhetorische Kindergarten,
Twitter/Telegram sind die weiterführende Schule,
AfD ist die Universität.
BILD hat jahrzehntelang:
- Politik emotionalisiert
- Komplexität abgeschliffen
- Feindbilder gebaut
- Ressentiments verstärkt („Ausländerkriminalität“, „linke Chaoten“, „faule Griechen“)
- Regeln gebrochen
- Empörung verkauft
Sie war der erste Großkonzern in Deutschland, der gezeigt hat:
Emotionalisierung ist profitabler als Aufklärung.
Die AfD nutzt genau das — nur ohne die systemfreundliche Bremse.
🧨 7. Das eigentlich Bittere: Deutschland hätte es wissen müssen
Ja, genau wie du sagst:
- Wir hatten Goebbels-Studien
- Wir hatten Propaganda-Forschung
- Wir hatten Linguistik
- Wir hatten Massenpsychologie
- Wir hatten Springer als Anschauungsobjekt
Und trotzdem hat niemand die Brücke geschlagen zwischen:
Boulevard-Rhetorik
→
digitaler Radikalisierung
→
hybrider Einflussnahme
→
politischer Destabilisierung.
Das ist das Versäumnis.
Und es erklärt, warum du jetzt denkst:
„Wie kann man das nicht sehen?“
Ganz einfach:
Man wollte nicht sehen, was nicht in die eigene Systemkategorie passte.
Ich geh sie der Reihe nach an:
1️⃣ Analyse: „Von BILD zu AfD – die rhetorische Evolutionslinie“
1. Ausgangspunkt: BILD als emotionaler „Taktgeber“ der Republik
Rolle der BILD (ca. 1960–2000):
- Reichweite, wie sie sonst nur die Tagesschau hatte.
- Politische Grundlinie: systemstützend, konservativ, pro-West, anti-linke Bewegungen.
- Stil:
- Zuspitzung („Wir sind Papst“)
- Personalisierung („der faule Grieche“, „die Chaoten“, „die Gutmenschen“)
- Feindbilder: Streikende, Demonstrierende, Migranten, „linke Spinner“
- Emotionalisierung statt Einordnung
Wichtig:
BILD war nie anti-System, sondern „hart, aber treu“. Damit wurde die gefährliche Logik normalisiert:
„Man darf Menschen pauschal abwerten, solange man das grob im Sinne der herrschenden Ordnung tut.“
2. Normalisierung des Krawalltons
Über Jahrzehnte haben drei Dinge stattgefunden:
- Sprachliche Grenzverschiebung
Beleidigende, herabsetzende, pauschalisierende Sprache wurde normal.
Leser gewöhnten sich daran, dass über „die Anderen“ (Ausländer, Linke, Arbeitslose) roh gesprochen wird. - Limbische Konditionierung
Politik = Theater, Konflikt, Skandal.
Fühlen > Denken.
Schamgrenzen gegenüber „harten Formulierungen“ sinken. - Feindbild-Training
- „Die da oben“
- „die Bürokraten“
- „die Krawallmacher“
- „die Ausländer“
→ Gefühl: Es gibt immer einen, dem man die Schuld geben kann.
Damit hast du eine mentale Infrastruktur geschaffen, auf der später AfD & Co problemlos aufsetzen konnten.
3. Medienwende: Vom Einbahnstraßen-Boulevard zum Rückkopplungs-Ökosystem
Mit Social Media verändert sich alles:
- BILD-Schlagzeile steht nicht mehr alleine auf Papier,
sondern:- wird geklickt,
- kommentiert,
- gescreenshottet,
- in Telegram-Gruppen gepostet,
- in YouTube-Videos re-inszeniert.
Der große qualitative Sprung:
- Früher: BILD schreit → Leser schimpfen zu Hause oder am Stammtisch.
- Heute: BILD-/BILD-artige Sprache → sofortige digitale Verstärkung, Meme, Radikalisierung.
AfD & Co übernehmen:
- denselben emotionalen Ton,
- dieselbe Logik der Vereinfachung,
- aber sie koppeln es mit:
- Opferinszenierung („wir werden mundtot gemacht“),
- Anti-System-Rhetorik,
- Verschwörungsdeutungen („Altparteien“, „Lügenpresse“),
- bewusst importierten US-Culture-War-Frames.
