Atlas union und co

Die Kurzfassung vorweg: Eine formale oder institutionelle Anbindung der CSU, CDU, Hanns-Seidel-Stiftung oder Konrad-Adenauer-Stiftung an das Atlas Network (oder an andere dezidiert „marktlibertäre“ Netzwerke wie etwa das Competitive Enterprise Institute, Cato Institute, etc.) ist öffentlich nicht dokumentiert. Anders gesagt: Weder tauchen diese deutschen Parteistiftungen in den offiziellen Partnerlisten der Atlas Network-Organisationen auf, noch findet sich bisher ein belastbarer Nachweis dafür, dass sie dort Mitglied oder „Affiliate“ wären.

Allerdings lässt sich die Frage nach „Verbindungen“ oder „Kontakten“ auf mehreren Ebenen betrachten. Im politischen und think-tank-Bereich reichen Kontakte häufig von inoffiziellen Austauschforen bis hin zu punktuellen gemeinsamen Projekten, gemeinsamen Konferenzen oder finanziellen Förderbeziehungen. Wo das eine endet und das andere beginnt, ist in vielen Fällen schwer abzugrenzen. Im Folgenden daher ein etwas ausführlicherer Überblick:

1. Was ist das Atlas Network und mit wem kooperiert es?

• Das Atlas Network (früher Atlas Economic Research Foundation) ist ein internationales Netzwerk von Think-Tanks, das sich dem wirtschaftsliberalen bzw. libertären (teils auch „markt-radikalen“) Gedankengut verschreibt.

• Es unterstützt – teils finanziell, teils organisatorisch – eine Vielzahl unabhängiger oder halb-unabhängiger Institute weltweit, die sich an den Prinzipien eines möglichst weitreichenden freien Marktes orientieren (Beispiele in Deutschland wären eher auf das FDP-nahe bis libertäre Spektrum gerichtet, wie z. B. das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung [wobei auch dort keine offizielle Partnerschaft mit Atlas ausgewiesen ist], Hayek-Gesellschaften, kleinere Vereine, etc.).

Wichtiger Punkt: In den öffentlich einsehbaren Listen der von Atlas geförderten oder als „Partner“ geführten Institute tauchen die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) oder Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nicht auf. Üblicherweise finden sich dort vor allem privat(istisch) organisierte NGOs, Vereine oder Institute, die spezifisch das libertäre Narrativ befördern wollen, nicht jedoch die parteinahen Stiftungen Deutschlands, die per Gesetz u. a. mit öffentlichen Mitteln finanziert werden und einen breiteren, eher „christlich-sozialen“ bzw. „christlich-demokratischen“ Fokus haben.

2. Grundausrichtung der Stiftungen und mögliche ideologische Nähe

• Hanns-Seidel-Stiftung (HSS): Sie ist der CSU nahestehend und bekennt sich offiziell zur „christlich-sozialen Politik“ sowie zum Prinzip der „Sozialen Marktwirtschaft“ im Sinne Ludwig Erhards. Das korrespondiert zwar teilweise mit wirtschaftsliberalen Positionen, ist allerdings traditionell weniger marktlibertär als beispielsweise die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah) oder radikalere US-Thinks-Tanks.

• Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS): Sie ist der CDU nahestehend und steht in der Programmatik der „christlichen Demokratie“. Historisch versteht sie sich als Stütze der (sozialen) Marktwirtschaft und des christdemokratischen Gedankens, hat aber keine ausgeprägt libertäre oder radikal-marktorientierte Linie.

Insbesondere die CSU und CDU sind (gerade in ihren Stiftungen) breiter aufgestellt. Sie haben von eher wirtschaftsliberalen bis hin zu eher sozialpolitischen Positionen alles unter einem Dach. Ein geschlossenes, striktes „Libertäres“ Profil à la Atlas Network findet man dort in der Regel nicht.