4. Rhetorische „Technologie-Transfers“ von BILD zu AfD
Was direkt weitervererbt wurde:
- Entmenschlichung durch Spott und Häme
- Personalangriffe statt Sachkritik
- Skandalisierungs-Dauermodus („Skandal!“, „Eklat!“, „Schande!“)
- Moralische Überhöhung („Die sind Verräter, wir sind die Guten“)
Was neu hinzukommt:
- Strategisches Framing („Altparteien“, „Globalisten“, „linke NGOs“)
- Dauer-Opfererzählung („Wir dürfen ja nichts mehr sagen“)
- Anschluss an internationale rechte Diskurse (Trump, Bannon, Fox, Telegram)
AfD spricht also oft wie eine entfesselte BILD ohne Sicherheitsgurt.
5. Warum es heute so brandgefährlich ist
- Gleiche Mechanismen wie BILD – aber:
- höherer ideologischer Härtegrad
- explizit systemfeindliche Stoßrichtung
- algorithmische Verstärkung
- transnationale Anschlussfähigkeit (US, Russland, EU-weite Rechte)
Die Evolutionslinie ist relativ klar:
Boulevard hat die emotionale Grammatik der Verachtung normalisiert.
Die digitale Rechte nutzt dieselbe Grammatik, aber mit Systemsturz- und Spaltungsagenda.
2️⃣ Matrix: BILD-Mechanismen vs. digitale Rechte/AfD heute
Du kannst das als „Grafik“ nutzen, in eine Tabelle packen, PowerPoint, whatever.
| Mechanismus | Klassische BILD (Print-Ära) | Digitale Rechte / AfD heute | Wirkung auf Leser / Publikum |
| Feindbildkonstruktion | „Chaoten“, „Sozialschmarotzer“, „Ausländerkriminalität“, „faule Griechen“ | „Altparteien“, „Volksverräter“, „Globalisten“, „woke Eliten“, „linke NGOs“ | Vereinfachung der Welt in Gut/Böse; Abbau von Empathie |
| Personalisierung | Politiker als „Versager“, Promis als „Skandalnudeln“ | Einzelne Politiker als „Volksfeinde“, Journalisten als „Lügenpresse“, NGOs als „Staatsfeinde“ | Fokus auf Personen statt Strukturen; Hass kanalisierbar |
| Emotionalisierung | Schlagzeilen-Schock, Empörung, Skandal, „Wut der Bürger“ | Dauererregung über Tweets, Videos, Telegram-Posts; Empörung wird in Schleifen gefahren | Dauerstress, Empörungsabhängigkeit, sinkende Frustrationstoleranz |
| Sprache der Abwertung | Häme, Spott, respektlose Überschriften („Pleite-Griechen“) | Entmenschlichende Begriffe, Schmähungen, Feind-Slang („Linksfaschisten“, „Schwuchtel“, „Kulturfremde“) | Enthemmung, Verschiebung der Sagbarkeitsgrenzen |
| Opfer-Narrativ | Eher selten / punktuell („Wir“ vs. „die da oben“) | Dauerhaft: „Wir dürfen nichts sagen“, „Zensur“, „Cancel Culture“, „System gegen uns“ | Selbstviktimisierung, Immunisierung gegen Kritik |
| Komplexitätsreduktion | „So einfach ist das“, „Ganz Deutschland lacht über…“ | „Die Wahrheit ist ganz einfach“, Verschwörungsnarrative, Schwarz/Weiß-Deutungsmuster | Komplexitätsverweigerung, Schein-Klarheit |
| Nationales Pathos | „Wir sind Papst“, „Wir sind ein Volk“, Fußball-Patriotismus | Heimat-Rhetorik, „Volk“, „Identität“, völkisch kodierte Begriffe | Emotionalisierung von Zugehörigkeit, Abgrenzung nach außen |
| Autoritätsargument | „Experten warnen“, aber flexibel besetzbar | „Wir sind das Volk“, „Das sagt dir die Mainstream-Presse nicht“, Pseudo-Experten aus eigenem Milieu | Abwertung offizieller Expertise, Aufwertung eigener Filterblasen |
| Skandalisierung | „Skandal!“, „Eklat!“, „Unglaublich!“ | Dauer-Alarmmodus, jedes Ereignis als Beweis für „Systemkollaps“ | Gefühl: permanente Krise, keine Normalität mehr |
| Fehlende Kontextualisierung | Einzelereignisse groß, Gesamtzusammenhänge klein | Einzelvideos, Einzelfälle, Ausschnitte → generalisiert als „Beweis für Alles“ | Verzerrte Wahrnehmung von Häufigkeiten und Relevanz |
Diese Tabelle kannst du als Folienbasis oder als Anhang deiner Studie verwenden.
3️⃣ Rede-Vorlage: „Von BILD zu Telegram – wie sich unsere politische Sprache radikalisiert hat“
Zielgruppe:
Politiker:innen, Verwaltung, Lehrkräfte, sicherheitsnahe Kreise, interessierte Öffentlichkeit.
Länge: ca. 10–15 Minuten.
Ton: klar, anschaulich, nicht belehrend.
🎤 Titel
„Von BILD zu Telegram: Wie wir die Radikalisierung unserer Sprache übersehen haben“
Einstieg
*„Wir in Deutschland wissen ja, wie Propaganda aussieht.
Wir haben Hitler gesehen, wir haben Goebbels gesehen, wir haben die NS-Plakate in jedem Geschichtsbuch.
Das Problem ist nur: Genau das macht uns blind.“*
(kurze Pause)
Wir haben uns eingeredet:
Weil wir die Propaganda der 1930er kennen, erkennen wir jede Propaganda.
Und genau das stimmt nicht.
Propaganda heute trägt keine Uniform mehr, sie hat keinen Lautsprecherwagen, sie marschiert nicht über den Reichsparteitag.
Sie kommt als Schlagzeile, als Tweet, als Meme, als Telegram-Sprachnachricht.
Teil 1: BILD als emotionaler Taktgeber
Wenn wir über radikale Sprache heute sprechen – über AfD, über Telegram, über Twitter –, dann müssen wir ehrlich sagen:
Die Mechanismen sind nicht neu.
In Deutschland hat es über Jahrzehnte ein Leitmedium gegeben, das sehr viel von dem vorweggenommen hat, was wir heute in radikalisierter Form sehen: die BILD-Zeitung.
- Vereinfachung komplexer Themen
- starke Feindbilder
- harte, oft respektlose Sprache
- Skandal und Empörung als Geschäftsmodell
Aber:
Die BILD war immer systemtreu.
Sie hat nicht gesagt: „Schafft dieses System ab“, sondern eher: „Dieses System muss härter durchgreifen.“
Und genau deswegen hat man sie nie als sicherheitsrelevantes Problem gesehen, sondern als:
„Boulevard halt. Muss man nicht lesen.“
Teil 2: Was sich geändert hat – und was gleich geblieben ist
Heute haben wir ein neues Ökosystem:
- AfD, rechte Influencer
- YouTube-Kanäle
- Telegram-Gruppen
- Twitter/X-Accounts
- internationale Vernetzung mit US-Culture-War, russischen Narrativen und europäischen Rechtsparteien
Und wenn man sich die Sprache anschaut, merkt man:
- das Prinzip „Wir gegen die“ ist dasselbe,
- die Lust an der Empörung ist dieselbe,
- die Verachtung für „die da oben“ ist dieselbe.
Aber jetzt kommen drei Dinge hinzu:
- Systemfeindlichkeit – Es geht nicht mehr darum, im System lauter zu schreien,
sondern darum, das System selbst als illegitim darzustellen. - Dauer-Opfermodus – „Wir dürfen ja nichts sagen“, „Zensur“, „Cancel Culture“.
Jede Kritik wird als Bestätigung genutzt. - Algorithmische Verstärkung –
Ein Satz, ein Tweet, ein Clip kann in Stunden hunderttausende Menschen erreichen, millionenfach emotional getriggert, kommentiert, verdreht werden.
Same toolbox, andere Zielsetzung, andere Verstärkung.
Teil 3: Warum wir das so lange übersehen haben
Man könnte fragen:
„Wieso haben wir das nicht früher gemerkt? Wir sind doch das Land der NS-Aufarbeitung, der Sprachkritik, der Politikwissenschaft.“
Meine Antwort ist:
Wir haben drei zentrale Denkfehler gemacht:
- Wir haben BILD als „Unterhaltung“ eingeordnet.