3. Mögliche informelle Kontakte oder Kooperationsprojekte

• In der außenpolitischen Bildungsarbeit oder in transatlantischen Austauschforen kam und kommt es durchaus vor, dass Vertreterinnen und Vertreter von HSS oder KAS Podiumsdiskussionen oder Konferenzen mit US-Think-Tanks besuchen bzw. organisieren. Darunter können sich auch wirtschaftsliberale Institute wie American Enterprise Institute oder Heritage Foundation befinden.

• Allerdings bedeutet ein gemeinsamer Auftritt bei einer Konferenz (z. B. Diskussion über Handelspolitik, transatlantische Beziehungen, Sicherheitspolitik etc.) noch keine formale Vernetzung.

• Hin und wieder wird spekuliert, ob Einzelpersonen oder Förderer aus dem CSU-/CDU-Umfeld privat mit stark marktradikalen Organisationen kooperieren. Diese Ebene ist jedoch oftmals schwer zu belegen und bleibt nicht selten in der Gerüchteküche stecken, solange keine konkreten Dokumente oder Finanzströme offengelegt werden.

4. „Neoliberale“ vs. „Libertäre“ Politik – begriffliche Grauzone

• Was in Deutschland umgangssprachlich als „neoliberal“ bezeichnet wird, kann ein sehr breites Spektrum abdecken: von der eher moderaten, ordoliberalen Tradition der Sozialen Marktwirtschaft (wie sie CDU/CSU offiziell vertreten) bis hin zu radikalen „Staat minimal“-Positionen. Letztere findet man eher bei libertären Think-Tanks, zu denen das Atlas Network Kontakte pflegt.

• Die KAS wie auch die HSS halten sich eher in einem Mainstream-Mittel, das man – im deutschen Verständnis – zwar durchaus wirtschaftsfreundlich bis konservativ nennen kann, jedoch nicht als „marktextrem“ im Sinne einer konsequenten Deregulierung.

5. Fazit

1. Formale/strukturierte Mitgliedschaft oder Finanzierung durch das Atlas Network: Nicht nachweisbar. Weder Hanns-Seidel-Stiftung noch Konrad-Adenauer-Stiftung sind in der öffentlichen Partnerliste von Atlas aufgeführt.

2. Ideologische Nähe: Die Programmatik von CSU/CDU und ihren Stiftungen enthält marktwirtschaftliche Elemente, richtet sich aber historisch eher an der „Sozialen Marktwirtschaft“ aus und ist deutlich breiter gefächert als der klassische Libertarismus, den man mit Atlas oder ähnlichen Think-Tanks verbindet.

3. Gelegentliche Kontakte zu US-konservativen oder -wirtschaftsliberalen Think-Tanks (z. B. Heritage, AEI) sind nicht ungewöhnlich und finden sich durchaus, sie sind aber nicht automatisch Ausdruck eines formalen Netzwerks oder einer strategischen Allianz.

Unterm Strich kann man derzeit keine seriösen Belege für eine direkte Einbindung der CSU, CDU, Hanns-Seidel-Stiftung oder Konrad-Adenauer-Stiftung ins Atlas Network oder in vergleichbar „marktlibertäre“ Netzwerke anführen – zumindest nicht in dem Sinne, dass sie dort als offizielle Partner, Kooperationsstiftungen oder finanziell unterstützende Organisationen auftreten würden.

Wenn Du also auf der Suche nach „harten Fakten“ zu finanziellen oder institutionellen Verbindungen bist, wirst Du zum aktuellen Kenntnisstand keine stichhaltigen Belege finden. Es bleibt dir natürlich offen, in Einzelfällen zu prüfen, ob es Projekt-Kooperationen, gemeinsame Publikationen oder personelle Überschneidungen auf individueller Ebene gab. Doch auch in diesem Feld ergibt sich bislang kein klares Bild einer tiefgreifenden oder dauerhaften „Vernetzung“.