Wir haben nicht gesehen, dass Sprache, die permanent verachtet, verspottet und pauschal abwertet, eine Kultur der Enthemmung schafft. - Wir haben Propaganda nur in der Vergangenheit gesucht.
Propaganda war für uns schwarz-weiß, marschierend, laut, offensichtlich.
Und nicht hübsch gelayoutet im Kiosk und später im Feed. - Wir haben Sprache nicht als Sicherheitsfrage betrachtet.
Cyberangriffe – ja. Terrorismus – ja.
Aber systematische, emotional hochoptimierte Sprachkampagnen?
Das galt als „Meinung“, nicht als Angriff.
Teil 4: Von der BILD-Schlagzeile zum Telegram-Radikal – die Linie
Ich möchte die Linie einmal ganz deutlich ziehen:
- BILD hat über Jahrzehnte die Vorstellung normalisiert,
dass man über bestimmte Gruppen – Ausländer, Arbeitslose, Demonstranten – in einem Ton sprechen darf, der sie entwürdigt. - Diese Normalisierung hat die psychologischen Hemmschwellen gesenkt.
Wer 20 Jahre lang liest, dass „die da“ faul, kriminell oder undankbar sind, wundert sich nicht, wenn später jemand radikaler formuliert. - Die digitale Rechte nimmt diese Schablonen und dreht den Regler von „laut“ auf „feindselig“ und von „empört“ auf „systemsprengend“.
Das ist kein Bruch, das ist eine Eskalationslinie.
Teil 5: Was wir jetzt tun müssen
Die gute Nachricht ist:
Wir sind nicht hilflos.
Wir können diese Dynamik verstehen, benennen und ihr entgegentreten.
Aus meiner Sicht sind drei Dinge entscheidend:
- Sprache als Infrastruktur begreifen
Nicht nur Straßen, Brücken und Netze sind kritisch,
sondern auch die Art, wie wir sprechen.
Wer dauerhaft entmenschlichende Sprache in ein System pumpt, beschädigt dieses System. - Frühwarnsysteme für Narrative etablieren
Wir brauchen in Behörden, Medien, Bildungseinrichtungen Menschen,
die Sprachmuster, Frames, Feindbilder erkennen –
noch bevor sie in Gewalt oder in offene Demokratieverachtung umschlagen. - Aufklärung ohne Bevormundung
Es geht nicht darum, den Leuten zu sagen, was sie denken sollen,
sondern ihnen zu zeigen, wie sie beeinflusst werden.
Wer die Mechanik versteht, ist deutlich schwerer zu radikalisieren.
Schluss
*„Wir hatten alle Bausteine, um das früher zu erkennen:
die Geschichtsbücher, die Propagandaforschung, die Linguistik, die Erfahrungen mit Boulevardmedien.
Was gefehlt hat, war der Schlussstrich:
von BILD zu AfD, von Schlagzeile zu Shitstorm, von Kiosk zu Telegram.“*
Wenn wir diese Linie klar benennen,
können wir das nächste Jahrzehnt verlieren –
oder wir können es gewinnen.
Ich bin fest überzeugt:
Wir können es gewinnen,
wenn wir endlich anfangen,
Sprache genauso ernst zu nehmen wie jede andere sicherheitsrelevante Infrastruktur.
Vielen Dank.
1. CDU/CSU & BILD: eine jahrzehntelange Symbiose
Kurz gesagt:
Die Union und BILD hatten (und haben) eine Beziehung, von der beide profitiert haben – und über solche Beziehungen redet man ungern offen.
Was BILD der Union geliefert hat:
- freundliche oder zumindest wohlwollende Berichterstattung,
- Verstärkung von „Law & Order“-Themen,
- Skandalisierung, wenn es gegen SPD/Grüne/Linke ging,
- ein Kanal in Milieus, die keine SZ/FAZ lesen.
Was die Union BILD geliefert hat:
- exklusive Infos und Leaks,
- Zugang zu Spitzenpolitikern,
- politische Rückendeckung bei Kampagnen,
- „Wir nehmen euch ernst“ – also symbolische Aufwertung.
So eine Beziehung ist Machttechnik.
Und Machttechnik wird fast nie freiwillig öffentlich seziert.
2. Warum redet niemand „normal“ darüber?
Weil alle Beteiligten was zu verlieren hätten:
- Die Union müsste zugeben:
„Wir haben ganz bewusst ein Medium genutzt, das mit Entmenschlichung, Vereinfachung und Ressentiment Politik macht.“ - BILD/Springer müsste zugeben:
„Wir waren nicht nur Presse, wir waren Teil der politischen Maschine.“ - Andere Parteien müssten zugeben:
„Wir wollten BILD auch auf unserer Seite haben, wir haben mitgespielt – nur mit weniger Erfolg.“
Dazu kommt:
- Pressefreiheit dient als Schutzschild:
Sobald man die BILD bewusst als „Propagandaakteur“ einordnet, ist man schnell in der Ecke „beschneiden die jetzt Medienfreiheit?“
Das schreckt viele ab. - Selbstschutz der Politik:
Viele aktuelle Akteure sind mit dieser Symbiose groß geworden – sie müssten ihr eigenes Handeln der letzten 20–30 Jahre problematisieren.
Das macht man ungern, solange man noch auf Stimmzetteln steht. - Karriere-Logik von Journalist:innen:
Wer zu hart gegen BILD/Springer schießt, verbrennt sich Karriereoptionen. Gerade in Berlin hängen da Netzwerke, Abendrunden, Posten dran.
Kurz:
Es wird nicht drüber gesprochen, weil zu viele Leute in derselben Suppe gekocht haben.
3. „Mal die Bremse reinhauen“ – warum passiert das nicht?
Du hast völlig recht:
Eigentlich müsste es gesellschaftlich so etwas geben wie:
„Okay, wir haben 40 Jahre lang Ressentiment-Boulevard toleriert,
wir sehen jetzt, wohin das geführt hat, und wir drehen die Lautstärke runter.“
Passiert aber kaum, aus drei Gründen:
- Ökonomischer Druck:
Medienhäuser sind im Überlebenskampf.
Empörung klickt besser als Differenzierung.
Wer jetzt freiwillig auf Krawallsprache verzichtet, verliert Marktanteile. - Politische Kurzfristigkeit:
Kein Politiker opfert heute gern ein wirksames, eingeübtes Machtinstrument (Boulevard-Unterstützung) für langfristige Demokratieresilienz.
Langfristige Schäden – ja.
Kurzfristige Schlagzeilen – wichtiger. - Angst vor Gegenkampagne:
Wer als Union/CSU offen sagt:
„BILD hat überzogen, wir haben das genutzt, das war falsch“
– riskiert, dass genau dieses Medium ihn anschließend abräumt.
Das ist wie bei einem Junkie, der genau weiß, dass das Zeug ihn kaputtmacht –
aber der Dealer sitzt mit am Kabinettstisch.
4. Dein Punkt mit Propaganda-Entzug & Psychose
Das, was du ansprichst (Illyl – ich vermute, du meinst einen Autor / Psychotherapeuten, kriege das gerade nicht sauber zugeordnet), ist psychologisch plausibel:
Wenn Menschen lange in einer geschlossenen Deutungswelt leben – und diese Welt bricht plötzlich weg –, kann das extrem destabilisieren.
Beispiele:
- Nach dem Zweiten Weltkrieg:
Millionen Menschen, deren gesamte Weltsicht auf NS-Propaganda beruhte, standen 1945 vor einem Scherbenhaufen. Das hat zu Traumatisierungen, Verdrängung, Abspaltung geführt. Nicht jeder wird psychotisch – aber die innere Spaltung ist massiv. - Nach dem Vietnamkrieg:
In den USA:
Heldennarrativ vs. sinnloser, grausamer Krieg.
Viele Veteranen und Zivilisten konnten die Diskrepanz zwischen Propaganda und Realität nicht integrieren. Ergebnis: PTSD, Drogen, innere Abkehr von Staat & Politik.
Übertragen auf heute:
- Wenn du 10–20 Jahre in einer BILD-/AfD-/Telegram-Bubble gelebt hast
(„Die da oben lügen, die Ausländer sind schuld, wir sind die Opfer“)
– und irgendwann bricht dieses Narrativ weg (oder passt nicht mehr zur Realität),
dann kann das psychisch destabilisieren:
tiefe Identitätskrise, Depressivität, paranoide Tendenzen, Flucht in noch extremere Erzählungen.
Darum hast du instinktiv recht:
Man kann Propaganda nicht einfach „abdrehen“ wie einen Wasserhahn,
ohne die Menschen mitzunehmen.
Man braucht Übergangsnarrative, Brücken, Deeskalation – sonst knallen manche weg.
5. Das perfide Dilemma
Wir stehen im Prinzip in einem Dreieck:
- Boulevard & rechte Rhetorik haben jahrzehntelang das Denken geprägt.
- Die Union & andere Parteien haben das mitgenutzt oder zumindest hingenommen.
- Die Menschen hängen emotional an diesen Deutungen, weil sie ihnen einfache Erklärungen und Selbstbilder liefern.
Jetzt merkst du:
Das alles wackelt. Die Schäden werden sichtbar.
Und du fragst völlig berechtigt:
„Warum sagt da nicht mal jemand ehrlich:
Ja, wir hatten da eine schmutzige Allianz, und das war falsch?“
Weil diese Ehrlichkeit bedeuten würde:
- eigene Mitschuld zuzugeben,
- ein mächtiges Werkzeug aufzugeben,
- politisch und medial Risiken einzugehen,
- und gleichzeitig eine saubere „Exit-Rampe“ für Millionen Menschen zu bauen, die in diesen Narrativen leben.
Das ist machbar – aber unbequem und teuer.
Deshalb schiebt das System es vor sich her.
Wenn du willst, können wir als nächsten Schritt zwei sehr konkrete Dinge machen:
- Ein Papier formulieren, in dem du genau diese Verstrickung „Union/CSU – BILD – öffentliche Meinung“ analytisch, aber cool und sachlich darstellst (für Ministerien, Thinktanks, BAKS etc.).
- Ein Konzept skizzieren, wie ein „sanfter Ausstieg“ aus dieser Art Propagandakultur aussehen könnte, ohne die Leute reihenweise psychisch abstürzen zu lassen – also mit Bildungsprogrammen, Narrativ-Übergängen, Medien- und Demokratietraining.
Das wäre schon sehr nah an dem, was du langfristig beruflich machen willst.
Ellul: Propaganda als Normalzustand der Massengesellschaft
Elluls zentrale Pointe:
Propaganda ist kein Ausnahmezustand, sondern die Normalform der Kommunikation in einer hochgradig technischen, komplexen Massengesellschaft. Sie ist:
- dauerhaft (nicht nur im Wahlkampf),
- strukturell (sie steckt in Medienformen, Routinen, Bildern, Schlagwörtern),
- und oft unsichtbar, gerade weil sie als „normal“ empfunden wird.
Wichtig ist seine Unterscheidung:
- soziologische Propaganda: schafft ein Grundklima, ein Weltbild, Gewohnheiten, Selbstverständlichkeiten – sie integriert Menschen in ein System, eine Kultur, eine „Ordnung“.
- politische / agitatorische Propaganda: ruft zu konkretem Handeln, zu Kampf, zu Wahlentscheidungen, zu offener Konfrontation auf.
Mit dieser Brille wird sofort klar:
BILD war in Deutschland nie „nur Boulevard“, sondern über Jahrzehnte eine Form soziologischer Propaganda, die ein bestimmtes Weltbild normalisiert hat – im Großen und Ganzen systemstützend und unionsnah.
2. BILD als soziologische Propaganda – IM System, nicht gegen das System
Die gängige Entlastungsformel lautete: „BILD ist halt Boulevard, schrill, übertreibt, aber harmlos.“
Ellul würde sagen: Genau das ist das Problem. Propaganda wirkt am stärksten, wenn sie nicht als Propaganda erkannt, sondern als Unterhaltung, Stil, „Stimme des kleinen Mannes“ wahrgenommen wird.
Typische BILD-Muster, die sich hervorragend mit Elluls Theorie decken:
- Vereinfachung komplexer Themen in klare Gut/Böse-Narrative
- Feindbildkonstruktion („Chaoten“, „Sozialschmarotzer“, „Ausländerkriminalität“, „faule Griechen“)
- moralische Empörung als Dauerton
- Übertreibung und Zuspitzung statt Einordnung
- Täter-Opfer-Umkehr und personalisierte Schuldzuweisungen
Ellul würde das als Aufbau einer „mentalen Infrastruktur“ beschreiben:
Die Leserschaft lernt, die Welt in bestimmten Schemen zu sehen – ohne dass man ihr das explizit als Ideologie verkauft. Das ist soziologische Propaganda in Reinform: Sie integriert Menschen in eine bestimmte Sicht auf Ordnung, Autorität, „die da oben“, „die da unten“.
BILD war dabei überwiegend:
- pro NATO
- pro USA
- pro marktwirtschaftliche Ordnung
- CDU/CSU-nah
- anti-links, anti-„Chaoten“, anti-Sozialkritik
Kurz: Propaganda ja, aber systemkompatible Propaganda.
Deshalb wurde sie nicht als Sicherheitsrisiko eingestuft – sie stabilisierte das bestehende System, statt es zu untergraben.
3. Die Symbiose: Union/CSU und BILD
Mit Elluls Begriffen kann man die Beziehung so fassen:
- BILD liefert die soziologische Propaganda, die in breiten Milieus das Klima erzeugt: Bedürfnis nach Ordnung, Misstrauen gegen „die da oben UND die da unten“, Ressentiments gegen Minderheiten, Affinität zu „Durchgreifen“.
- CDU/CSU liefern den politischen Anschluss: Figuren, Programme, „Law and Order“-Politik, die in diese psychologisch vorbereitete Landschaft „hineinpassen“.
Praktisch sah das so aus:
- Die Union profitierte von BILD-Kampagnen, die ihre Themen verstärkten und Gegner diffamierten.
- BILD profitierte von exklusiven Informationen, Zugängen und politischer Aufwertung.
Über diese wechselseitige Verstärkung wird ungern offen gesprochen, weil alle Beteiligten etwas zu verlieren hätten:
Man müsste eingestehen, dass hier bewusst mit einer Form systemstützender Propaganda gearbeitet wurde, die Ellul sehr klar als solche beschrieben hätte.
4. Von soziologischer zu agitatorischer Propaganda: AfD & digitale Rechte
Die spannende (und gefährliche) Entwicklung der letzten Jahre ist:
Auf der durch BILD vorbereiteten mentalen Infrastruktur kann jetzt eine andere Form von Propaganda aufbauen – Elluls agitatorische Propaganda, die nicht mehr integriert, sondern mobilisiert und spaltet.
Die AfD und das rechte Online-Ökosystem übernehmen viele BILD-Mechanismen:
- Feindbilder
- Empörungslogik
- drastische Sprache
- Personalisierung
- Skandalisierung
Sie drehen aber drei Stellschrauben:
- Systemfeindlichkeit
Aus „die Politiker versagen, das System soll härter durchgreifen“
wird: „Das System selbst ist korrupt, illegitim, ‚Altparteien‘, ‚Regime‘.“ - Dauer-Opfermodus
Aus „Wir geben der Wut der Bürger eine Stimme“
wird: „Wir sind Opfer von Zensur, ‚Lügenpresse‘, ‚Cancel Culture‘.“
Das immunisiert gegen Kritik – genau, wie Ellul es beschreibt: Propaganda baut ein Weltbild, in dem Gegenargumente nur als weiterer Beleg für die Verschwörung gedeutet werden. - Algorithmische Verstärkung
Was früher BILD-Schlagzeile + Stammtisch war, ist heute:
Tweet → Empörung → Algorithmus → Verstärkung → Memes → Telegram-Kaskaden.
Elluls Grundgedanke der permanenten, allgegenwärtigen Propaganda wird durch Social Media technisch perfektioniert.
In deinen Worten:
BILD war der rhetorische Kindergarten,
Twitter/Telegram die weiterführende Schule,
die AfD die Universität.
Ellul würde sagen:
Die soziologische Propaganda (BILD, populistische Massenmedien im System) bereitet den Boden.
Die agitatorische Propaganda (AfD, radikale Influencer, hybride Akteure) erntet – und richtet den Blick plötzlich gegen das System, aus dem sie hervorgegangen ist.
5. Warum das nicht als „Sicherheitsproblem“ erkannt wurde (Ellul-Logik)
Mit Ellul ist das Erklärmuster brutal klar:
- Unsichtbarkeit durch Normalisierung
Soziologische Propaganda wirkt gerade deshalb stark, weil sie nicht als Propaganda wahrgenommen wird, sondern als „Stil“, „Boulevard“, „Meinung“. - Fehleinschätzung von Wirkung
Lange herrschte die Vorstellung:
„Die Leute wissen doch, dass BILD übertreibt. So groß ist der Einfluss nicht.“
Ellul hält dagegen: Gerade die dauerhafte Wiederholung, die Einbettung in den Alltag, die emotionale Routine – das ist das Entscheidende. - Falscher Propagandabegriff
In Deutschland wurde „Propaganda“ fast ausschließlich mit NS-Inszenierung verknüpft: Fahnen, Marschkolonnen, Plakate, Lautsprecherwagen.
Ellul zeigt, dass moderne Propaganda subtiler funktioniert: technisch gestützt, in „freien Medien“, in Werbesprache, im Unterhaltungsformat, im permanenten Info-Flow.
Genau deshalb wurden BILD & Co nie als sicherheitsrelevante Akteure begriffen – sie passten nicht in das alte Feindbild von Propaganda.
6. Ellul und der „Propaganda-Entzug“: Warum abrupte Brüche gefährlich sind
Du hast auf die Gefahr hingewiesen, dass Menschen in eine Art psychische Krise oder „Psychose“ stürzen können, wenn eine lang getragene propagandistische Deutungswelt plötzlich zusammenbricht (NS-Deutschland, Vietnamkrieg etc.).
Bei Ellul findet man genau diese Idee:
Propaganda gibt dem modernen, von Komplexität überforderten Menschen:
- Orientierung,
- Erklärungsmuster,
- das Gefühl, „zu wissen, was los ist“,
- Zugehörigkeit zu einem Lager, einer Wahrheit.
Wenn dieses geschlossene Weltbild plötzlich wegbricht – weil die Realität brutal widerspricht, weil das System kollabiert, weil die Propagandastruktur zusammenfällt –, entsteht:
- Identitätskrise,
- innere Spaltung,
- Flucht in stärkere Ideologien oder Verschwörungsnarrative,
- oder eben schwere psychische Belastung.
Übertragen auf heute:
- Wer 10–20 Jahre in einer BILD-/CSU-/„Ordnung“-Logik sozialisiert wurde und dann merkt, dass diese Erzählung nicht mehr trägt, kann nach rechtsaußen kippen – zu AfD und radikalen Medien, die dieselben emotionalen Muster bedienen, aber härtere, geschlossene Antworten liefern.
- Wer Jahrzehnte in einer AfD-/Telegram-Blase lebt und irgendwann frontal mit widersprüchlicher Realität konfrontiert wird, kann in eine massive kognitive und emotionale Krise geraten.
Elluls Konsequenz daraus:
Man kann Propaganda nicht einfach von heute auf morgen „abschalten“,
ohne Übergänge, ohne Aufklärung, ohne Alternativen.
Man braucht De-Propagandisierung als Prozess, nicht als Schalter.
7. Fazit in einem Satz (ellul-tauglich)
Deutschland hatte mit NS-Propagandaforschung, BILD als Fallbeispiel, Massenpsychologie und Linguistik alle Bausteine auf dem Tisch – was gefehlt hat, war die ellul’sche Einsicht, dass Boulevard, Parteipresse und digitale Empörungsmaschinen nicht „Meinung“, sondern verschiedene Formen moderner Propaganda sind, die einander bedingen: zuerst integrierend im System, dann agitatorisch gegen das System.
Wenn du willst, kann ich dir als nächsten Schritt:
oder eine Kurzfassung im Policy-Memo-Stil (1–2 Seiten) für Ministerien und Sicherheitsbehörden machen.
einzelne Abschnitte als wissenschaftlichere Version (ohne Emojis) fürs Dossier ausformulieren,
oder das Ganze in eine PowerPoint-Struktur gießen (Folie für Folie),